Der Prinz trat eine Tür auf, die anscheinend zu seinem Schlafgemach führte, warf Nat auf ein riesiges Himmelbett und schloss die Tür. Stille
»Raga!«, brüllte der Thronfolger und nickte zufrieden, als keine Antwort kam. »Gut, die Alte ist nicht da. Wir sind ganz allein, Liebste.«
»Wunderbar!«, zwitscherte Nat, ordnete seine Röcke und versuchte, in der kurzen Zeit, die er hatte, möglichst viel in Erfahrung zu bringen.
Das Schlafzimmer des Prinzen war enttäuschend klein. Das gigantische Himmelbett füllte es schon zur Hälfte. Edle, gewebte Teppiche hingen von den Wänden und lagen auf dem Boden aus. Rechts von ihm befand sich ein kleiner Holzkohleofen. Ein Stapel Brennholz lag daneben. Nat war auf einem Robbenfell gelandet, das so weich war wie … nichts, was er je gefühlt hatte.
Eine weitere Tür ging von dem Raum ab, hinter einem Gestell, das mit Papier bespannt war. Lag dort der Abort? Vielleicht konnte er dadurch fliehen? Wäre zwar widerlich, aber die Dinger gingen für gewöhnlich aufs Meer raus, da würde er …
Mit einem Satz war der Prinz bei ihm und Nat vergaß alles. Eisblaue Augen starrten auf ihn nieder. Volle Lippen öffneten sich zu einem erwartungsvollen Lächeln. Er spürte die Wärme des Kerls, der neben ihm lag, spürte den Arm, den er um Nat gelegt hatte. Er ließ sich tiefer in die Kissen sinken. Gut, dachte er. Ein bisschen rumknutschen, richtigen Moment ab…
Der Prinz küsste ihn. Seine zarten Lippen jagten winzige Schocks durch Nats Körper und mit einem Mal war er so watteweich, dass er sich nicht mehr bewegen konnte. Verdammt. Er spürte das Robbenfell in seinem Nacken, das Korsett, das ihm fast die Luft abschnürte und die Leuchter unter seinem Rock, die der Prinz auf keinen Fall bemerken durfte. Aber er war wie gelähmt. Nun, größtenteils. Sein Mund öffnete sich, um den Kuss zu erwidern. Seine Fingerspitzen strichen über die heiße Wange des Prinzen. Der sah ihn an, schwer atmend und wunderschön.
»Wie machst du das?«, murmelte der Kerl und sah Nat fragend an.
»Hm?«
»Ach, nichts.« Die Wangen des Prinzen wurden dunkler. »Ich … komm her.«
Er packte Nat und, bevor er sich dagegen wehren konnte, lag er auf dem Prinzen. Verdammt. Spürte der die Leuchter? Nein, die waren nicht zwischen ihnen gelandet. Dafür fühlte Nat … oh. Er lief bestimmt knallrot an. Etwas Warmes, Hartes drückte gegen seinen Oberschenkel, selbst durch seine tausend Röcke konnte er es spüren. Er keuchte leise. Verdammt, verdammt, verdammt …
»Hab keine Angst.« Der Prinz lächelte. Der Daumen, mit dem er durch Nats Nacken strich, verursachte ein angenehmes Kribbeln, das seinen ganzen Körper mit Gänsehaut bedeckte. »Ich bin vorsichtig.«
»Ja, äh, super …«, brachte Nat hervor und versuchte, sich zu konzentrieren.
Ganz ruhig, flüsterte er sich zu. Du liegst genau auf ihm. Wenn du jetzt … Aber sein Körper hörte nicht auf ihn. Der verdammte Prinz küsste ihn erneut, so sacht und zart wie ein Schmetterlingsflügel. Warum war der auf einmal so anders? Irgendetwas stimmte mit dem Kerl nicht, aber … nun, das war Nats Schwanz egal. Kaum spürte er die Lippen des Prinzen, begann er, hart zu werden. Und mit jedem weiteren Kuss wurde es schlimmer.
Hör auf, dachte Nat. Hör auf damit, er wird das merken, er … egal, dann muss ich ihn eben jetzt niederschlagen. Obwohl … wenn ich mich etwas aufrichte, merkt er nichts und dann kann ich ihn noch ein wenig küssen …
Also tat er das. Nur ganz kurz, wie er sich versprach. Gleich darauf würde er den Trottel umnieten. Bestimmt. Seine Zunge leckte vorsichtig über die Unterlippe des Prinzen und er sah ihn zusammenzucken.
»Mehr«, flüsterte der Kerl und schloss die Augen.
Ach, egal. Nat legte alles, was er hatte, in diesen Kuss. Umschloss den Kopf des Prinzen mit seinen Armen, presste seinen Mund auf den anderen und drang mit seiner Zunge tief in ihn ein. Eine fremde Zungenspitze erwartete ihn, drängte sich gegen seine, stupste dagegen. Nats verschwand, kam zurück, umkreiste die andere vorsichtig …
Plötzlich spürte er Hände an seinem Hintern. Zwei starke Hände, die ihn nach unten zogen. Nein. Oh neinneinnein … Nat versuchte, Widerstand zu leisten, aber dieser Mistkerl war entschlossener. Unweigerlich wurde sein Unterleib gegen den Schritt des Prinzen gepresst, er spürte dessen Härte an seiner und der Kerl …
Die Augen des Prinzen flogen auf. Die Erkenntnis ließ seine Pupillen schrumpfen.
Mist!
Nat holte aus, donnerte seine Faust genau auf dessen Kinn … Oder hätte es zumindest, wenn der Prinz nicht ausgewichen wäre. So trafen Nats Knöchel nur das Robbenfell, weil der Mistkerl sich weggedreht hatte. Nat versuchte, nachzusetzen. Aber der Prinz unter ihm bockte und warf ihn ab. Nat stürzte vom Bett.
Noch im Fallen drehte er sich und kam halbwegs weich auf. Ein paar Dutzend Kneipenschlägereien hatten ihn gelehrt, richtig zu fallen. Und der mit Teppichen gepolsterte Boden war viel weicher als die Dielen in Suses Sauf-Schenke.
Der Prinz richtete sich auf, sprungbereit. Mordlust glitzerte in seinen Augen. Mist! Nat sah sich nach einer Waffe um. Er griff das Nächstbeste, einen Schürhaken, der neben dem Kaminofen hing, und sprang auf. Das Gestell fiel klappernd um.
»Bleib stehen, du Sack!«, brüllte er und hielt das Ding vor sich wie ein Schwert. Er wünschte, er hätte ein Schwert bei sich, versteckt, irgendwo unter seinen Röcken, so wie die blöden Leuchter … Oh, da hing eins. Leider hing es an der Zimmertür, in einer dekorativen Scheide, zu weit entfernt …
Der Prinz erhob sich geschmeidig und sprang vom Bett. Er wirkte mit einem Mal anders. Kalt und konzentriert. Sein Gesichtsausdruck verriet nichts. Nat holte mit dem Schürhaken aus. Das Kinn. Er musste das Kinn treffen. Oder irgendetwas … Kurz, bevor er auf den Kopf traf, wurde der Schürhaken gestoppt. Der Prinz hatte ihn geschnappt. Blitzschnell.
Nat blinzelte. Was? Dann flog er plötzlich durch den Raum und verlor den Haken. Den hielt nun der Prinz in seiner Hand. Verdammt! Wieder prallte Nat auf dem Boden auf. Rollte bis zur Tür. Er grinste. Riss das Schwert, das dort hing, aus seiner Scheide und brachte sich in Position.
»Stehenbleiben, Prinzlein«, befahl er. Da er eh entdeckt worden war, musste er seine Stimme auch nicht mehr verstellen. Er machte sie extra dunkel und drohend. »Oder du verlierst deinen Kopf.«
Der Prinz blieb stumm. Aber der Mistkerl kam auf ihn zu, den Schürhaken in der Hand.
»Stehenbleiben, hab ich gesagt!«, rief Nat. »Lass mich abhauen und dir passiert nichts.«
Der Kerl wollte doch wohl keinen Kampf mit diesem verdammten Haken … Der Haken sauste auf Nat nieder. Er schaffte es gerade so, zu parieren. Beim nächsten Schlag war es leichter. Kraftvoll krachte das Metall des Schwertes auf das des Hakens. Die Erschütterung hätte ihm fast den Schwertgriff aus der Hand geschleudert. Er spürte ein Zittern und krallte die Finger noch fester darum. Der Kerl war kräftig.
»Na gut, wenn du so spielen willst«, murmelte er. Dieser verdammte Prinz zuckte mit keinem Muskel. Nicht, als Nat mit dem Schwert auf seinen Bauch zielte. Nicht, als er den Stoß mit einem eleganten Schlag abwehrte. Und auch nicht beim nächsten und übernächsten.
Aber er wich zurück. Nat trieb ihn durch den Raum, bis an die Bettkante. Der Kerl hüpfte auf das Bett, parierte, Nat sprang hinterher.
Gut, dachte er, ich werd ihm das Ding aus der Hand schlagen, dann werd ich ihn fesseln und dann …
In einer blitzartigen Bewegung, viel schneller als zuvor, wehrte der Prinz Nats Schwertschlag ab, drehte sein Handgelenk …