Nachdem diese Verabredungen getroffen waren und es zu nachten begann, machte Marato, der sich schon ausgesonnen hatte, was er tun wollte, sich mit ein paar zuverlässigen Gefährten auf und schlich in Pericones Haus, wo er sich ungesehen versteckte. Als schon ein Teil der Nacht verstrichen war, öffnete Marato seinen Gefährten das Haus und führte sie in das Zimmer, wo Pericone mit seiner Geliebten schlief. Schnell töteten sie diesen im Schlaf. Als aber die Dame erwachte und zu weinen begann, drohten sie ihr beim mindesten Geräusch mit dem Tode und brachten sie nebst einem großen Teil der bedeutendsten Kostbarkeiten Pericones eilig ans Ufer, ohne von jemand bemerkt zu werden. Hier bestiegen Marato und die Dame das Schiff, und seine Gefährten kehrten zurück. Die Schiffer aber spannten vor dem günstigen, frischen Winde die Segel auf und fuhren ab. Die Dame beklagte sich anfangs bitter, sowohl über ihr erstes Unglück als auch über dieses zweite. Marato aber wußte sie, den uns von Gott geschenkten heiligen Crescentius in der Hand, solchergestalt zu trösten, daß sie zahm gegen ihn wurde und den Pericone vergaß.
Schon glaubte sie wieder gut daran zu sein, als das Schicksal, dem die vorigen Unfälle noch nicht genügten, ihr neues Ungemach bereitete. Die beiden jungen Schiffsherrn nämlich verliebten sich in ihre — wie schon öfter berichtet worden ist — wunderschöne Gestalt und in ihr anmutiges Betragen so, daß sie alles andere darüber vergaßen und nur bemüht waren, ihr zu dienen und Gefälligkeiten zu erweisen, ohne daß Marato deren Grund erraten konnte. Da sie bald gegenseitig ihre Leidenschaft bemerkten, besprachen sie sich darüber insgeheim und beschlossen, den Gegenstand ihrer gemeinsamen Liebe — als ob Liebe dergleichen vertrüge — wie eine Kaufmannsware oder einen Gewinn miteinander zu erwerben. Weil aber Marato sie eifersüchtig bewachte und so ihren Absichten entgegentrat, gingen sie eines Tages, während das Fahrzeug besonders schnell segelte, einträchtig auf Marato zu, der am Hinterteil stand und ohne Argwohn ins Meer blickte, faßten ihn plötzlich von hinten und warfen ihn in die See. Und sie hatten schon mehr als eine Meile zurückgelegt, ehe jemand gewahr wurde, daß Marato ins Meer gefallen war. Als es aber endlich die junge Dame erfuhr, fing sie abermals auf dem Schiffe zu weinen und zu klagen an. Sogleich eilten die beiden Liebenden herbei, um sie zu trösten, und redeten ihr, so wenig sie davon verstand, mit süßen Worten und großen Versprechungen auf das eindringlichste zu, obgleich sie weniger den verlorenen Gemahl als ihr Mißgeschick beweinte.
Als sie nach langen und zu verschiedenen Zeiten vorgebrachten Reden sie einigermaßen beruhigt zu haben meinten, besprachen sie sich untereinander, wem von ihnen sie zuerst zufallen sollte. Da nun aber ein jeder von beiden der erste sein wollte und kein Mittel zur Einigung zu finden war, gerieten sie in einen heftigen Wortwechsel und erhitzten sich dabei so sehr, daß sie endlich zu den Messern griffen, wütend übereinander herfielen und, ohne daß die übrigen, die sich auf dem Schiffe befanden, sie zu trennen vermocht hätten, sich so gefährliche Stöße beibrachten, daß der eine auf der Stelle tot niederfiel und der andere zwar am Leben blieb, aber an verschiedenen Körperteilen schwere Wunden davontrug. Die junge Dame bedauerte dieses Ereignis gar sehr; denn nicht nur befand sie sich nun allein und ohne Beschützer auf dem Schiffe, sie fürchtete auch, der Zorn der Freunde und Angehörigen der beiden Schiffsherren möchte sich gegen sie wenden. Doch die Bitten des Verwundeten und die baldige Ankunft in Chiarenza befreiten sie von der letzteren Gefahr.
Kaum war sie an diesem Orte angelangt und mit dem Verwundeten in demselben Hause eingekehrt, als sich auch der Ruf von ihrer großen Schönheit durch die ganze Stadt verbreitete und bis zu den Ohren des Fürsten von Morea drang, der damals in Chiarenza verweilte. So wurde er begierig, sie zu sehen, und verliebte sich, sobald er sie gesehen und noch weit schöner gefunden hatte, als das Gerücht sie schilderte, so heftig in sie, daß er an nichts anderes zu denken imstande war. Als er erfuhr, auf welche Art sie nach Chiarenza gekommen war, schöpfte er Hoffnung, sie erlangen zu können, und wirklich schickten die Angehörigen des Verwundeten sie dem Fürsten ohne weiteres zu, sobald sie dessen Lust erfahren, während dieser noch darüber nachdachte, wie er sie gewinnen wollte. Die Freude des jungen Fürsten war groß, aber auch der Dame war dieses Ereignis, durch welches sie sich aus einer großen Gefahr errettet glaubte, erwünscht. Der Fürst erriet aus den königlichen Sitten, die sie außer Schönheit schmückten, obgleich er keine andere Nachricht über sie erlangen konnte, daß sie von edlem Stamme sein müsse, und dadurch steigerte sich seine Liebe zu ihr in solchem Maße, daß er sie in allen Stücken nicht als Bettgenossin behandelte, sondern als rechtmäßige Gemahlin ehrte. Durch diese Behandlung schöpfte die Dame, die ihre jetzige angenehme Lage mit ihren früheren Unfällen verglich, neuen Mut. Ihre frühere Munterkeit kehrte zurück, und ihre Reize gewannen wieder eine solche Frische, daß man in ganz Romania von nichts anderem reden hörte.
Dadurch bekam der Herzog von Athen, ein schöner junger Herr von einnehmendem Wesen, der mit dem Fürsten verwandt und befreundet war, Lust, sie zu sehen. Zu diesem Ende, gab er vor, er wolle, wie er das zuweilen tat, seinen Vetter besuchen, und kam in erlesener und ehrenvoller Begleitung nach Chiarenza, wo er mit Freuden und Auszeichnungen empfangen ward. Nach einigen Tagen brachte der Herzog die Rede auf die Schönheit der Dame und fragte den Fürsten, ob sie denn gar so erstaunlich sei, wie man erzähle. „Sie ist viel schöner, als man von ihr sagt“, antwortete der Fürst. „Allein nicht meine Worte, sondern deine Augen sollen dich davon überzeugen.“Der Herzog drängte den Fürsten, sein Versprechen zu erfüllen, und so gingen sie miteinander dahin, wo die Dame sich aufhielt. Diese empfing sie zuvorkommend und höflich und mußte sich zwischen beiden niedersetzen, obgleich sie das Vergnügen, mit ihr zu sprechen, nicht genießen konnten, da sie von der Sprache jenes Landes wenig oder nichts verstand. So konnten denn die beiden sie nur gleich einem Wunder bestaunen, und besonders tat dies der Herzog, der sich kaum einreden konnte, daß sie ein sterbliches Wesen sei. Glaubte er indes durch das Beschauen seine Lust zu stillen, so verwickelte er sich selbst in deren Fesseln, indem er zugleich das Gift der Liebe mit den Augen einsog und in heftiger Glut für die Dame entbrannte. Als er aber dann mit dem Fürsten von ihr gegangen war und Müße hatte, sich mit sich selber zu besprechen, erachtete er diesen für glücklich vor allen andern, daß er sich des vollen Besitzes einer solchen Schönheit erfreuen durfte.
Mancherlei Gedanken stiegen in ihm auf. Endlich aber überwog die Glut der Liebe die Rechtlichkeit, und er beschloß, was immer daraus werden sollte, dem Fürsten dieses Glück zu entreißen und es selbst zu genießen. Er glaubte, sich bei der Ausführung dieses Vorsatzes beeilen zu müssen, und sann, der Vernunft und der Gerechtigkeit zum Trotz, auf nichts als Trug und List. So ließ er denn eines Tages, einer schändlichen Verabredung zufolge, die er mit einem vertrauten Diener des Fürsten namens Kyriakos getroffen hatte, seine Pferde und sein Gepäck in aller Stille zur Abreise bereiten. Die Nacht darauf öffnete Kyriakos ihm und einem Gefährten, die beide bewaffnet waren, leise das Zimmer des Fürsten. Dieser hatte sich, um der großen Hitze willen, während die Dame schlief, ganz nackt an ein Fenster gelegt, das auf das Meer hinausging, um sich in der leichten Brise, die von dort herüberkam, etwas zu kühlen. Der Herzog, der seinen Begleiter im voraus von dem unterrichtet hatte, was zu tun sei, ging leise durch das Zimmer hindurch bis ans Fenster und stieß, ehe der Fürst ihn bemerken konnte, diesem ein Messer so tief in die Seite, daß es auf der andern Seite wieder herauskam. Dann ergriff er schnell die Leiche und stürzte sie zum offenen Fenster hinaus.
Der Palast war hoch gegen das Meer hinausgebaut, und das Fenster, an dem der Fürst gestanden, hatte in der Tiefe einige Häuser unter sich, die unter der Gewalt des Meeres zusammengefallen waren und daher selten oder niemals betreten wurden. So geschah es denn, wie der Herzog im voraus berechnet hatte, daß niemand es gewahr wurde oder gewahr werden konnte, als die Leiche des Fürsten hinunterstürzte. Sobald der Begleiter des Herzogs gesehen hatte, was geschehen war, warf er dem Kyriakos, unter dem Scheine ihn zu