Schon vor diesen Ereignissen hatte der Kaiser mit Basanus, dem König von Kappadokien, Verhandlungen gepflogen, wonach dieser von der einen Seite mit seiner Macht über Osbeck herfallen sollte, während der Kaiser von der andern ihn mit der seinigen angriffe. Doch waren diese Verhandlungen wegen gewisser Ansprüche, die Basanus stellte und die dem Kaiser ungelegen waren, noch nicht zum Ziele gekommen. Als nun aber der Kaiser das Schicksal seines Sohnes vernahm, betrübte er sich über die Maßen, tat sogleich, was der König von Kappadokien von ihm verlangte, rüstete sich selbst zum Angriff gegen Osbeck und spornte Basanus, soviel er nur konnte, an, daß er von der andern Seite her den Türkenkönig überfalle. Sobald Osbeck davon Kunde erhielt, sammelte er sein Heer, zog, bevor zwei so mächtige Fürsten ihn in die Zange nahmen, dem König von Kappadokien entgegen und ließ inzwischen seine Schöne unter der Aufsicht eines treuen Dieners und Freundes in Smyrna zurück. In der Tat kam es bald zwischen ihm und dem König von Kappadokien zu einem Gefecht, in dem sein Heer geschlagen und vernichtet, er selbst aber getötet ward. Infolge dieses Sieges rückte Basanus dreist gegen Smyrna vor, und alles Volk auf dem Wege unterwarf sich ihm als dem Sieger.
Während dieser Zeit hatte sich Antiochus, wie der Diener hieß, dem Osbeck die Dame anvertraut, seines Alters ungeachtet und ohne der Treue zu gedenken, die er seinem Gebieter und Freunde schuldig war, um ihrer großen Schönheit willen in sie verliebt. Da er ihre Sprache verstand, war sein Umgang auch der Dame lieb geworden, die nun schon mehrere Jahre lang wie eine Taubstumme hatte leben müssen, ohne jemand zu verstehen oder von jemand verstanden zu werden. So wußte er denn, von der Liebe angespornt, in wenigen Tagen ihr Vertrauen in solchem Maße zu gewinnen, daß ihr gemeinsamer Herr, der in Waffen und im Felde war, vergessen ward, ihre Neigung sich von einer freundschaftlichen in eine verliebte verwandelte und beide sich zwischen Laken und Bettdecke auf das beste miteinander unterhielten. Als sie nun: vernahmen, daß Osbeck besiegt und getötet sei, und Basanus sich alles auf seinem Zuge aneigne, beschlossen sie gemeinsam, seine Ankunft nicht abzuwarten, sondern nahmen einen großen Teil der Reichtümer Osbecks an sich und fuhren heimlich nach Rhodos.
Hier hatten sie noch nicht lange geweilt, als Antiochus krank wurde. Da geschah es, daß ein Kaufmann aus Zypern, den Antiochus sehr liebte und mit dem er eng befreundet war, ihn besuchte. Weil er nun sah, daß es mit ihm zu Ende ging, beschloß er, seine Güter und die Dame diesem Freunde zu hinterlassen. Schon dem Tode nahe, rief er beide zu sich und sprach: „Ich sehe, daß es für mich keine Rettung mehr gibt, und bin betrübt darüber, weil ich niemals so gern gelebt habe wie eben jetzt. Zugleich aber sterbe ich auch zufrieden, weil ich meinen Geist in den Armen der beiden aufgebe, die ich mehr als sonst jemanden auf der Welt liebe, in den deinigen, teurer Freund, und in denen dieser Frau, die ich, seitdem ich sie gekannt, mehr als mich selbst geliebt habe. Allerdings schmerzt es mich, daß sie, fremd, wie sie in diesem Lande ist, ohne Rat und Hilfe bei meinem Tod zurückbleiben soll, und noch mehr schmerzte es mich, wüßte ich nicht, daß du, mein Freund, hier bist, der du, wie ich fest überzeugt bin, ebenso für sie sorgen wirst, wie du es für mich selbst tätest. Darum bitte ich denn inständig, wenn ich wirklich sterben muß, dich ihrer und meines Vermögens anzunehmen und über beides so zu verfügen, wie du glauben wirst, daß es zur Beruhigung meiner Seele dienen könne. Dich aber, geliebtes Weib, bitte ich, mich nach meinem Tode nicht zu vergessen, damit ich mich noch im Jenseits rühmen kann, daß mich hier die schönste Frau, die je von der Natur geformt ward, liebte. Wollt ihr mir diese beiden Dinge versprechen, so werde ich getrost von hinnen gehen.“ Der Kaufmann und die Dame weinten bei diesen Worten, flößten ihm Mut ein und versprachen ihm auf ihr Wort, im Falle seines Todes nach seinen Wünschen zu tun. Nicht lange darauf verschied er und wurde ehrenvoll von ihnen begraben.
Einige Tage später hatte auch der zyprische Kaufmann seine Geschäfte in Rhodos vollendet und stand im Begriff, auf einem katalanischen Schiff, das dort vor Anker lag, nach Zypern zu reisen; doch fragte er zuvor die schöne Dame nach ihren Entschlüssen, da er jetzt in seine Heimat zurückkehren müsse. Die Dame erwiderte, sie werde ihn, wenn er nichts dagegen habe, gern begleiten, da sie voraussetze, daß er sie, dem Antiochus zuliebe, als eine Schwester ansehen und behandeln werde. Der Kaufmann erklärte, mit allem zufrieden zu sein, was ihr gefällig wäre, und gab sie, um sie vor aller Verunglimpfung auf der Reise nach Zypern zu schützen, als seine Frau aus. Auf dem Schiff wurde ihnen ein Kämmerchen im Hinterteil zugewiesen, und sie schliefen, um nicht durch die Tat ihren Worten zu widersprechen, in einem kleinen Bettchen beide nebeneinander. So geschah denn, was bei der Abreise von Rhodos weder des einen noch des andern Absicht gewesen war. Nacht, Gelegenheit und Wärme des Bettes, deren erregende Kräfte nicht gering sind, ließen sie die Freundschaft für den verstorbenen Antiochus vergessen, und von gleich großer Lust hingerissen, einer den anderen anziehend, feierten sie Hochzeit, noch ehe sie nach Baffa, dem Wohnort des Zypriers, gelangten.
Als nun die Dame in Baffa noch einige Zeit bei dem Kaufmann gewohnt hatte, kam glücklicherweise ein Edelmann namens Antigonus dorthin, der mit einem hohen Alter und noch höherem Geiste geringe irdische Reichtümer verband, weil ihm das Glück in mancherlei Unternehmungen, die er im Dienste des Königs von Zypern gemacht, stets zuwider gewesen war. Dieser ging eines Tages, als der zyprische Kaufmann gerade mit Waren nach Armenien gereist war, vor dem Hause vorüber, in welchem die schöne Dame wohnte, und bekam sie zufällig an einem ihrer Fenster stehend zu Gesicht. Da sie nun so schön war, wurde Antigonus aufmerksam, betrachtete sie genauer und glaubte sich zu erinnern, daß er sie schon anderwärts gesehen habe; wo das aber geschehen sei, konnte er sich durchaus nicht besinnen. Die Dame, die so lange ein Spielball des Schicksals gewesen, war nun dem Zeitpunkt nahe, der ihre Unfälle beschließen sollte; denn sie erinnerte sich, als sie den Antigonus schärfer ins Auge faßte, daß sie ihn einst zu Alexandrien im Dienste ihres Vaters als angesehenen Mann gekannt hatte. Aus diesem Grunde schöpfte sie Hoffnung, jetzt, wo ihr Kaufmann abwesend war, ihren königlichen Rang durch den Rat des Antigonus wiedergewinnen zu können. Sie ließ ihn daher, sobald sich eine Gelegenheit bot, zu sich rufen und fragte ihn schüchtern, ob er, wie sie glaube, Antigonus von Famagusta sei. Antigonus bejahte die Frage und fügte hinzu: „Madonna, ich sollte Euch kennen und kann mich doch in keiner Weise besinnen, wo ich Euch gesehen habe. So bitte ich Euch denn, wenn es Euch nicht unangenehm ist, mir ins Gedächtnis zurückzurufen, wer Ihr seid.“ Als die Dame hörte, er sei es wirklich, schlang sie laut weinend ihre Arme um ihn und fragte nach einer Weile den sehr Verwunderten, ob er sie jemals in Alexandrien gesehen habe. Kaum hatte Antigonus diese Frage vernommen, so erkannte er auch schon Alatiel in ihr, des Sultans Tochter, die, wie man glaubte, im Meer umgekommen war, und wollte ihr seine Verehrung in der gebührenden Form erweisen. Sie aber ließ es nicht zu und bat ihn, sich ein wenig zu ihr zu setzen. Antigonus gehorchte und fragte sie dann voller Ehrerbietung, wie, wann und woher sie nach Baffa gekommen sei, während man doch im ganzen Lande Ägypten für ausgemacht halte, daß sie schon vor mehreren Jahren in der See ertrunken sei. „Wollte Gott, ich wäre es wirklich, statt solch ein Leben führen zu müssen, wie ich es gemußt habe, und wenn mein Vater es jemals erfährt, wird er gewiß ebenso sprechen.“
Mit diesen Worten fing sie erneut gar erbärmlich zu weinen an. Darauf sagte Antigonus: „Madonna, verliert den Mut nicht eher, als bis ihr Anlaß dazu habt. Wenn es Euch beliebt, so erzählt mir Euer Mißgeschick und was für ein Leben Ihr habt führen müssen. Es ist immerhin möglich, daß alles noch so abgelaufen ist, um mit Gottes Hilfe einen günstigen Ausweg finden zu können.“ „Antigonus“, erwiderte die Schöne, „als ich dich erblickte, war mir’s nicht anders, als sähe ich meinen Vater, und die Liebe und die Zärtlichkeit, die ich ihm schulde, machten, daß ich mich dir entdeckte, während ich mich verborgen halten konnte. In der Tat wüßte ich wenige, mit denen zusammenzutreffen mir so lieb gewesen wäre wie gerade mit dir. Und so will ich denn dir wie einem Vater entdecken, was ich während meiner Mißgeschicke immer sorgfältig verborgen habe. Siehst du nach dem, was du gleich erfahren wirst, irgendein Mittel, mich in meine frühere Lage zurückzubringen, so bitte ich