Gesellschaften, die sich institutionell mehr gefestigt haben, geben Alleingängen (zumal auf Kosten anderer) weniger Raum, hier wird, wenn nötig, der Narzißmus im Dienste individueller Grandiosität des Besserseins umgelenkt in Dienste an der Allgemeinheit, aber Heldentum ist das dann nicht mehr. Zu diesem Umbau des Belohnungssystems der Gesellschaft gehört die Frustration des Grandiositätsbegehrens, in das sich das infantile Omnipotenzgefühl gewandelt hat. Die sich grandios fühlenden Adoleszenten oder Postadoleszenten müssen, wenn sie keinen Erfolgsort in der Gesellschaft haben, gestutzt und angepaßt werden. Darum sind die Heldengeschichten am Ende immer so traurig. Helden haben keinen Platz mehr, wenn ihr Ort, das phantasierte »Früher« oder »Dort-draußen«, vergangen ist. Eine Pensionärsparkbank ist für sie, wie gesagt, nicht vorgesehen, und eine Frau kriegen sie nicht, ihre Taten mögen erzählt werden, aber kennenlernen möchte man sie nicht, man wendet sich – Dietrichs mißlungene Brautwerbung – von ihnen ab. Vielleicht ist die Melancholie der Heldengeschichten etwas wie ein Trost. Deine narzißtischen Wünsche werden nicht erfüllt, das ist traurig, aber wenn du heiratest, ist alles vorbei.
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Weibliche Helden – Heldinnen – gibt es nicht. Nicht in der Bedeutung des Wortes, um die es hier geht. Gesellschaften, die Kriegerideale pflegen, für die Heldengeschichten Seelenfutter, wenn auch unrealistisches, sein konnten, Soziotope, die Selbstberauschung an Brutalität und Großsprecherei züchteten, waren extrem machistische Gesellschaften. Die Belohnung kindlichen Omnipotenzgehabes mit anerkennend-amüsierten Blicken wird auch bei uns männlichen Kindern länger zuteil als weiblichen. Der rüpelhafte Schulhofnarzißmus ist eine männliche Angelegenheit, wie wir wissen und wie sich nicht zuletzt aus den neulich bekanntgewordenen Äußerungen eines Lehrers einer anerkannten Schule hören ließ, der das Quälen von Mitschülern als übliche Rangwettstreite seiner »jungen Löwen« bezeichnete. Wieviel von den unterschiedlichen Wegen, Aggressionen sozial zu leben, die Jungen oder Mädchen einschlagen, auf die Kultur, soziales Umfeld, Gewohnheiten, kulturunabhängige oder -übergreifende Modi geschlechtsspezifischen Heranwachsens zurückzuführen ist, kann hier getrost undiskutiert bleiben. Jedenfalls: Es gibt keine weiblichen Helden. Pippi Langstrumpf ist kein Held, vor allem ist sie genau betrachtet auch nicht weiblich.[11] Nicht, weil sie nicht ist wie Annika (ein aus Kontrastgründen etwas zu weibliches Kind), sondern weil ein so überstarkes Mädchen, um literarisch zu befriedigen, doch etwas anders wäre als ein überstarker, aber freundlicher Junge, der aussieht wie ein Mädchen. Pippi Langstrumpf ist ein Freak, mit dem wir uns, anders als mit dem Hulk, wohlfühlen können. Jeanne d’Arc mag man »Heldin« nennen, aber sie ist keine. Sie ist eine religiös verwirrte Kriegerin, dann eine Märtyrerin (oder Hexe, je nachdem). Sie gehört nicht dem Personal an, aus dem die Helden gemacht sind. Daß man aus Frauen keine Helden in dem Sinne, um den es mir hier geht, machen kann, sieht man peinlich genau an dem Versuch, mit »Wonderwoman« eine zu erfinden. Der Mythen- und Geschichtseintopf, der in diesem Film serviert wurde, zeigt die schiere Verzweiflung der Drehbuch- und Regieteams vor dieser übermenschlichen Aufgabe.[12]
Es bleibt dabei: Heldengeschichten sind Jungsgeschichten mit dem eingebauten schalen Trost: Aus der Sache mit den Helden wird nichts, aber vielleicht wird aus euch was, und mit dem Heldengetue kriegt ihr auf Dauer doch keine Frau. (Und an die Seitenblicke, die ihr abkriegt, wenn ihr wieder mal mit halb leuchtenden, halb weinenden Augen aus einem Western kommt oder eurer Geliebten erzählt, wie es euch zumute war, als ihr von Dietrichs mißlungener Brautwerbung last, habt ihr euch doch längst gewöhnt, nicht wahr?)
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