Die Zeit ohne uns. Rupert van Gerven. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rupert van Gerven
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783957712776
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das Geld nur gewinnbringend anlegen, verstehst du?«

      »Nein.«

      »In einer Ausbildung, ich meine, für mich kommt nur Schauspielerei oder Tanz in Betracht, bei meinem Talent, das versteht ihr doch?«

      »Aber natürlich. Woher weißt du das, mit dem Talent, meine ich?« Anton schmunzelt.

      »Na, darüber müssen wir wohl nicht diskutieren. Aber wie funktioniert das? Die von der Ufa oder der TOBIS und wie sie alle heißen warten doch nicht auf einen wie mich.«

      »Wenn ich mich einmischen darf ...«, Claire lässt ihr zartes Champagnerglas in der Hand kreisen, »das Beste ist, wenn Sie Rollen einstudieren, dann sprechen Sie bei einschlägigen Schauspielschulen vor. Reinhardt würde ich empfehlen, mit viel Glück können Sie dort als Eleve eine Ausbildung beginnen.«

      »Kann man mit ihm auch über die Art der Bezahlung reden?«

      »Ich verstehe nicht.«

      »Doch, Claire, du verstehst! Außerdem kannst du den Jungen duzen, sonst glaubt er noch, etwas Besonderes zu sein«, wirft Anton ein, »und nein, mein Lieber, Reinhardt bevorzugt Bares.«

      »Der Vorteil ist, dass Reinhardt eigene Theater in Berlin betreibt, in denen er seine Schüler auftreten lässt«, gibt Claire noch zu bedenken.

      Aber Aarons Kopf ist schon wieder ganz woanders. »Was gibt es zu essen, Anton?«

      »Kalten Braten, Salat, ein schönes Bier dazu.«

      Der Abend nimmt kein Ende, der Alkohol macht langsam besoffen, albernes Lachen erfüllt den Raum, die drei sind aufgekratzt. Wohin kann man noch gehen? Eine Frage, beinahe lallend in den Salon geworfen, wartet auf Beantwortung. Das »Cosy-Corner« wird nach heftiger Diskussion endlich als Möglichkeit akzeptiert. Anton weiß zu berichten, dass Klaus Mann hin und wieder mit seiner Schwester dort auftaucht. »Klaus soll dort immer viel Spaß haben, wird erzählt, leider hat er Probleme und konsumiert einfach zu viel, wovon, brauche ich wohl nicht zu erzählen«, endet sie.

      Ein Knopf neben dem Lichtschalter wird gedrückt und nur wenige Augenblicke später steht Charlotta in der Tür.

      »Gnädige Frau haben gerufen?«

      »Ich brauche den Brennabor. Wir möchten noch das Haus verlassen, bitte fahren Sie den Wagen vor.«

      Claire und Anton haken sich unter, verschwinden ins Schlafzimmer, um sich in Hosen und Jackett zu werfen. Aaron hat wieder auf Champagner umgestellt, er füllt sein Glas erneut auf.

      Endlich sind die Damen wieder zurück, haben sich zu stark geschminkten Männern herausgeputzt. Rote Stola, um den Hals gelegt, sie spielen mit den Geschlechtern, lieben es, Menschen zu verwirren.

      »Nun, meine Lieben, dann nichts wie los! Das ›Cosy‹ ruft.«

      Die Damen setzen sich ihre Männerhüte auf. Der brummende Wagen steht bereit. Charlotta wirft die Wagentür zu, klemmt ihren dicken Körper hinter das Lenkrad, stöhnt leise:

      »Das kann ja wieder eine lange Nacht werden.«

      Aus dem »Cosy« erklingt Musik, noch spielt die Kapelle. Die Stimmung ist heiß im Lokal, es wird getanzt, Zigarettenrauch brennt in den Augen. Aaron hat sich entschlossen, die Nacht zum Tag zu machen, das heißt für ihn: mit allen Konsequenzen. Am Morgen wird er mit Kaffee wieder in Gang kommen.

      »He, Aaron, lange nicht gesehen. Wo treibst du dich denn in letzter Zeit so rum?«

      »Ach Eckbert-Dieter, das Leben fordert mich, aber davon hast du eh keine Ahnung.«

      »Aaron, du wirst auch immer eingebildeter!«

      »Nimmst du deine Hand von meinem Arsch, ich bin nämlich neuerdings glücklich vergeben, große Liebe und so ... aber das kennst du ja nur vom Hörensagen, nun, jeder muss sein Schicksal annehmen, wie es kommt.«

      Aaron bekommt ein Glas mit Champagner in die Hand gedrückt, lässt Eckbert-Dieter stehen, verhindert so, dass seine vergangene Affäre ihn auf die Tanzfläche zieht und zudringlich wird. Die beiden üppigen Frauen tanzen eng umschlungen.

      Die Kapelle räumt lange nach Mitternacht die Instrumente zusammen. Die drei ziehen weiter, in ein anderes Tanzlokal, die Nacht ist noch jung, die Stimmung ausgelassen. Alkohol und Drogen fließen in großen Mengen.

      Zwei Stunden noch, dann muss Aaron im KaDeWe seinen Dienst antreten. Sein Kopf ist schwer. Die Küche in Antons Wohnung ist hell erleuchtet, seine Augen wollen sich nicht gewöhnen, verweigern dem beginnenden Tag den Zutritt. Aspirin liegt vor ihm auf dem Tisch. Der Kessel pfeift, terrorisiert Aarons Ohren. Kaffeeduft verteilt sich im Raum. Zwei Tassen werden gefüllt. Übermüdet verbrennt sich ein champagnerumnebelter, großer Junge seine Lippen am dampfenden Getränk, unterdrücktes Fluchen bricht sich Bahn.

      »Oh Gott, wie soll ich diesen Tag nur hinter mich bringen?«

      Aspirin landet im Mund und wird runtergewürgt. Seine Tasse wird immer wieder mit Kaffee aufgefüllt. Der Badeofen ist schon angeheizt.

      »Willst du ein Bad nehmen? Mit irgendetwas muss ich dich doch auf Vordermann bringen«, sagt Anton.

      Wasser ist eingelassen, Aaron entkleidet sich, rutscht vorsichtig ins heiße Schaumbad, Anton sitzt in einem eleganten Pyjama auf der Toilette.

      Die Tablette beginnt zu wirken, Aaron ist schon wieder voller Tatendrang. »Was hältst du davon, am Wochenende an die Ostsee zu fahren? Wir könnten Herbert fragen, ob er Lust hat, mitzukommen.«

      »Ich glaube, du hast gar nichts mehr mitbekommen ...« Anton erzählt über die letzte Nacht, wie Aaron kaum noch auf die Beine stehen konnte, »... und wolltest unbedingt mit Claire noch vor dem Chicago tanzen ... die Straßenreiniger waren schon unterwegs, wir mussten dich immer wieder überreden, in den Wagen zu steigen«, wie ihre Chauffeurin Charlotta mithelfen wollte, Aaron ins Auto zu bugsieren, sie dabei ausrutschte, ihren Fuß verstauchte und ein Taxi gerufen werden musste, und dass sie zurzeit niemanden habe, der ihren Wagen fahren könnte. »Ich will mich jetzt nicht als Großtante Hildegard aufspielen, aber solltest du dir nicht mal über deinen außergewöhnlichen Champagnerkonsum Gedanken machen?«

      »Nun übertreibe mal nicht ... hin und wieder kann man doch das Leben genießen und über die Stränge schlagen.«

      »Aaron, du redest Quatsch. Willst du nicht Karriere machen? Berühmt sein? Von Kunst machen will ich gar nicht reden. ›Star‹ sein, was immer das auch ist, aber es bedeutet auf jeden Fall, hart zu arbeiten, und wenn ich jetzt ins Detail gehe, ohne Namen nennen zu wollen, weiß ich von Claire, dass Alkohol oder Kokain viele Schauspieler kaputtgemacht haben, die dann in der Gosse gelandet sind.«

      »Jaja, Anton, bist du mit der Gardinenpredigt endlich fertig? Wenn du so weiter meckerst, rufe ich dich bei nächster Gelegenheit mit deinem richtigen Namen auf dem Ku’damm: ›Mechtild!‹«.

      Anton will sich entrüsteten, fängt jedoch herzlich an zu lachen. »Kein Mensch hier in Berlin weiß, dass ich nach dem zweiten Vornamen meiner Patentante heiße ... und das soll auch so bleiben!« Sie steht auf, öffnet das Fenster, damit der Dampf abziehen kann, »du weißt doch ...«, sie dreht sich wieder zu Aaron, »dass sich viele meiner Freundinnen einen Männernamen gewählt haben.«

      Aaron lässt heißes Wasser nachlaufen. »Na wunderbar, da hast du Personal, und wir müssen uns über deren Eskapaden beziehungsweise deren Beinbrüche und was weiß ich noch Gedanken machen.« Er rutscht bis zum Hals in die Wanne. »Unabhängig von Lohnempfängern sollte man sein.« Zwei spitze Knie schauen aus den Schaumbergen heraus. »Na klar, wir machen den Führerschein, das wird super. Abgemacht?«

      »Aaron, du spinnst. Nur weil Charlotta einmal ausgefallen ist. Vielleicht hast du schon mal davon gehört: Von Berlin aus fährt auch die Reichsbahn an die See, oder wir mieten eben eine Fahrerin.«

      »Nein wirklich, Anton, mit der Bahn, das ist zu gewöhnlich. Unabhängig von deiner zweiten Idee können wir das Autofahren lernen, dann lasse ich mich ausnahmsweise auch darauf ein, mit der Bahn an die See zu fahren. Victors Fahrer hat mir eine Fahrschule empfohlen.«