Und sie dachten nicht daran, ihr Geheimnis preizugeben.
»Wenn der Marshal sich hier nicht zu erkennen gegeben hat, dann wird er seinen Grund dafür haben«, meinte der Alte. »Und Prestly ist schon längst fällig gewesen. Traurig, daß erst Wyatt Earp herkommen muß, um diesem Burschen das Handwerk zu legen.«
Der Posträuber, Rinderdieb und Heckenschütze Henry Jerome Prestly war endlich gefaßt worden.
Wer der andere Gefangene war, wußten die Leute nicht.
*
Erst nach Einbruch der Dunkelheit ritten Wyatt Earp und Doc Holliday in die Stadt ein.
Vor dem Sheriff Office sprang Holliday aus dem Sattel und öffnete das Hoftor.
Sheriff Baxter war vor zwei Stunden mit seinem Freund, dem Barbier, zurückgekommen.
Sie hockten beide hier im Hof auf der Treppe.
Als die Reiter hereinkamen, sprangen sie auf.
Baxter erkannte den Marshal.
»Tausend Teufel, das ist doch…«
»Ssst!« mahnte ihn der Georgier.
Baxter brach ab.
Wyatt Earp stieg ab und begrüßte den Sheriff.
»Etwas erreicht?«
»Nein… Sie wissen also schon…«
»Wir haben schon…«, sagte der Gambler.
»Was?«
»Einen von dem Terzett. Es ist Roy Abbot.«
»Abbot!« entfuhr es dem Sheriff. »Der Halunke war doch schon einmal in der Stadt. Ich glaube, er verzog sich damals vor Morg.«
»Stimmt.«
Wyatt holte die beiden Banditen vom Pferd.
»Das hier ist Prestly, er hat Abbot bei sich versteckt gehalten, obgleich er glaubte, Abbot habe Jenny Black ermordet.«
Baxter packte die beiden und schob sie vor sich her.
»Vorwärts, für euch Halunken habe ich sichere Warteräume zum Galgen…«
*
Bis spät in die Nacht saßen die Männer im Sheriffs Office und berieten miteinander.
Sheriff Baxter berichtete, daß er bis an die Grenze hinauf geritten war – ohne jeden Erfolg.
Zwar hatte er immer wieder Hinweise bekommen, wo jemand die drei Verbrecher gesehen haben wollte, aber alle Spuren waren im Sand verlaufen.
»Wollen Sie etwa weitersuchen?« fragte Baxter den Marshal.
»Ja, das will ich. Und zwar so lange, bis ich Duncer gefaßt habe.«
Innerlich atmete der Sheriff auf. Hätte er sich einen besseren Mann auf der Fährte des Mörders wünschen können? Ganz sicher nicht! Wyatt Earp würde nicht eher rasten und ruhen, als bis er den Mörder der Wirtin aus der Fegefeuer-Bar gestellt hatte.
»Am liebsten ritte ich mit dem Marshal«, sagte der kleine, zähe Barbier. »Ich würde diesem Scheusal gern eine Spezial-Rasur verpassen! Dieses blutjunge Weib da niederzuknallen! Das ist doch die letzte Gemeinheit, das Erbärmlichste und Widerlichste, was ich mir denken kann! Was hat sie ihm getan?«
»Er wollte ihr Geld«, sagte Wyatt sachlich.
»Ihr Geld! Well, muß er sie dazu niederschießen?«
»Abbot behauptet, er habe mit dem Neger gekämpft.«
Der Sheriff stand auf.
»Wollen wir nicht hinübergehen und mit Tom sprechen?«
Sie gingen in die dunkle Fegefeuer-Bar.
Der schwarze Tom hatte noch im Hof gearbeitet, kam sofort und zündete eine große Kerosinlampe an.
Als das Licht in den Schankraum fiel, vermochten die Männer sich eines Gefühls eisiger Kälte nicht zu erwehren.
Hier war sie ermordet worden. Da drüben an der Theke.
Wyatt blickte den Neger an.
»Sie haben mir erzählt, daß Sie mit dem großen Kerl gefightet hätten?«
»Ja, hier an der Tür. Er warf sich mir entgegen, und ich konnte ihm glücklicherweise, kurz bevor er mich niederreißen konnte, einen Schlag in die Magengrube versetzen.«
»Genau das hat er mir erzählt«, berichtete Wyatt.
Sie standen an der Theke – und der schwarze Tom schenkte dem Georgier, dem Sheriff und dem Barbier einen Brandy ein.
Der Marshal trank keinen Alkohol.
Wyatt hatte schnell festgestellt, daß Baxter ihm auch keinen nützlichen Hinweis geben konnte, den er vielleicht auf seinem Ritt gewonnen hatte.
»Well«, sagte er nach einer halben Stunde, »dann reite ich im Morgengrauen mit Doc Holliday weiter.«
»Wohin?« wollte der Sheriff wissen.
»Ich werde nach Los Alamos hinaufreiten.«
»Weshalb dorthin?«
»Weil wir überall sonst hier in der Nähe schon waren. Und weil in der Nähe der Straße nach Los Alamos keine Ansiedlung liegt. Wenn Duncer ein gutes Pferd hatte, konnte es ihm durchaus gelingen, die Straße zu erreichen und auf ihr nach Nordwesten in Richtung Los Alamos zu entkommen.«
*
Auf halbem Wege zwischen Santa Fé und Los Alamos lag White Rock.
Wyatt Earp und Doc Holliday hatten es so eingerichtet, daß sie nicht über die Mainstreet in die Stadt kamen.
Der Gambler entdeckte in einer Seitengasse einen kleinen Saloon, vor dem eine Pferdetränke stand. Während Wyatt die Tiere tränkte, betrat der Spieler die Schenke.
Es war ein schmalbrüstiger, schlauchartiger Raum, der selbst jetzt am Tage mit zwei Kerosinlampen erhellt werden mußte. Die Theke zog sich links vom Eingang bis fast in die Hälfte des Schankraumes. Rechts hinten in der Ecke pokerten vier Männer.
An der Theke lehnten fünf Männer, starrten in ihre Gläser und dösten vor sich hin.
Der Wirt war ein ellenlanger Mensch, sicher einsfünfundneunzig hoch. Hager wie ein Vorbaupfeiler, mit einem schmalen Gesicht, das den Spieler an einen Pferdekopf erinnerte.
Holliday trat an die Theke und stützte sich, wie er es immer tat, mit der linken Hand auf, während er die Rechte in die Hüfte stemmte.
Der Salooner hob seinen Kopf und sah ihn an.
Fehlt nur, daß er jetzt wieherte, dachte der Spieler.
»Mister?« fragte der Wirt mit tiefer Baßstimme.
»Einen Brandy.«
Holliday musterte die Männer unauffällig, die sich im Schankraum befanden, trank seinen Brandy, zahlte und ging wieder hinaus.
»Er ist nicht drin.«
Wyatt hatte Roy Abbot, nachdem er ihn in Santa Fé eingesperrt hatte, nach dem dritten Mann gefragt. Abbot wußte nicht viel über ihn zu sagen.
»Ich kenne ihn nicht, ich glaube, er heißt Percy, aber auch das wird sicher nicht stimmen. Duncer wird ihn gekannt haben. Wozu soll ich ihn beschreiben, wenn Sie mich doch hängen lassen wollen.«
»Wenn du jetzt glaubst, daß du am dickeren Ende sitzt, Abbot«, hatte der Marshal zurückgewiesen, »dann irrst du dich. Es ist möglich, daß du am Galgen vorbeikommst, wenn sich herausstellt, daß Duncer tatsächlich der Mörder der Frau ist. Aber dann ist zumindest deine Freiheit für immer verwirkt. Wegen Beihilfe zum Raubmord. Und was das hier in diesem Land bedeutet, weißt du genau: Straflager auf Lebenszeit.«
»Am