Die Regimentstante - Band II. Nataly von Eschstruth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nataly von Eschstruth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711513248
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hörten, wäre es ja geradezu lächerlich, wenn wir noch beleidigt sein wollten! Warum denn? Wir können ja dem Oberst und Dorpat nur aus vollstem Herzen zustimmen. Und wenn mein Mann hört, wie die Sache liegt, so garantiere ich, dass er all seinen Einfluss aufbieten wird, etwaige böse Zungen zum Schweigen zu bringen!“

      „Selbstverständlich, mein Mann wird das Gleiche thun! Ich denke doch, so schwer fällt auch das Wort der Frau noch in die Wagschale, um thörichte Zwistigkeiten verhindern zu können!“

      „Verhindern! das ist das rechte Wort!“ nickte Resi Beifall, „und darum wollen wir das Eisen schmieden, so lange es heiss ist! An das Werk, meine Damen, ehe die Herren anderweitige Schritte thuen können!“

      Voll ehrlichen Eifers löste man die kleine Tischrunde auf, und manch überraschter Blick folgte den Damen, als die „schwer beleidigten Gattinen des Civils“ sehr ostensibel mit der Regimentstante der Kürassiere, Arm in Arm durch den Saal schritten, um nach sehr herzlicher Verabschiedung, schleunigst den Heimweg zu den grollenden Gatten anzutreten.

      Dorpat und Hunolf standen gerade an der Bude der Präsidententöchter und kauften voll viel Galanterie und Heiterkeit ein Buch ein, und darum wollte die Mutter nicht stören, sondern blinzelte Tante Resi nur vertraulich zu: „Die Kücken wollen so gern erst ausverkaufen, ich lasse sie noch ein Stündchen hier, — unter Ihrem gütigen Schutz, geliebte Tante Resi!“

      „Welch ein reizendes Amt, zwei solch herzige Töchterchen bemuttern zu können!“ lächelte Fräulein von Wieders liebenswürdig, und die beiden Damen drückten sich abermals die Hände und schieden.

      Dorpat hatte sich an Resis Seite gepürscht. „Seh’ ich recht im Mondenschein?“ recitierte er mit einem Gesicht, in welchem Hoffen und Bangen um den Sieg stritten —: „So ganz d’accord mit den Feindinnen? Tante Resi — wie steht’s um mich? Was sagt der Oberst? — Was haben Sie bei den Damen ausgerichtet?!“

      Resi lachte über das ganze Gesicht und nickte dem Schützling fröhlich zu —: „Die Aktien stehen so gut und sicher, dass Sie Ihr ganzes Vermögen darin anlegen können —! Also Kopf hoch, — freuen Sie sich des Lebens, denn noch ist Polen lange nicht verloren!“

      Ein wahrhaft anbetender Blick aus seinen Augen traf sie. „Gott erhalte Tante Resi!“ sang er leise nach der Melodie von „Gott erhalte Franz den Kaiser“, — und stiess dann noch aus vollstem Herzen hervor: „Ja, Gott erhalte sie uns! Was wären wir armen Kerls ohne unsere kluge Regimentstante!!“ —

      XVI.

      Oberst von Laucha befand sich in einer wunderlichen Stimmung.

      Er hatte schon seit zwei Tagen auf irgend einen demonstrativen Schritt seitens der sich beleidigt geglaubten Herren der Gesellschaft gewartet, er hatte mit einer gewissen nervösen Spannung dem jedesmaligen Erscheinen seines Adjutanten entgegengesehen, aber es schien, als wollte sich kein Staubwölkchen heben, als sei der eben noch so drohend schwarze Himmel wie durch Zauberspuk wieder glatt gefegt.

      Am dritten Tage endlich ertrug er diese rätselhafte Stille nicht mehr.

      Sollte es wirklich möglich sein, dass Tante Resi den Konflikt noch rechtzeitig gelöst und den drohenden Sturm beschworen hatte? — Das wäre allerdings ein fabelhafter Erfolg, welcher ihm, dem Frauenverächter und Hagestolz am allermeisten imponieren würde!

      Wie brauchbar und wohlthätig hätte sich in diesem Fall die Regimentstante abermals erwiesen, wie unentbehrlich machte sie sich dem Offizierskorps!

      Witz und Geist, und eine erstaunliche Schlagfertigkeit hatte er längst an ihr bewundert, ihre Menschenkenntnis und das unbezahlbare Talent, die Leute richtig zu nehmen und sie da zu fassen, wo sie sterblich sind, enthüllte sie jetzt wieder in verblüffender Weise. —

      Ja, die Frauen!

      Der allmächtige Schöpfer Himmels und der Erden hat wohl gewusst, warum es nicht gut wäre, dass der Mann allein sei, — und der, welcher dagegen revoltiert, und sich einbildet, als Junggeselle frei und ungebunden und viel bequemer durch das Leben zu gehen, wie mit dem ärgerlichen Anhang von Weib und Kind, der macht am allerherbsten und traurigsten die Erfahrung, dass es ein übel Ding ist, sich gegen die Weltordnung aufzulehnen, dass es wahrlich nicht gut für den Mann ist, allein zu sein.

      Es gibt ja wohl auch Ausnahmen von dieser Regel, es scheint wenigstens so oft, als ob manch ein Hagestolz recht zufrieden und behaglich durch die Welt ginge, — aber oft bringt noch die zwölfte Stunde alles mit sich, was er in Jugendfrische und Manneskraft so spielend überwunden, so lachend von sich abgeschüttelt.

      Dann wehen die kalten Schauer der Einsamkeit und Verlassenheit durch das Herz des kranken oder hilflosen, alten Mannes, ein Weheschrei nach Liebe und ehrlicher, herzlicher Zärtlichkeit gellt durch seine Seele, ein Durst nach frischem Lebenswasser martert ihn — und jene milden, freundlichen Huldgestalten, welche es ihm einzig an die Lippen halten könnten — Weib und Kind — ziehen wie graue Nebelgestalten fern — fern an ihm vorüber.

      Die Menschen sehen, was vor Augen ist — das Gesicht eines Junggesellen, welches er der neugierig forschenden Welt zeigt, — aber in das Herz sehen sie nicht — und darin sieht es um so dunkler aus, je mehr der Lebenstag sich neigt, je mehr es Abend werden will.

      Wie stramm und selbstbewusst schritt Herr von Laucha über die Strasse, erhobenen Hauptes, mit der Miene eines Mannes, welchen die Mitwelt nur beneiden kann!

      Und doch zogen so ganz andere Gedanken durch seinen Kopf, die Überzeugung, dass es wahrlich nicht gut für den Mann ist, allein zu sein. Er befand sich auf dem Weg zu Tante Resi, er musste einmal Nachricht einholen, wie die Aktien denn eigentlich ständen.

      Und er traf sie zu Hause.

      Die Wintersonne schien so hell und klar durch die duftigen Spitzengardinen in ihren Salon, die Hyazinthen dufteten und die Vögel zwitscherten im Käfig, und alles atmete Leben, Frohsinn und Behaglichkeit; Lauchas Salon war wohl noch eleganter, noch stilvoller eingerichtet, und der Ofen heizte auch vortrefflich, und die Sonne traf auch seine Fenster — und doch ... seltsam ... es waltete hier ein so ganz anderer Geist, wie bei ihm daheim.

      Wahrlich, die Frauen haben es lange nicht so nötig zu heiraten, wie die Männer.

      Sie schaffen sich ihr trautes Nest, sie wissen sich zu helfen, sie können liebevolle Genossinnen um sich haben, Damen aus ihren Kreisen, und keine ungebildete, gefühllose und habgierige Haushälterinnen, welche sich keine Skrupel daraus machen und nicht viel danach fragen, ob es in den Augen der Welt einen etwas eigenen Beigeschmack hat, alleinstehenden Herren die Hausfrau zu ersetzen. — Herr von Laucha seufzte tief auf. „Ja, wenn man Schwestern, oder sonst eine ältere, distinguierte Verwandte hätte, die einem den Haushalt führt, so wie Wieders mit seiner Resi! Ja, der braucht wirklich nicht zu freien, wer es so gut daheim hat ... aber er ... pah! lächerlich, er ist ja viel zu alt dazu — und ausserdem, er wüsste auch jetzt noch keine einzige, die er heimführen möchte —! Es gibt da so tausenderlei zu bedenken und zu beachten — die Ehe ist ein Hazard — und wer nicht gewaltig aufpasst, verliert rettungslos! Ja, so ein Leutnant, solch ein Springinsfeld, der heiratet noch forsch darauf los, aber wenn man erst in die Jahre gekommen ist, wo man anfängt zu überlegen — da wird die Wahl von Tag zu Tag schwerer!

      Etwas eilig und erhitzt trat Fräulein von Wieders dem Harrenden entgegen.

      „Tausendmal bitte ich um Vergebung, Herr Oberst, dass ich so unpräcise zur Stelle bin! Ich packte aber gerade den Menagekorb für Herrn von Rentzke, und wollte mich nicht gern dabei vertreten lassen ....

      „Menagekorb für Rentzke? Was haben Sie denn mit dem armen, kranken Huhn zu thun?“

      Resi sah ganz erstaunt aus —: „Nun — ich muss doch für ihn sorgen! Seit zehn Tagen liegt der Ärmste mit gequetschtem Fuss, — er fiebert und soll strenge Diät halten, und aus dem Gasthaus schicken sie ihm Suppen, die man vor Pfeffer und Fleischextrakt nicht essen kann! Wie kann ich denn so etwas dulden!“

      „Und nun kontrollieren Sie die Hotelköchin?“

      Resi lachte: „Nein, Herr von Laucha —