Dann spüre ich, wie die Rute über meinen Rücken streicht. Ein Wunder, dass ich diese Berührung überhaupt wahrnehme. Aber ich weiß genau, was das bedeutet. Ich soll mich wieder aufrichten. Mich für den zweiten Streich präsentieren. Alles in mir schreit »NEIN!« Ich will das nicht. Wenn man festgebunden ist, kann man sich nicht wehren. Dann ist man jeglicher Strafe wehrlos ausgeliefert. Das Schlimme ist, dass ich jetzt frei und ungebunden dastehe. Wo ich doch am liebsten davonlaufen möchte. Um das zu tun, was jeder vernünftige Mensch tun würde. Aber da ist diese Verpflichtung. Ich muss Stärke zeigen. Es wird von mir erwartet. Und ich weiß genau, dass jedes Anzeichen von Schwäche berichtet werden wird. Und diese Folgen kann ich mir leicht ausmalen.
Langsam richte ich mich wieder auf. Als ob ich damit das Unvermeidbare hinauszögern könnte. Dann stehe ich wieder aufrecht da. Ich strecke mich. Busen raus, Arsch nach hinten. Ich weiß, was von mir verlangt und auch erwartet wird. Zögernd strecke ich meine Arme aus. Balle noch mal die Faust, entspanne sie, noch mal die Faust und relaxen. Als wollte ich prüfen, ob etwas gebrochen ist. Nein … Meine Knochen sind heil. Das weiß ich. Aber sonst …
Gut. Es ist also so weit. Wieder nimmt er Maß. Streichelt über meine ausgebreiteten Handflächen. Wieder in Großaufnahme. Schneller Schnitt. Mein Gesicht. Sie zoomen ganz nah. Ich kann jedes Haar meiner Wimpern deutlich erkennen. Die weit aufgerissenen Pupillen, die mehr als deutlich den Schrecken aussagen, der mich erwartet. Beinahe bin ich neugierig auf das Kommende. Noch nie konnte ich mich selbst während einer Bestrafung beobachten. In gewisser Weise ist das faszinierend. Es lenkt mich ab und so bekomme ich gar nicht mit, als die Peitsche das zweite Mal auf meine Hände niedersaust. Jetzt kann ich mich nicht mehr halten. Contenance? Haltung? Scheiß drauf … Es tut so richtig weh. Und diesen Schmerz muss ich irgendwie rauslassen. Ich stoße einen lauten Schrei aus, während ich mich wieder zusammenkrümme und meine misshandelten Hände zwischen den Schenkeln einklemme. Als ob das was helfen würde. Die gefolterte Haut brennt wie Feuer. Ich schnappe nach Luft.
Die Schläge wurden mit unglaublicher Kraft und Präzision durchgeführt. Es waren erst zwei. Aber was für welche. Wieder gleitet die Rute über meinen Rücken. Nur nicht nachlassen, soll das bedeuten. Er treibt mich zur Eile. Mein nackter Körper ist schweißnass. Die Haare kleben mir im Gesicht. Die Schmerzen dringen aus allen Poren. Wieder richte ich mich auf. Verzweifelt stelle ich mich in Position. Ich will weglaufen. Nur weg. Worauf hab ich mich nur eingelassen?
Ich werde auch zu Hause bestraft. Aber diese Wucht ist mir unbekannt. Ich bin da gleich zu Beginn an einen ziemlichen Brutalo geraten. Irgendwie tut mir die junge Frau leid, die da neben ihm am Tisch saß. Wenn die regelmäßig auf diese Weise von ihm gequält wird, na dann bravo. Aber ich sollte mich lieber um meinen eigenen Kram kümmern. Und der lautet: Es gibt noch zwei. Mein Folterknecht ist nicht zufrieden mit mir. Er lässt die Rute sachte auf meine Brüste klatschen. Soll vermutlich heißen, dass ich mich wieder kerzengerade mit Titten und Arsch rausgestreckt präsentieren soll. Dann die Arme. Ich kann die Streiche der Rute deutlich auf meinen Handflächen erkennen.
Auf ein Neues … Wieder prasselt der Schlag wie giftiger Hagel auf meine Hand. Wieder stehe ich zusammengekrümmt da und versuche meine tobenden Schmerzen unter Kontrolle zu bringen. Es schüttelt mich und trotz der Hitze, die mein Körper ausstrahlt, habe ich eine Gänsehaut. Der letzte Schlag lässt mich schwanken, doch dann ist es vorbei.
Der Gast packt mich am Arm und flüstert mir leise zu: »Du hast dich gut gehalten … Wir müssen noch zusammen zum Management Desk gehen, um den Vorgang abzuschließen.«
Soso … Ein Vorgang war das also. Also, ich hätte das ein wenig anders gesehen als einen blanken Geschäftsvorgang. Aber vermutlich wird das hier im »Dark House« genauso gesehen. Es ist ein Geschäft. Die Unzufriedenheit wird beseitigt durch Schmerzen. Soll und Haben wird wieder ausgeglichen. Fein.
Als wir den Tresen erreichen, wartet Herr B. schon auf uns.
Kurz darauf sitze ich wieder angezogen auf dem Barhocker auf meinem Podium und warte auf die nächste Beschwerde. Obwohl sich nichts tut, habe ich einen deutlich erhöhten Puls. Wer ist der Nächste? Der Nächste, der mich zu seinem Tisch zitiert und sich auf meine Kosten beschweren möchte. Ich lasse den Blick über die Tische schweifen. Lauter fröhliche Menschen. Sie essen. Sie trinken. Die meisten sind völlig mit sich selbst beschäftigt. Ein paar starren mich an. Nicht immer direkt, sondern vor allem über die großen Bildschirme, die überall im Raum verteilt sind. Es ist ungemütlich zu wissen, dass jede noch so kleine Regung, jedes Zucken, jedes Blinzeln überdimensional auf die überall verteilten Bildschirme übertragen wird.
Plötzlich schrecke ich hoch. Ein leises Summen. Ich weiß genau, was das bedeutet. Die nächste Beschwerde. Auf der Leuchtschrift wird die Tischnummer angezeigt. Tisch 48. Ich atme tief durch. Mit zittrigen Händen greife ich nach dem Briefumschlag mit der Nummer 2. Dann erhebe ich mich. Jetzt sind alle Blicke auf mich gerichtet. Alle wissen, dass es in Kürze wieder was zu schauen gibt. Mit mir in der Hauptrolle. Schöner Bockmist. Auf so einen Ruhm könnte ich gern verzichten. Ich bahne mir den Weg durch die Tischreihen und erreiche Tisch 48. Es sind drei junge Frauen. Sehr jung, höchstens zwanzig. Höflich stelle ich mich als das Complaint Girl vor, das sich um ihre Beschwerde kümmern wird.
Während mich zwei der drei nur blöde angrinsen, ergreift die dritte das Wort: »Soso, du bist also Susanna. Gut, hör zu. Denn das, was ihr uns heute serviert habt, war eine echte Unverschämtheit.«
Die beiden anderen können sich ein Lachen kaum verkneifen …
»Inwiefern? Was war genau das Problem?«
»Nun … Ganz einfach. Die Suppe war eiskalt, als wir sie bekommen haben.«
Was soll ich darauf sagen? Tatsächlich stehen vor den dreien Suppenteller. Die Suppe haben sie kaum angerührt. Doch ich kann mir fast nicht vorstellen, dass die Suppe wirklich eiskalt war, als sie serviert wurde. Ich habe eher den Verdacht, die drei wollen sich einen Spaß daraus machen, mich bestrafen zu dürfen.
Wie reagiere ich? Jetzt bin ich allein. Ich muss die Situation selbst regeln. Herr B. sitzt hinter seinem Management Desk und beobachtet mich, allerdings wird er nicht eingreifen. Das weiß ich. Ich überlege mir meine Möglichkeiten. Ich darf eine Beschwerde auch komplett zurückweisen, wenn ich das Gefühl habe, sie sei unberechtigt. Allerdings kann dann immer noch aus Kulanz anders entschieden werden. Womit ich dann trotzdem wieder dran wäre. Ich beschließe, die Suppe zu überprüfen. ich greife mir den nächsten Teller, hebe ihn hoch und probiere. In der Tat. Die Suppe ist jetzt nicht mehr heiß. Aber sie ist lauwarm und war vermutlich heiß, als die Teller auf den Tisch gestellt wurden.
Betont langsam stelle ich den Teller zurück. Irgendwie habe ich die drei überrascht. »Diese Suppe ist nicht eiskalt.«
Schweigen … Sogar die Wortführerin von vorhin ist still. Als würde sie überlegen, was sie jetzt tun soll.
Dann kommt die Antwort: »Das ist ja noch mal eine Unverschämtheit. Du bezichtigst uns der Lüge?«
Scheiße. Jetzt hocke ich wirklich in der braunen Brühe. Vorhin war es nur eine kalte Suppe. Jetzt ist es unter Umständen eine Beleidigung des Gastes. Das kann man natürlich schon so sehen. Vor allem, wie wird es Herr B. sehen, wenn er herangeholt wird, um zu entscheiden? Es hilft nichts. Besser, ich mache einen Rückzieher. Wortreich entschuldige ich mich bei diesem Miststück, das daraufhin ein breites Siegerlächeln aufsetzt. Dann reiche ich ihr den Umschlag. Ich werde nicht um ein weiteres Tänzchen herumkommen.
»Das ist ja lachhaft …«
Was ist lachhaft? Ich verstehe nicht. Sie reicht mir das Schreiben zurück. Ich muss den Gästen jetzt ein Angebot machen. Ich schaue mir das Schreiben an. Ich kann wählen unter folgenden Optionen:
1. Vier Peitschenhiebe auf den Rücken
2. Acht Peitschenhiebe auf den Rücken
3. Zwölf Peitschenhiebe auf den Rücken
Ich denke nicht lange nach und entscheide mich für die goldene Mitte. Nach dem Gesprächsverlauf brauche