Mädchen im Ocean. Axel Rudolph. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Axel Rudolph
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711445143
Скачать книгу
traurige Sache, wollen Sie sagen, Herr Belesnoi.“

      „Erbarmen Sie sich“, lacht der Russe. „Traurig höchstens doch für ihn. Wir anderen können froh sein, dass solche Elemente aus unserer Gesellschaft ausgemerzt werden. Winowat! Machen Sie nicht ein so böses Gesicht, schöne Dame! Ich weiss schon, Sie hatten eine Schwäche für den jungen Burschen. Ich erinnere mich noch, dass Sie einmal im Tennisclub mich einfach sitzen liessen und mit ihm davonzogen.“

      Lis wirft den Kopf zurück. „Weil er bedeutend besser spielte als Sie.“

      „Unbedingt. Ich bin kein Held auf dem Lawn. Aber damals haben Sie gar nicht gespielt. Sie sassen mindestens eine Stunde mit dem edlen Mr. Turner auf der Terrasse und, plauderten, während ich armer, verlassener Mann vom Clubzimmer aus zusehen musste.“

      „Daran erinnere ich mich nicht. Auf Wiedersehen, Herr Belesnoi. Ich muss jetzt . . .“

      „Bitte, bitte, Sie müssen jetzt nur eines, Fräulein Lis! Sie müssen unbedingt mit mir kommen und meine Sammlung bewundern. Haben Sie vergessen, dass Sie mir das schon vor sechs Wochen versprachen?“

      „Wenn sich einmal die Gelegenheit bietet, sehe ich mir gern ihre chinesischen Kostbarkeiten an, Herr Belesnoi. Captain Genley, der sich auch dafür interessiert, wird mich gern zu Ihnen begleiten.“

      Herr Belesnoi hat ein lustiges Zwinkern in den Augen. „Oh, der gute Genley hat meine China-Sammlung schon zweimal besichtigt. Seine Anwesenheit ist nicht erforderlich. Bitte, steigen Sie ein. Oder — fürchten Sie sich etwa vor dem Allein mit mir? Auf Kavaliersparole . . .“

      „Ich fürchte mich durchaus nicht. Aber Mr. Tsugeno erwartet mich.“

      Herr Belesnoi hat die Hand erfasst, die sie ihm zögernd zum Abschied überlassen hat und hält sie fest. „Wetten, dass Herr Tsugeno keine Schwierigkeiten macht, wenn ich ihn frage, ob Sie mitkommen dürfen?“

      „Möglich, Herr Belesnoi.“ Lis denkt flüchtig daran, dass Tsugeno wirklich noch nie etwas Unvorteilhaftes über diesen Russen geäussert hat. Er sieht doch sonst alles. Hat sie sogar vor John Turner gewarnt. Warum sieht er denn nicht, dass dieser Herr Belesnoi, russischer Emigrant, entwurzelter Adelsspross oder was er nun eigentlich ist, doch wirklich ein aufdringlicher, unsympathischer Mensch ist! Sie jedenfalls ist sich nicht im Zweifel über ihre Gefühle gegenüber diesem Herrn. Etwas schärfer als es eigentlich ihre Absicht war, fügt sie darum hinzu: „Aber ich bin gewohnt, über mich selber zu bestimmen. Und ich habe durchaus keine Lust, mit Ihnen zu fahren.“

      „Nun müssen Sie sogar mit mir fahren, schöne Lis“, Herr Belesnoi hat ohne weiteres ihren Arm gefasst und drängt sie langsam dem Wagen zu. „Bei uns in Russland gilt es als eine Beleidigung, wenn eine Dame einem Kavalier eine billige Bitte abschlägt.“

      „Wir sind aber nicht in Russland.“

      „Mütterchen Russland ist immer da, wo ihre Söhne sind. Kommen Sie. Es wird Sie nicht gereuen. Ich habe erst gestern ein paar altchinesische Vasen erhalten. Aus der Mingzeit. Die müssen Sie einfach sehen. Ausserdem gebe ich Ihnen mein Wort, dass ich mit keiner Andeutung von meiner leider immer noch hoffnungslosen Liebe sprechen werde.“

      „Lassen Sie mich gefälligst los, Herr Belesnoi! Ich will nicht . . .“

      „Aber bitte! Wir wollen doch kein Aufsehen erregen!“

      Lis van Dersen sträubt sich energisch, aber Belesnoi hat sie fest gefasst. Vor Empörung zitternd fühlt sie, wie sein freier Arm um ihren Leib greift und sie zärtlich drückt, während er sie lachend zu seinem Wagen zieht.

      „Etwas mehr Anstand, Freundchen!“

      Ein Paar Hände greifen zu und lösen mit festem Griff den Arm Belesnois. Lis fühlt sich frei und sieht, hochrot vor Erregung, in Klaus Dirks Gesicht.

      „Was erlauben Sie sich, Sir!“ faucht der Russe, einen halben Schritt zurückweichend. „Ich verbitte mir . . .“

      „Nicht böse werden. Das hab ich nicht gern“, meint Klaus ruhig. „Das Beste ist, Sie verschwinden. Sonst . . .“ Die geballten, harten Fäuste Klaus Dirks reden ihre eigene, unmissverständliche Sprache. Lis, die inzwischen ihr Gleichgewicht wiedergefunden hat, tritt erfchrocken zwischen ihn und den Russen.

      „Ich danke Ihnen, Mr. Dirk. Bitte, bemühen Sie sich nicht weiter. Ein Missverständnis nur. Ich . . .“ Impulsiv streckt sie ihm die Hand hin. „Auf Wiedersehen, Mr. Dirk. Ich muss nach Hause.“

      Herr Belesnoi zieht formvollendet den Hut. Aber als Lis van Dersen, ohne seinen Gruss zu beachten, in der Richtung auf das Haus Tsugenos davoneilt, verzerrt sich sein Gesicht vor ingrimmiger Wut. Ein abschätzender Seitenblick trifft den jungen Deutschen, der ruhig abwartend vor ihm steht. Allzu gross ist der Bursche nicht. Auch Herr Belesnoi verfügt über beträchtliche Kräfte, ist ein guter Boxer und — ausserdem steckt ein geladener Browning in seiner Brusttasche. Man sollte eigentlich diesem unverschämten Burschen da einen Denkzettel geben!

      Nein, lieber nicht! Belesnois rasch umherflitzende Augen treffen einen Mann, der harmlos drüben auf der anderen Strassenseite dahinschlendert. Er kennt diesen Spaziergänger. Einer der Angestellten der Firma Bond & Co. Mit Mr. Bonds Leuten aber hat Herr Belesnoi nicht gerne etwas zu tun.

      Einen russischen Fluch murmelnd, dreht er Klaus den Rücken und steigt in sein Auto.

      „Warum nicht gleich so?“ brummt Klaus befriedigt, als der Wagen davonschiesst, betrachtet eine Sekunde lang nachdenklich seine Fäuste und setzt dann gemächlich seinen Weg fort.

      „Klaus Dirk! D—i—r—k! Jawohl! Stellen Sie sofort fest, wo der Mann wohnt. Alles andere unwesentlich. Nachricht hierher. Dringend.“

      Lis van Dersen, noch erregt von dem Vorfall auf der Strasse, bleibt erstaunt in der Tür stehen und kommt erst näher, als Kitsao Tsugeno das Hörrohr aufgelegt hat.

      „Sie fragen nach Mr. Dirk? Hat er . . . Haben Sie sich anders besonnen, Mr. Tsugeno? Sie wollen ihm die Anleihe geben?“

      Der Japaner schüttelt lächelnd den Kopf. „Ich denke noch genau wie vorhin, liebe Lis. Aber da ist etwas anderes . . . Ich werde Mr. Dirks Insel kaufen.“

      „Die wertlose Insel?“ Lis macht verwunderte Augen. „Wie kommen Sie denn auf den Gedanken, Mr. Tsugeno?“

      „Setzen Sie sich doch, Lis.“ In Tsugenos Gesicht ist bei aller asiatischen Ruhe ein Zug von Erregtheit, aber Lis ist selber noch viel zu aufgeregt, um das zu bemerken. „Die Insel ist wertlos in den Händen Mr. Dirks. Ich glaube aber, man könnte etwas daraus machen, wenn man selbst . . . ich meine, wenn das richtige Kapital . . .“

      „Und da wollen Sie ihm diese Chance abnehmen und selbst ausnutzen?“

      „Sie meinen, das passt gar nicht zu mir?“ lächelt Tsugeno gütig. „Nun, Mr. Dirk wird nichts dabei verlieren. Ich werde ihm den Wert seines Inselchens voll bezahlen, mehr als er selber herauszuschlagen erwartet.“

      Lis macht ein nachdenkliches Gesicht. „Ich glaube nicht, dass Mr. Dirk seine Insel verkaufen wird.“

      „Er wird. Man kann alles kaufen, wenn man den richtigen Preis bezahlt. Ich denke, er wird im Gegenteil froh sein, wenn er doch noch aus seinem Projekt Kapital schlagen kann.“

      Der Fernsprecher klingelt. Die Bank meldet sich. Tsugeno horcht, spricht ein paar knappe Worte in den Apparat und hängt wieder ab. „Das ging ja fix. Unser Auskunftsbüro hat schon die Adresse. Man hat sie gestern schon erfahren, als ich über die Insel Erkundigungen einziehen liess. Mr. Dirk wohnt in Seymours Hotel.“

      „Wollen Sie ihn noch einmal hierherbestellen?“

      Tsugeno überlegt einen Augenblick und schüttelt dann den Kopf. „Nein, ich möchte die Sache privatim mit dem Herrn abmachen. Ich werde ihn einfach heute abend im Hotel aufsuchen. Haben Sie Lust mitzukommen, Lis?“

      „Sehr gern.“

      „Das freut mich. Wir werden einen Tisch im Grill Room bestellen. Und — Wenn