Mr. Tsugeno hält sich meist in seinem Privatheim auf und erledigt die geschäftlichen Anfragen und Anordnungen auf fernmündlichem Wege. Sein Haus in der Victoria Road, gegenüber dem Central Park, ist ein Wunderwerk des raffiniertesten Luxus. Mr. Tsugeno ist nicht der einzige Gelbe, der hier in Singapore einen derartigen Palast besitzt. Die reichgewordenen chinesischen und japanischen Teehändler, Seidenfabrikanten und Reeder setzen ihren Stolz darein, es den amerikanischen Dollarkönigen gleich zu tun. Aber Kitsao Tsugenos Palais und Park stellen alles andere in den Schatten.
Und der Mann, der jetzt eben in dem von Punkhas und Ventilatoren gekühlten, zauberhaften Wintergarten vor dem zierlichen kleinen Teetisch sitzt, passt in diese Umgebung von Reichtum und Luxus. Kitsao Tsugeno ist etwa dreiundfünfzig Jahre alt, ein Mann mit einem edelgeformten Samuraigesicht, ruhigwürdevollen Bewegungen und klugen Augen. Wer ihn sieht, denkt unwillkürlich an die geschweiften Dächer einer alten, japanischen Daimio-Burg, an krumme Schwerter und chrysanthemenbestickte Gewänder. Aber Mr. Tsugeno trägt auch hier in seinem Heim keinen Kimono und keine Seidenpantoffeln, sondern einen rohseidenen Tropenanzug nach bestem englischen Schnitt. Sogar das ewige Lächeln Dai Nippons hat er sich im Laufe der Jahrzehnte abgewöhnt. Mr. Tsugeno sieht ebenso kühl und ernst aus wie irgend ein respektabler britischer Gentleman, das Musterbild eines vollkommen europäisierten Japaners.
Die Dienerschaft allerdings besteht aus Söhnen Nippons, gutgedrillte, saubere Boys, die lautlos und flink durch die Räume gleiten. Auch sie tragen europäische Uniform. Nur die beiden Teebereiterinnen mit ihren schlanken, langen Händen und den niedlichen Puppengesichtern tragen lange, bunte Gewänder und grosse, kunstvoll gewundene Schleifen.
Dafür ist die junge Dame, die eben in einem hellen Strandanzug vom Park her durch die grosse Glastür kommt, wieder ausgesprochen europäisch. Ihr blondes, volles Haar, die grauen Augen und das schmale Gesicht lassen keinen Zweifel an ihrer Rassenzugehörigkeit aufkommen.
Es hat einiges Gerede gegeben in der europäischen Kolonie von Singapore, als Miss van Dersen vor einem Jahr ihre Arbeit in den Büros der „P. & S. Bank“ aufgab und zu Mr. Tsugeno ins Haus zog. Böse Zungen munkelten sogar von einem intimen Verhältnis zwischen ihr und dem gelben Gentleman. Aber sie wurden rasch zum Schweigen gebracht. Bei Mr. Tsugeno verkehrten angesehene weisse Gentlemen, Offiziere der Garnison, wohlhabende Kaufleute, Söhne bekannter englischer Familien. Sie alle erklärten ganz energisch die Gerüchte für niederträchtige Verleumdungen. Miss van Dersen sei die Privatsekretärin und Hausdame Mr. Tsugenos geworden, weiter nichts. Und es liess sich nicht lengnen: Lis van Dersen mit ihrem offenen, selbstbewussten Wesen sah nicht danach aus, dass sie sich von einem Gelben in einen goldenen Käfig sperren liesse. Sie blieb auch nach ihrer Übersiedlung zu Tsugeno, was sie vorher gewesen war: ein guter Sportkamerad, eine junge Lady, die selbstsicher durch die Welt ging und zu den Gerüchten, die ihr zu Ohren kamen, so verächtlich die Achseln zuckte, als wolle sie sagen: Gott, was müsst ihr dumm sein, wenn ihr so etwas glauben könnt! Ausserdem war es ja kein beliebiger Gelber, sondern eben Mr. Kitsao Tsugeno, der angesehenste und reichste Mann der Stadt, dessen vornehmes Denken und Fühlen allgemein bekannt war. Es gab einige Leute, die trotzdem noch Bedenken hatten. Eine weisse Lady als „Dienende“ im Hause eines Gelben, das ging doch gegen die Ehre der weissen Rasse. Aber auch die schwiegen bald. Es wurde schnell bekannt, dass Miss van Dersen im Hause Tsugenos viel weniger in „dienender Stellung“ war als in der Bank. Sie besass in einem Seitenflügel des Hauses ein wunderschönes eigenes Appartement. Sie schaltete souverän mit den Dienstboten und Angestellten. Sie war an keine „Dienstzeit“ gebunden, sondern erschien zum Tennis, auf der Rennbahn und dem Golfplatz, wann immer es ihr selbst beliebte, und bei den Gesellschaften im Hause Tsugenos repräsentierte sie frei und selbständig als einzige Dame des Hauses.
So gab man sich mit der Tatsache zufrieden. Mr. Tsugeno war alt, unbeweibt und einsam, und wer die jugendfrische, heitere Lis van Dersen kannte, vermochte sich wohl vorzustellen, dass der reiche Japaner sich entschlossen hatte, sein Heim durch diese Jugendblüte zu verschönen.
„Um elf Uhr wollte Mr. Dirk wiederkommen“, mahnt Lis van Dersen mit einem Blick auf die Uhr, als Kitsao Tsugeno sich anschickt, vom Teetisch aufzustehen und einen Gang durch den Park zu machen. „Sie haben ihn für diese Zeit bestellt.“
„Richtig“, lächelt der Japaner mild und nimmt wieder seinen Platz ein. Lis van Dersen ist nicht nur schön und jung, sondern auch geschäftlich sehr tüchtig. Eine Sekretärin, wie man sie sich nicht besser wünschen kann. Sie erinnert sich immer genau an alle Kleinigkeiten, auch wenn Tsugeno selbst sie längst vergessen hat. „Nun ich werde den jungen Herrn erwarten, wenn auch die Antwort, die ich ihm heute geben muss, nur negativ ausfallen kann.“
Lis van Dersen sieht von ihrer Teetasse auf. „Sie wollen ihm nicht helfen, Mr. Tsugeno?“
„Helfen? Warum nicht?“ nickt der Bankier ruhig. „Aber Mr. Dirk kommt ja nicht, um meine Hilfe in Anspruch zu nehmen, sondern um ein Geschäft zu machen, und da . . . Die Erkundigungen, die ich gestern einzog, sind keine Grundlage für ein solches. Ich wäre ein schlechter Geschäftsmann, wenn ich mich darauf einliesse.“
Schade — denkt Lis van Dersen, denn der junge Mann, der gestern hier vorsprach, hat einen sehr guten Eindruck auf sie gemacht. Tsugeno ist ein kluger Geschäftsmann. Es kommt ihr nicht in den Sinn, seine Worte zu bezweifeln. Wenn er sagt, dass die Sache ungünstig ist, dann stimmt es schon. Nur ein leises Bedauern ist in ihr, dass der sympathische Mann nun mit einem ablehnenden Bescheid davongehen soll.
Dieses stille Bedauern bleibt auch in ihren Augen, als etwa zehn Minuten später der Boy Klaus Dirk in den Wintergarten führt. Mr. Tsugeno bittet ihn, Platz zu nehmen, und lässt durch den Boy sofort eine Schale Tee anbieten. Dann aber wird sein zuvorkommendes Gesicht geschäftsmässig ernst.
„Ich habe Ihr Gesuch geprüft, Mr. Dirk. Leider muss ich Ihnen einen negativen Bescheid geben.“
Klaus Dirks Gesicht verfinstert sich. „Ich verstehe etwas von Gummi, Herr Tsugeno. Ich würde die Pflanzung bestimmt hochbringen. Auch an Arbeitslust und Zähigkeit fehlt es mir nicht.“
„Davon bin ich überzeugt“, gibt der Japaner höflich zurück. „Aber die Sache wird sich nicht rentieren. Junge Gummipflanzen sind teuer. Der Bestand Ihrer Insel an Palmen gewährleistet nach Ihrer eigenen Aussage keine nennenswerte Ernte an Copra.“
„Millionen kann man dort nicht verdienen“, gibt Klaus zu. „Ist auch gar nicht meine Absicht. Ich denke überhaupt weniger an geschäftliche Erfolge, Herr Tsugeno. Ich möchte einen Flecken Erde haben, der mir gehört, ein kleines Inselparadies, wo Ruhe und Frieden herrscht, — weiter nichts.“
„Sehr schön, aber an das Geschäftliche müssen Sie auch denken. Sie brauchen nicht nur Geld für die Pflanzung, sondern Sie müssen sich auch ein Haus bauen. Wie wollen Sie das Kapital dazu amortisieren? Ihre Insel bietet keine Siedlungschancen. Dass weder die britische noch die holländische Regierung diese kleine neuaufgetauchte Insel in Besitz genommen hat, beweist klar genug ihre Wertlosigkeit. Es sind selbst für den geringen Ertrag keine Absatzmöglich keiten vorhanden. Die Insel liegt in flachen Wasser, hat weder Buchten noch Landungsmöglichkeiten für halbwegs grössere Schiffe . . .“
„Einen Augenblick, Herr Tsugeno“, unterbricht Klaus Dirk lebhaft. „Auch ich habe inzwischen die aufgenommenen Karten eingesehen. Sie sind falsch. Es gibt Tiefwasser dort. An der Südwestküste der Insel habe ich eine Fahrrinne festgestellt, die mindestens eine Tiefe, von hundert Faden hat.“
Tsugenos