Plötzlich Prinzgemahl. Regina Mars. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Regina Mars
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783962553883
Скачать книгу
gut.« Der Kerl schien sich mit seinem Schicksal abgefunden zu haben. »Kann mir jemand aus meinem Korsett helfen?«

      »Gleich. Sieht aus, als müsste ich den Prinzen verarzten.« Raga holte etwas aus den Tiefen ihres Rocks hervor, das wie ein großes Marmeladenglas aussah. Innen schwappte Wasser und darin …

      »Sind das etwa Heilerfische?«, fragte Nat, als er die grausilbrigen kleinen Körper erkannte.

      »Gut erkannt.« Raga schraubte den Deckel auf. »Solan, tauch deine Hand hier rein.«

      Er gehorchte, Nat immer im Blick behaltend. Dessen wilde Augen beobachteten ihn ebenfalls.

      9. Tudan

      Tudan war ein fröhlicher Mann. Sein Lachen dröhnte durch den halben Palast, wenn der Kaiser mal wieder einen seiner köstlichen Scherze machte und auch in ernsten Momenten trug er stets ein Lächeln auf den Lippen.

      Tudan war ein Lügner. Ein guter Lügner aus gutem Hause. Ein Jungendfreund des Kaisers, mit dem er durch dick und dünn gegangen war, durch Walrobbenjagden, rauschende Bälle und die exklusivsten Hurenhäuser.

      Der Kaiser hörte auf Tudan, der, obwohl sie im gleichen Alter waren, zehn Jahre jünger aussah. Vielleicht sogar zwanzig. Denn während Tudan immer noch jeden Morgen auf dem Schwertkampfplatz übte, lag der Kaiser im Sterben. Nun, lag war das falsche Wort. Noch schleifte er seinen verfetteten, vom Alkohol zerfressenen Körper durch die Gänge des Palastes. Noch trank er, so wie vorhin auf dem Frühlingsball.

      Er hatte vier Weinflaschen und ein kleines Fass geleert. Die anwesenden Adligen hatten höflich applaudiert, als er ein gigantisches Glas in einem Zug ausgesoffen hatte und diskret weggesehen, als er sich gegen Mitternacht in einem tiefroten Strahl auf den Tisch übergeben hatte. Eine Flutwelle Erbrochenes hatte Wachteleier und Fasanenbrüste weggespült, aber Abathiy, die Kaiserin, hatte nur milde gelächelt und ihm das nasse Doppelkinn mit ihrem Spitzentaschentuch abgetupft.

      Abathiy war eine Expertin. Geschult darin, ihren Ekel hinter einem charmanten Lächeln zu verbergen, so wie Tudan seine Berechnung hinter einem herzhaften Lachen versteckte.

      Er hatte wirklich gehofft, dass alles nach Plan verlaufen würde. Für gewöhnlich tat es das. Aber dieser Vollidiot, dieser Pfau in Menschengestalt, Prinz Solan, hatte alles verdorben. Dieser idiotische Schönling, was hatte ihn geritten, als er dieses Luder geheiratet hatte?

      Tudan blickte zu Tamanoliy, deren wunderhübsche Fingernägel auf seiner Tischplatte ein Trommelkonzert veranstalteten. Sie war wirklich eine Ausnahmeschönheit. Fast so hübsch wie ihre Cousine Abathiy, mit ihrem prallen Mündchen und den dichten Wimpern in ihrem puppenhaft niedlichen Gesicht.

      Es war eine Schande, dass sie sterben musste.

      »Ihr habt es mir versprochen«, zischte sie und er spürte ihren wütenden Blick noch, als er sich umdrehte, um den Wein einzuschenken. »Ihr habt geschworen, dass ich den Prinzen heiraten werde. Und Ihr habt gelogen. Er hat sich diese Landpomeranze geschnappt, dieses billige Stück und ich verstehe nicht … War das Euer Plan? Mich so zu demütigen? Ihr wisst, was ich weiß. Wenn ich dem Kaiser erzähle …«

      »Es ist alles gut, Tamanoliy«, sagte er leise, um sie zu beruhigen. Sie befanden sich in seinem Schlafgemach und die Wände sowie die Kirschholztüren waren dick. Aber er konnte nicht riskieren, dass man sie hier hörte. »Macht Euch keine Sorgen. Ihr werdet den Prinzen heiraten.«

      »Falls Ihr es nicht bemerkt habt, der Prinz ist bereits verheiratet. Seit heute Abend. Mit dieser Landpomeranze!« Ihre liebliche Stimme hatte einen schrillen Unterton.

      »Meine Liebe, Ihr könnt mir vertrauen«, log er. »Und obwohl wir allein sind, wäre es besser, wenn Ihr Eure Stimme senken würdet. Immerhin wäre Euer Ruf dahin, wenn man Euch ohne Begleitung im Schlafgemach eines Mannes fände, nicht wahr?«

      Sie schnaubte gedämpft, sagte aber nichts mehr. Misstrauisch sah sie sich in seinem Zimmer um. Zwei Lampen an der Wand sorgten dafür, dass diese Ecke des Raums spärlich beleuchtet war, aber der Rest verbarg sich in dunklen Schatten. Tudan nahm zwei Bronzekelche, jeder verziert mit verschlungenem Steppengras, und goss Wein hinein.

      »Der Prinz wird bald Witwer sein. Und dann ist er bereit für eine neue Ehe, meint Ihr nicht? Wir müssen uns nur ein wenig gedulden.« Er klappte den mittleren der dicken Ringe auf, die er am Mittelfinger trug, und kippte den gesamten Inhalt in den linken Kelch. Besser ganz sicher gehen. Mit seinem üblichen herzlichen Lächeln drehte er sich um und stellte ihn vor ihr auf den Tisch. Sie griff sofort danach. Er sah ihren Hals beben, als sie das Gift schluckte.

      Zufrieden wandte er sich um und streifte seinen Ghar ab. Sein Körper war immer noch schlank und gestählt, auch wenn er mit über sechzig nicht mehr der Stärkste auf dem Übungsplatz war. Musste er auch nicht. Seine Kämpfe trug er auf andere Weise aus. Mit Geduld und Verstand.

      Langsam ließ er sich gegenüber von Tamanoliy auf den Stuhl sinken. Sah ihr tief in die Augen.

      »Tamanoliy, Ihr werdet Solans Braut sein. Ich verspreche es Euch.«

      »Gut.« Sie lächelte. »Und wenn es nach mir geht, werde ich anschließend Kaiserin.«

      »Nun, noch ist das Eure Cousine …«, begann er, obwohl er schon ahnte, was folgen würde.

      »Meine Cousine hat nur einen Anspruch auf den Thron, wenn sie dem Kaiser einen Sohn gebärt. Ich dagegen? Als Solans Frau würde ich sofort Herrscherin, sobald der Alte tot ist. Und so, wie er aussieht, kann das höchstens noch ein paar Tage dauern.«

      Er wartete auf die ersten Anzeichen. Für gewöhnlich ging es schnell. Erst ein leichtes Husten, ein Zuschnüren der Luftröhre, bläuliche Flecken am ganzen Körper. Und wenn man sie fand, würde es aussehen, als wäre sie an Kornpocken gestorben.

      Kornpocken waren eine Krankheit, die so schnell wie gnadenlos tötete und die er selbst erfunden hatte. Unter großen Mühen. Hunderte hatten ihr Leben lassen müssen, bis er die Welt überzeugt hatte, dass es sich um eine ganz normale, äußerst tödliche Erkrankung handelte.

      Noch sah Tamanoliy wie das blühende Leben aus. Sie lehnte sich geschmeidig vor und sah ihm direkt in die Augen.

      »Du wirst dich entscheiden müssen, Tudan. Wirst du Abathiy dienen oder mir? Du weißt, dass ich dafür sorgen kann, dass du über die Klippe springst. Also, was sagst du?«

      »Ich …« er faltete die Finger über dem Bauch, als müsste er darüber nachdenken. Und dann hörte er es. Ein winziges Husten. Irritiert führte Tamanoliy die Hand zum Mund. Er lächelte mild. »Ich fürchte, ich habe mich bereits entschieden. Es tut mir leid, Tamanoliy.«

      Sie hustete erneut. Ihre Augen wurden groß. Vermutlich zeigten sich schon die ersten Flecken unter ihrer bleichen Schminke. Tamanoliy krümmte sich und ihr ganzer Körper bebte unter einem Hustenanfall.

      Tudan seufzte. Er machte sich bereit, ihren kleinen Leib aufzufangen, als das Geräusch sich veränderte. Er blinzelte. Tamanoliy hustete nicht länger. Sie lachte.

      »Du Idiot.« Ein Grinsen verunzierte ihr Gesicht. »Du Trottel. Ich tu doch nur so. Schau, mein Kelch ist noch voll. Lügen liegt bei uns in der Familie, wie du weißt. Dachtest du wirklich, ich sei so dumm, dein Gift zu trinken?«

      Er nickte langsam. Kein Grund, das zu leugnen.

      »Nun, bin ich nicht.« Sie zwinkerte. »Aber du, mein Freund, du bist in Schwierigkeiten, wenn du nicht genau tust, was ich dir …«

      »Ich habe ebenfalls gelogen, meine Liebe.«

      »Was?« Sie legt den Kopf schief.

      »Als ich behauptet habe, wir seien alleine.«

      Sie zuckte zusammen. Und wäre herumgewirbelt, wenn sich nicht in diesem Moment ein Kissen auf ihr Gesicht gelegt hätte. Ein Kissen, gehalten von schlanken Fingern. Abathiys Antlitz schälte sich aus der Dunkelheit. Lächelnd drückte sie ihre Cousine an sich, zog deren Kopf an ihre Brust und presste das Polster fester auf ihr Gesicht.

      Tamanoliy