Die ganze Gruppe ging zu Kent Widell, dessen Augenlider schwer waren nach der Arbeit in der Nacht und am Morgen. Widell begrüßte Jönsson.
»Jetzt ist alles gelöscht«, sagte er. »Was da noch qualmt, ist nur Wasserdampf. Für die Spurensuche gibt es natürlich viel Arbeit. Der Tote wird gerade abtransportiert.«
Sie wurden von einem Mann, der etwa sechzig Jahre alt sein mochte, unterbrochen.
»Entschuldigung, wenn ich störe«, sagte er. »Ich heiße Evert Bergman und bin Sekretär beim Verein vom Bürgerhaus. Unser Büro ist ... war ... sozusagen hier.«
Er drehte sich zu den Überresten des Gebäudes um und schwieg eine Weile. Sein Gesicht verzog sich wie im Schmerz, meinte Elina Wiik zu erkennen.
Kein Wunder, dachte sie, sagte jedoch nichts.
»Da ist etwas, das beunruhigt mich besonders«, sagte Evert Bergman. »Es geht um Karl Johansson, unseren Hausmeister. Er hätte normalerweise um acht zur Arbeit erscheinen müssen. Seltsamerweise steht sein Auto auf dem Parkplatz, aber niemand scheint ihn gesehen zu haben. Ich habe herumgefragt. Und er meldet sich nicht an seinem Handy. Ich kann mir kaum vorstellen, dass er nicht hier wäre nach dem Schrecklichen, das passiert ist.«
Widell und die Männer von der Kripo sahen einander an.
»Wo wohnt der Hausmeister? Sagten Sie, er heißt Johansson?«, fragte Niklasson und wandte sich Evert Bergman zu.
»Er wohnt in Virsbo und pendelt jeden Tag mit dem Auto. Ich hab auch bei ihm zu Hause angerufen, aber da meldet sich niemand.«
»Könnte Johansson einen Grund gehabt haben, gestern Abend in Surahammar zu bleiben?«, fragte Enquist. »Und zum Beispiel im Bürgerhaus zu übernachten?«
»Nicht soweit ich weiß. Im Haus gab es keinen Schlafplatz. Warum fragen Sie das?«
»Wo steht sein Auto?«, fragte Egon Jönsson. »Können Sie es uns bitte zeigen?«
Bergman führte Jönsson und Enquist zum selben Parkplatz, wo die Polizeiwagen standen.
»Der da.« Evert Bergman zeigte auf einen roten Saab.
Jönsson beugte sich vor und schaute in den Innenraum. Dann prüfte er die Türen und ging um das Auto herum. Sein Blick blieb am rechten Vorderrad hängen.
»Der hat einen Platten«, sagte er.
»Seltsam«, sagte Evert Bergman leise zu sich selber und runzelte die Stirn. »Das versteh ich nicht. Was kann da passiert sein?«
»Wir haben einen Toten im Haus gefunden«, sagte Jönsson an Bergman gewandt, der zusammenzuckte. »Die Leiche ist sehr verbrannt, es wird also eine Weile dauern, ehe wir sie identifiziert haben. Vielleicht ist der Hausmeister über Nacht geblieben, weil sein Auto einen Platten hatte?«
Bergman presste die Hände gegen die Brust. Er zitterte am ganzen Körper.
»Ich ... ich weiß nicht.« Mehr brachte er nicht hervor.
Er fummelte an seinem Handy herum. Enquist nahm ihn am Arm und lotste ihn zurück zu Widell und den Kripobeamten.
»Ich habe Herrn Bergman erzählt, dass wir eine Leiche gefunden haben«, sagte Jönsson.
Kent Widell hielt ein Schlüsselbund in einem weißen Stofffetzen hoch.
»Einer der Spurensucher hat es an der Stelle gefunden, wo der Körper gelegen hat«, sagte er.
Evert Bergman machte einen Schritt vorwärts und starrte auf die Schlüssel.
»Die gehören Johansson«, stellte er fest. »Nur er läuft mit so vielen Schlüsseln im Haus herum. Das muss bedeuten ... Guter Gott, der arme Johansson.«
Elina Wiik legte vorsichtig eine Hand auf Bergmans Schulter.
»Wir können nicht ausschließen, dass Johansson die Schlüssel gestohlen wurden«, sagte sie. »Aber das ist wohl unwahrscheinlich. Hatte Karl Johansson Angehörige?«
»Nein«, antwortete Evert Bergman. »Er hat allein gelebt und hatte keine Kinder. Seine Eltern sind tot, soweit ich weiß.«
»Wir müssen uns ein bisschen ausführlicher mit Ihnen unterhalten«, sagte Egon Jönsson zu Bergman, »über die Tätigkeit im Haus und anderes, am liebsten sofort. Können Sie mich zum Polizeirevier begleiten?«
»Ja, natürlich«, antwortete Bergman und sah verwirrt aus.
Jönsson wandte sich zu Niklasson um.
»Ich übernehme dieses Verhör«, sagte er. »Du kannst die Türklopfaktion organisieren. Und Wiik richtet die Hinweisannahme im Revier ein.«
Sie wollten schon gehen, als sie Widells Stimme hörten.
»Warten Sie mal!«, rief er. »Einige Ladenbesitzer in der Fußgängerzone möchten ihre Geschäfte öffnen. Für mich ist das in Ordnung, solange ihr den Brandplatz abgesperrt haltet.«
»Ich werde dafür sorgen«, sagte Jönsson und ging mit energischen Schritten weiter auf das Polizeirevier zu.
4
Aus dem Gespräch mit Evert Bergman ergab sich, dass das Bürgerhaus mehrere Organisationen beherbergt hatte. Im linken Flügel hatten die Arbeiterbewegung, eine Abteilung des Metallverbandes und einige kleinere Verbände ihre Büros gehabt. Im rechten Flügel war die Gemeindebibliothek untergebracht. Die Räume dazwischen waren an ein Restaurant verpachtet. Der Inhaber hieß Greger Hedåsen. Dann gab es noch einen großen Versammlungsraum, der für Konferenzen und Feste benutzt wurde.
In den letzten Monaten hatte Hedåsen im Versammlungsraum freitags eine Disko veranstaltet. Bergman hatte sich darüber gefreut, dass viele Jugendliche gekommen waren. Außerdem hatte die Vermietung etwas Geld in die Kasse gebracht. Die wirtschaftliche Lage des Bürgerhauses war angespannt und hing ganz und gar von den Beiträgen der Kommune ab. Da die Sozialdemokraten an der Macht waren, war die Unterstützung eigentlich nie in Frage gestellt worden.
Aber Surahammar war eine Abwanderungsgemeinde mit verringertem Steueraufkommen und in den letzten Jahren war der Beitrag gekürzt worden. Erhöhte Mieteinnahmen waren also dringend nötig, hatte Evert Bergman Egon Jönsson nachdrücklich erklärt.
Auf die Frage, wer einen Grund haben könnte, einen Brand im Bürgerhaus zu legen, hatte Bergman keine Antwort. Soweit er wusste, gab es keinen Angestellten oder ehemaligen Angestellten, der sich ungerecht behandelt fühlen könnte. Den Gedanken an eine politische Tat, gerichtet gegen die Arbeiterbewegung, wies er von sich.
Jönsson bekam eine Liste mit allen Personen, die sich häufig in den Räumen der Arbeiterbewegung aufhielten, Angestellte und Vertrauensleute. Evert Bergman zählte die Namen aus dem Gedächtnis auf.
Jönsson wollte Greger Hedåsen bitten, ihm eine entsprechende Liste für das Restaurant zur Verfügung zu stellen. Dann war da noch die Bibliothek; aber um die würde man sich zum Schluss kümmern. Alle, die sich täglich im Haus aufgehalten hatten, mussten verhört werden, ob ihnen vor dem Brand etwas aufgefallen war. Das würde eine langwierige Arbeit werden.
Elina Wiik hatte sich im Empfangsraum des Polizeireviers eingerichtet. Er war klein und normalerweise leer, da das Revier nur montags zwischen neun und vierzehn Uhr geöffnet hatte. Ein Schild verwies alle anderen Angelegenheiten an die Polizei in Hallstahammar.
Aber jetzt kam es darauf an, schnell Kontakt zu eventuellen Zeugen aufzunehmen. Elina Wiik hoffte auch, etwas über die Verhältnisse um das Bürgerhaus herum aufzuschnappen.
Man soll das Gerede der Leute nicht unterschätzen, dachte sie. Und auf das Unausgesprochene achten. Das, was dicht unter der Oberfläche eines Redestroms liegt.
Eine Weile hatte sie erwogen, ein Schild mit der Aufschrift »Hinweisannahme« aufzuhängen mit einem Pfeil, der auf das Polizeirevier zeigte, hatte es sich dann aber anders überlegt. Das Risiko, Lotto- und Totospieler anzuziehen, war zu groß.