Homeward Bound. H.J. Welch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: H.J. Welch
Издательство: Bookwire
Серия: Pine Cove
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958238343
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Er warf einen Blick über den Hof ins Küchenfenster. Richtig, da saßen einige Leute zusammen am Tisch.

      Micha war immer vorsichtig, wenn er mit Kindern von fremden Leuten zu tun hatte, aber Imogen wollte nur schaukeln. Also rutschte er aus dem Autoreifen und hielt ihn für sie fest. Sie kam sofort angerannt und versuchte, an dem Reifen hochzuspringen und hineinzuklettern, war aber zu klein.

      »Soll ich dir helfen?«, fragte Micha und krempelte sich die Ärmel hoch.

      Imogen schnaubte und schob die Brille hoch. »Ja, bitte. Mir gefallen deine Bilder.«

      Micha, der gerade nach ihr greifen wollte, hielt überrascht inne. Dann dämmerte ihm, dass sie seine Tätowierungen meinte. Seine Unterarme waren voll davon und er hatte vor, sich auch die Oberarme und den Rücken tätowieren zu lassen. Micha war nicht sehr muskulös und groß und kam sich durch die Tattoos nicht ganz so schmächtig vor. Sie waren seine Rüstung und schützten ihn vor einer Welt, die ihn allzu oft hungrig in der Kälte alleingelassen hatte. Einige der Tattoos hatte er sogar teilweise selbst entworfen.

      »Danke«, sagte er und drehte den Arm um, um ihr mehr davon zu zeigen. »Hast du ein Lieblingsbild?«

      Imogen schnappte nach Luft, schlug die Hand vor den Mund und stellte sich auf die Zehenspitzen. »Meerjungfrau! Meerjungfrau!«

      Micha grinste und hielt ihr die Hand hin, damit sie die Tätowierung an seinem Handgelenk besser sehen konnte. »Und siehst du das?«, sagte er und zeigte ihr seine andere Hand. »Hier ist ein Piratenschiff. Glaubst du, die beiden könnten Freunde werden?«

      Imogen nickte begeistert. »Sie singt für die Piraten und rettet sie, wenn ihr Schiff untergeht. Dann heiratet sie den Prinzen.«

      Micha lächelte kläglich. »Es gibt immer irgendwo einen Prinzen, nicht wahr?«, murmelte er.

      Vielleicht würde er eines Tages auch seinen Prinzen finden.

      Er zeigte auf den Autoreifen. »Soll ich dir jetzt helfen? Dann kann ich dich anstoßen.«

      »Ja, ja!« Imogen streckte die Arme aus und ließ sich von ihm hochheben. Er hielt sie vorsichtig um die Taille, während sie unbeholfen die Beine durch den Reifen schob. »Ich will ganz hoch schaukeln. Bis zum Mond!«

      »Wow«, sagte Micha. »Bis zum Mond, ja? Das ist aber ziemlich weit.«

      »Ich bin eine Entdeckerin«, erklärte ihm Imogen stolz. »Ich reise um die ganze Welt. Zweimal. Und dann zum Mond und übers Meer. Und auf den Meeresgrund. Dort sind nämlich die Meerjungfrauen.«

      »Das ist ein wunderbarer Plan«, meinte Micha. »Darf ich mitkommen?«

      Imogen nickte und Micha brachte die Schaukel zum Schwingen. Sie sah ihn über die Schulter an.

      »Aber wir müssen erst packen. Du brauchst eine Zahnbürste und Socken zum Wechseln. Mommy hat das gesagt. Sie ist auch verreist, aber sie kommt bald zurück.«

      Micha unterdrückte ein Lachen. »Socken zum Wechseln. Wird gemacht.«

      »Höher!«, rief Imogen, warf die Arme in die Luft und kickte mit den Beinen. Sie wäre fast aus dem Reifen gefallen, aber Micha hielt ihr rechtzeitig die Hand an den Rücken und stützte sie. Sie schien es gar nicht zu bemerken.

      »Nur, wenn du dich gut festhältst«, sagte er. »Wie willst du denn bis zum Mond fliegen, wenn du dich in deiner Rakete nicht anschnallst?«

      Imogen salutierte und hielt sich wieder am Reifen fest. »Aye, aye, Kapitän!«

      Micha lachte und stieß sie etwas fester an. Es war, als hätte das Kind all seine Sorgen wie weggewischt. Ja, sein Leben war nicht das beste, aber es hätte viel schlimmer kommen können. Er war zu Hause, war der Haft entkommen und Brie war, soweit er wusste, in Sicherheit. Seine Familie liebte ihn immer noch, auch wenn er sich bei ihr wie ein Außenseiter fühlte.

      Und dann war dieser kleine Engel aufgetaucht und hatte ihn daran erinnert, dass er sein Leben noch vor sich hatte. Es gab noch so vieles zu entdecken. Doch jetzt wollte er einfach nur genießen, das kleine Mädchen glücklich zu machen, das in dem alten Autoreifen hin und her schaukelte. Sie war so voller Optimismus. Er fragte sich, wer wohl ihr Vater sein mochte. Vermutlich war er ein toller Mensch.

      Der morgige Tag mochte wieder beschissen werden, aber in diesem Augenblick war das Leben gar nicht so schlecht.

      Kapitel 3

      Swift

      Swift war sich ziemlich sicher gewesen, dass es eine gute Idee wäre, seinen besten Freund zu besuchen. Er hatte recht behalten.

      Rhett war adoptiert und hatte gerade selbst zwei Kinder adoptiert.

      Rhett war immer der Freund gewesen, an den Swift sich gewandt hatte, wenn in seinem wohlgeordneten Leben ein Hindernis auftauchte.

      Dieses Mal war es nicht nur ein Hindernis auf seinem eingeschlagenen Weg. Dieses Mal musste er einen vollkommen neuen Weg finden. Und damit hätte er niemals gerechnet.

      »Ich habe von nichts eine Ahnung!«, rief er und lief verzweifelt in der Küche auf und ab. »Wann muss sie ins Bett? Was isst sie? Was soll ich mit ihren Haaren anfangen? Auf YouTube lernt man auch nicht alles!«

      Rhett hatte ein schönes Haus, aber es war nicht zu vergleichen mit dem großen Haus seiner Eltern. Deshalb – und weil Tyee heute nicht im Diner arbeitete – hatten sie sich hier getroffen. Außerdem war Rhett nicht das einzige Mitglied der Familie Perkins, das ihm helfen wollte. Tyee – Pops – gehörte auch dazu.

      Er klopfte Swift, der immer noch im Kreis lief, auf die Schulter. »Du schaffst das schon, mein Sohn. Ich verspreche es dir. Du wirst im Laufe der Zeit alles lernen, was du wissen musst.«

      Swift blieb nickend stehen und schüttelte sich die verkrampften Hände aus. Er war solche langen Autofahrten nicht gewohnt. Dazu kam noch, dass er während der Rückfahrt nach Pine Cove ständig darüber nachgegrübelt hatte, wie es weitergehen sollte.

      Seine Mom, die am Küchentisch saß, lächelte Tyee zu und nippte an ihrem Kaffee. »Es ist sehr viel auf einmal, Tyee. Aber du bist nicht allein, Swift. Deine Brüder und Schwestern sind ganz aus dem Häuschen, genauso wie dein Vater und ich.«

      Swift fuhr sich kopfschüttelnd mit den Fingern durch die Haare und ließ sich auf einen Küchenstuhl fallen. »Ich habe sie geschwängert, Mom. Und ich wusste nichts davon. Ich habe mich um meine eigene Tochter nicht gekümmert.«

      Rhett schnaubte und warf seiner älteren Schwester, die ebenfalls bei ihnen am Tisch saß, einen kurzen Blick zu.

      »Es ist nicht deine Schuld, dass Amy es dir verheimlicht hat«, sagte Darcy.

      Tyee stellte ihm eine Tasse mit frischem Kaffee hin. »Was zählt, ist doch, was du jetzt zu tun gedenkst. Du willst am Leben deiner Tochter teilhaben, nicht wahr?«

      Swift richtete sich in seinem Stuhl auf und nickte ernst. »Auf jeden Fall. Aber… was mache ich mit meinem Job? Ich arbeite zu allen Uhrzeiten im Studio.«

      Seine Mom tätschelte ihm die Hand. »Ja, also… Vielleicht könntest du etwas kürzertreten? Weniger arbeiten? Es ist schön, dass du so viel arbeitest, aber jetzt hast du die Chance, dein Leben auf eine andere Art zu bereichern.«

      Swift spielte mit dem Henkel seiner Kaffeetasse. Sie hatte ihm in letzter Zeit oft gesagt, er würde zu viel arbeiten. »Ja«, gab er zu. »Ich könnte meine Stunden auf die Zeit beschränken, in der Imogen in der Schule ist. Vielleicht. Aber dann verdiene ich weniger und ich muss noch so viel für sie kaufen und…«

      Darcy winkte kopfschüttelnd ab. »Nein. Aufhören. Wir haben noch so viele Sachen von meinen Kindern. Und Logan und Nell haben auch alles in Kisten im Keller verstaut, was sie für ihre drei nicht mehr brauchen. Wir haben immer damit gerechnet, dass es mehr Kinder gibt. Rhett und Louella haben sich damals schon um eine Adoption bemüht, und Micha und Hudson finden vielleicht auch irgendwann Partner und haben Kinder. Von den Enkeln gar nicht zu reden…«

      »Hey, immer