Widerstand bezeichnet dabei ein Phänomen, das auftritt, wenn Mitarbeiter sich nicht so verhalten, wie Führungskräfte, Moderatoren und Mediatoren das erwarten. Die Mitarbeiter wollen etwas nicht klären, nicht verändern, nicht lernen oder lösen. Widerstand ist ein negativ besetzter Begriff. (vgl. Gührs/Nowak, 2014: 280) Der Widerstand fungiert als hemmende Kraft und beeinflusst die Wirkung der Kräfte negativ, die die Einführung der Veränderung normalerweise vorantreiben würden (vgl. Lewin, 1963: 292). Jedoch ist Widerstand, gerade in Veränderungsprozessen, ein normales Phänomen. Der Volksmund sagt deshalb, dass es keine Veränderung gibt, wenn kein Widerstand besteht. (vgl. Gührs/Nowak, 2014: 280)
In Erweiterung der bereits eingeführten Systematik der Kompetenzpfeiler lässt sich die Fähigkeit zum positiven Umgang mit Widerstand auch als Veränderungskompetenz beschreiben. Im Folgenden werden die Ursachen und Ausprägungen von Widerstand beschrieben und es werden Ansätze aufgezeigt, wie Personalentwicklung dazu beitragen kann, Widerstände zu überwinden und Veränderungskompetenz zu entwickeln.
2.3.1 Ursachen von Widerstand
Die meisten Veränderungen sind zunächst unkomfortabel (vgl. Cameron, 2013: 30). Ursachen für Widerstand sind zum einen, dass die Betroffenen Ziele, Hintergründe oder Motive einer Maßnahme nicht verstanden haben. Manchmal haben sie auch verstanden, worum es geht, aber sie glauben nicht, was ihnen gesagt wird. Oder sie haben verstanden und sie glauben das Gesagte auch, aber sie wollen oder können nicht mitgehen, weil sie sich von den vorgesehenen Maßnahmen keine positiven Konsequenzen versprechen. (vgl. Doppler/Lauterburg, 2002: 332)
Die Widerstand leistenden Mitarbeiter sollten auf keinen Fall als irrational oder rein eigennützig angesehen werden (vgl. Ford/Ford, 2009: 99). Die Absicht desjenigen, der Widerstand zeigt, ist es, sich selbst zu schützen. Sträuben sich Menschen gegen sinnvoll erscheinende Maßnahmen, haben sie irgendwelche Bedenken, Befürchtungen oder Angst. Dieses Verhalten ist den Betroffenen selbst oft nicht bewusst. (vgl. Gührs/Nowak, 2014: 280) Deshalb ist zunächst einmal Aufmerksamkeit gefordert im Sinne einer Art Früherkennungswarnsystem für Widerstand. Im Weiteren sollte den Widerstandleistenden Verständnis entgegengebracht werden und es sollte bei den Führungskräften und den Mitarbeitern der Personalentwicklung die Bereitschaft bestehen, aus der Entstehung von und dem Umgang mit Widerstand zu lernen. (vgl. auch Ford/Ford, 2009: 100)
2.3.2 Ausprägungen von Widerstand
Widerstand zeigt sich in vielerlei Gestalt und wird in der Literatur in ebenso vielfältiger Weise besprochen. Gührs und Nowak unterscheiden grundsätzlich zwischen aktiven und passiven Formen des Widerstands.
• Widerstand in seiner aktiven, offensichtlichen Form manifestiert sich im Streiten, indem debattiert, in Frage gestellt und/oder genörgelt wird. Eine solche offensichtliche Form des Widerstands ist das Agitieren, z. B. in Form von Beleidigtsein, Streik und Sabotage.
• Passive Formen des Widerstands sind schwieriger zu erkennen, weil sie eher leise daherkommen, z. B. in Form von Ausweichen, im Sinne von Redefinieren, Bagatellisieren oder Rationalisieren. Zudem zeigt sich passiver Widerstand auch noch im Schweigen, Vergessen und Wegbleiben. (vgl. Gührs/Nowak, 2014: 280)
Die Unterscheidung in aktiven und passiven Widerstand findet sich auch bei Bergmann und Garrecht. Zusätzlich differenzieren sie in verbalen und nonverbalen Widerstand und unterschieden damit vier verschiedene Ausprägungen des Widerstands. (vgl. Bergmann/Garrecht, 2010: 212)
Im Zusammenhang mit Veränderungen wird der Begriff Widerstand von Lauer darüber hinaus in drei weitere Arten von Widerstand unterteilt:
• Grundsätzliche Abneigung gegenüber Unbekanntem: Diese lässt sich psychologisch begründen.
• Reaktanz: Sie lässt sich darauf zurückführen, dass Mitarbeiter aufgrund der Veränderungen Einschränkungen erleben.
• Missverständnis: Kann anhand von Kommunikationsmodellen erklärt werden. (vgl. Lauer, 2014: 53 ff) Widerstand aufgrund von Missverständnissen wird im Konfliktmanagement in Kapitel C 7.2.3 näher betrachtet.
Es ist empfehlenswert, sämtliche genannten Ausprägungen des Widerstands zu berücksichtigen. So muss zur Differenzierung des jeweils vorliegenden Widerstands eine genaue Analyse vorgenommen werden. Die Beantwortung der folgenden Fragen ist notwendig: Handelt es sich um aktiven oder passiven Widerstand? Ist der Widerstand verbal oder nonverbal? Lässt sich der Widerstand gegen die Veränderung mit einer grundsätzlichen Abneigung, mit tatsächlicher Reaktanz oder mit einem Missverständnis in Zusammenhang bringen?
Erst nach dieser Analyse kann überlegt und entschieden werden, welche der im Folgenden genannten Personalentwicklungsmaßnahmen Anwendung finden soll.
2.3.3 Vorbeugung und Überwindung von Widerstand
Michael Reiss hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, wie Widerständen vorgebeugt werden kann und wie bereits entstandene Widerstände überwunden werden können. Dabei liegt der Fokus auf Widerständen, deren Ursachen in der Kommunikation mit den Mitarbeitern, in der Motivation der Mitarbeiter und/oder in der Qualifikation der Mitarbeiter begründet liegen. Er entwickelte die sog. »Change Leadership Services« (Reiss, 2011: 29). Als besonders hilfreich in dem Zusammenhang identifiziert er den Einsatz von Coaching (am besten in der Prävention) und Maßnahmen des Konfliktmanagements (falls es schon zu Widerständen gekommen ist und ein Konflikt entstanden ist).
Kommunikation ist zur Vorbeugung und auch zur Überwindung von Widerstand geeignet, wenn sie die relevanten Informationen empfängergerecht aufbereitet und transportiert. In dem Fall wird von »empfängergerechtem Customizing« (Reiss, 2011: 29) gesprochen.
Mit Hilfe von frühzeitigen, ausführlich gestalteten Informationen kann die Angst der Mitarbeiter vor Veränderungsprozessen deutlich reduziert oder minimiert werden (vgl. Greif u. a., 2004: 193). Angst vor einer Veränderung ganz zu vermeiden, ist ein Ideal, das nicht der Realität entspricht. Veränderungen liegen in der Zukunft, die Ungewissheit mit sich bringt. Die Angst vor der Ungewissheit ist daher in gewissem Maße inhärent. Sicherlich unterscheiden sich Mitarbeiter hinsichtlich der Affinität von Veränderung und Wandel. Ein wichtiger Umstand in der Kommunikation wird häufig vernachlässigt: Gerade in der Veränderung erwarten Mitarbeiter nicht nur Orientierung auf der Sachebene, sondern auch auf der emotionalen Ebene. Mitarbeiter wollen sich auch emotional geschützt fühlen (vgl. Sukowski, 2013: 6).
Seit den 1940er Jahren ist bekannt, dass Widerstand gegenüber Veränderungen vielfach ein Problem der Motivation ist (vgl. Coch/French, 1948: 516). Mitarbeiter können zu Veränderungen motiviert werden (vgl. Reiss, 2011: 29), wenn z. B. positive Anreize gesetzt werden, eine neue Technologie zu nutzen (vgl. Reuter, 2013: 221). Wird den Mitarbeitern ein Mitspracherecht bei der Entscheidung bzw. der konkreten Umsetzung der technologischen Neuerung gewährt, so hat das einen positiven Einfluss auf die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter (vgl. Kraus u. a., 2010: 108 ff). Ebenfalls eine motivierende Wirkung hat es, wenn die Mitarbeiter während des Veränderungsprozesses durch Teamentwicklungsmaßnahmen geeignet unterstützt werden (vgl. Reuter, 2013: 221). Auch so kann Widerstand minimiert werden. Die Teamentwicklung wird in Kapitel B.6 ausführlich thematisiert.
Durch Qualifikation werden den Mitarbeitern Fähigkeiten und Fertigkeiten in der Anwendung neuer Technologien vermittelt, die für den erfolgreichen Umgang mit Veränderung erforderlich sind (vgl. Reiss, 2011: 29 und Kotter/Schlesinger, 1979: 109). Damit kann die Entstehung von Widerständen ebenfalls deutlich minimiert werden.
Der Einsatz von Coaching kann bei der Überwindung von Widerständen besonders hilfreich sein. Coaching zeichnet sich dadurch aus, dass – im Gegensatz zur klassischen Beratung – der Fokus darauf liegt, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Im Coaching werden den Mitarbeitern, die Schwierigkeiten haben, mit Veränderungen