Ich war noch nie zuvor in der Nähe von Windsor gewesen; die Fruchtbarkeit und Schönheit des Landes um mich herum flößten mir jetzt Bewunderung ein, die sich vertiefte, als ich mich dem altehrwürdigen Wald näherte. Die Stümpfe majestätischer Eichen, die im Laufe der Jahrhunderte gewachsen, gediehen und verfallen waren, markierten die einstige Grenze des Waldes, während die zerbrochenen Umzäunungen und das verfilzte Unterholz anzeigten, dass dieser Teil zugunsten der jüngeren Anpflanzungen verlassen worden war, die zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts angelegt wurden und jetzt in voller Reife standen. Perditas bescheidene Behausung lag an den Rändern des ältesten Teils; vor ihr lag Bishopsgate Heath, das sich, so weit das Auge reichte, nach Osten erstreckte, und im Westen von Chapel Wood und dem Hain von Virginia Water begrenzt wurde. Dahinter wurde die Hütte von den ehrwürdigen Riesen des Waldes beschattet, unter denen Hirsche grasten, und welche, größtenteils hohl und zerfallen, phantastische Gruppierungen bildeten, die mit der gewöhnlichen Schönheit der jüngeren Bäume kontrastierten. Diese, die Nachkommen einer späteren Periode, standen aufrecht und schienen bereit, furchtlos in die kommende Zeit vorzustoßen; während jene abgekämpften Gerippe sich ausgedörrt und zerschmettert aneinanderklammerten und ihre schwachen Äste im sie schüttelnden Wind seufzten – eine wettergegerbte Truppe.
Eine zierliche Umzäunung umgab den Garten der Hütte, welche mit ihrem niedrigen Dach der Majestät der Natur zu unterliegen und sich inmitten der ehrwürdigen Überreste vergangener Zeit niederzukauern schien. Blumen, die Kinder des Frühlings, schmückten Garten und Fenster; inmitten der Einfachheit herrschte ein Hauch von Eleganz, der auf den anmutigen Geschmack der Bewohnerin hindeutete. Mit pochendem Herzen betrat ich den Garten; als ich am Eingang der Hütte stand, hörte ich ihre Stimme, die so melodisch klang wie in meiner Erinnerung und die mich, noch ehe ich sie sah, ihres Wohlergehens versicherte.
Einen Augenblick darauf erschien Perdita; sie stand vor mir in der frischen Blüte jugendlicher Fraulichkeit, anders als das Bergbauernmädchen, das ich verlassen hatte, und doch dieselbe. Ihre Augen konnten nicht tiefsinniger sein als in der Kindheit und ihr Antlitz nicht ausdrucksvoller; aber der Ausdruck war verändert und verfeinert; Intelligenz sprach daraus. Als sie lächelte, wurde ihr Gesicht von der sanftesten Empfindsamkeit versüßt, und ihre leise, wohlklingende Stimme schien von der Liebe gestimmt. Ihre Gestalt hatte äußerst weibliche Formen erhalten. Sie war nicht groß, doch das Leben in den Bergen hatte ihre Bewegungen beflügelt, so dass ihr leichter Schritt ihre Fußtritte kaum hörbar machte, als sie mir durch den Flur entgegenging. Als wir uns getrennt hatten, hatte ich sie voller Wärme an meine Brust gezogen; wir trafen uns wieder, und neue Gefühle wurden erweckt. Als wir einander erblickten, verging die Kindheit, nun begegneten wir uns als Erwachsene in dieser wechselvollen Szene. Dies Innehalten dauerte nur einen Augenblick; die Flut von Zuneigung stürzte wieder mit voller Kraft in unsere Herzen, und wir umarmten uns mit den zärtlichsten Empfindungen.
Als dieser Ausbruch leidenschaftlichen Gefühls vorüber war, saßen wir mit wieder beruhigten Gedanken beisammen und redeten von Vergangenheit und Gegenwart. Ich spielte auf den kühlen Ton ihrer Briefe an, aber die wenigen Minuten, die wir zusammen verbracht hatten, erklärten die Ursache dafür hinreichend. In ihr waren neue Gefühle entstanden, die sie einem Menschen, den sie nur in der Kindheit gekannt hatte, nicht schriftlich ausdrücken konnte; doch nun, da wir uns wiedersahen, wurde unsere Nähe erneuert, als ob nichts sie je unterbrochen hätte. Ich berichtete ausführlich über die Geschehnisse während meines Aufenthalts im Ausland und fragte sie dann nach den Veränderungen, die zu Hause stattgefunden hatten, nach den Ursachen für Adrians Abwesenheit und ihr zurückgezogenes Leben.
Die Tränen, die meiner Schwester in die Augen strömten, als ich unseren Freund erwähnte, und ihre geröteten Wangen schienen für die Wahrheit der Berichte zu bürgen, die mich erreicht hatten. Doch ihre Bedeutung war zu schrecklich für mich, um meine Ahnung sofort zur Wahrheit werden zu lassen. Gab es wirklich eine Unordnung im erhabenen Universum von Adrians Gedanken, brachte der Wahnsinn die wohlgeordneten Legionen durcheinander und war er nicht mehr der Herr seiner eigenen Seele? Geliebter Freund, das Klima dieser unseligen Welt war schädlich für deinen sanften Geist; du gabst seine Herrschaft zugunsten falscher Menschlichkeit auf, die ihn vor der Winterzeit seiner Blätter beraubte und sein nacktes Leben dem unheilvollen Einfluss rauer Winde preisgab. Haben diese sanften Augen, diese »Kanäle zur Seele«, ihre Sinnhaftigkeit verloren, oder offenbaren sie in ihrem Blick nurmehr die schreckliche Geschichte ihrer Verirrungen? Sollte diese Stimme nicht mehr die »beredteste Musik sprechen«? Schrecklich, überaus schrecklich! Ich bedecke meine Augen vor Entsetzen über die Veränderung, und die strömenden Tränen bezeugen mein Mitleid für diesen unvorstellbaren Untergang.
Auf meine Bitte hin führte Perdita die traurigen Umstände auf, die zu diesem Ereignis geführt hatten.
Adrian, dessen aufrichtiger und argloser Geist mit aller natürlichen Anmut begabt war, mit transzendenten Geisteskräften ausgestattet, die durch keinen Mangel überschattet waren (sofern seine furchtlose Unabhängigkeit des Denkens nicht zu einem solchen erklärt werden sollte), hatte sich, bis zur völligen Selbstaufopferung, ganz seiner Liebe zu Evadne hingegeben. Er vertraute ihr die Schätze seiner Seele an, sein Streben nach dem Guten und seine Pläne zur Verbesserung der Menschheit. Als die Männlichkeit in ihm erwachte, erlangten seine Pläne und Theorien, weit davon entfernt, durch persönliche und berechnende Motive beeinflusst zu werden, neue Stärke von der Kraft, die er in sich aufsteigen fühlte; und seine Liebe zu Evadne schlug tiefere Wurzeln, als er mehr und mehr zur Gewissheit gelangte, dass der Weg, den er verfolgte, voller Schwierigkeiten war und dass er seine Belohnung nicht im Beifall oder der Dankbarkeit seiner Mitgeschöpfe, und kaum im Erfolg seiner Pläne, erwarten durfte, sondern in der Billigung seines eigenen Herzens und in ihrer Liebe und Zuneigung, die jede Mühe erleichtern und jedes Opfer entschädigen sollte.
In der Abgeschiedenheit und auf vielen einsamen Wanderungen fernab aller Zivilisation reiften seine Ideen für die Reform der englischen Regierung und die Verbesserungen für das Volk heran. Es wäre besser gewesen, wenn er seine Gedanken verborgen hätte, bis er in den Besitz der Macht gekommen wäre, die für ihre praktische Ausführung sorgen würde. Doch aufrichtig und furchtlos wie er war, plagte ihn eine Ungeduld bezüglich der Jahre, die zuvor verstreichen müssten. Er lehnte nicht nur die Pläne seiner Mutter kurzerhand ab, sondern gab seine Absicht bekannt, seinen Einfluss darauf zu verwenden, die Macht des Adels zu verringern, einen besseren Ausgleich von Reichtum und Privilegien zu bewirken und ein ausgeklügeltes System der Republik in England einzuführen. Zuerst behandelte seine Mutter seine Theorien als wilde Ausbrüche, die seiner Unerfahrenheit geschuldet waren. Aber sie waren so systematisch geordnet und seine Argumente so gut begründet, dass sie, wenngleich sie immer noch ungläubig wirkte, begann, ihn zu fürchten. Sie versuchte, ihn umzustimmen, und als ihr dies nicht gelang, lernte sie ihn zu hassen.
Seltsamerweise war dieses Gefühl ansteckend. Seine Begeisterung für das Gute, das es nicht gab, seine Verachtung für die Unantastbarkeit der Autorität, sein Eifer und seine Unbesonnenheit standen alle im völligen Gegensatz zum üblichen Lebensalltag. Die Weltlichen fürchteten ihn, die Jungen und Unerfahrenen verstanden weder die hohe Strenge seiner moralischen Ansichten, noch mochten sie ihn, da er sich so von ihnen unterschied. Evadne konnte sich nicht