Hofräte, Einflüsterer, Spin-Doktoren. Manfred Matzka. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Manfred Matzka
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783710604959
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sucht. Die mögliche Vereinigung des direkt an der Ostgrenze gelegenen Territoriums mit den Habsburger Ländereien ruft vor allem den französischen Minister Kardinal de Fleury auf den Plan. Bartenstein gewinnt ihn mit der Idee, dass Franz Stephan sein Herzogtum im Tausch gegen die Toskana an Frankreich abtreten werde. Als der Lothringer, der nicht in die Verhandlungen eingebunden war, zögert, macht ihm Bartenstein kurz und bündig klar: „Keine Abtretung, keine Erzherzogin!“

      Damit ist die Heirat unter Dach und Fach. Sie findet 1737 in Wien statt, es folgt ein überaus reicher Kindersegen und 1745 wird der Lothringer Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Diese diplomatische Glanzleistung sichert Bartenstein die lebenslange Loyalität Habsburgs. Nebenbei fädelt er auch noch die Ehe der zweiten Kaisertochter Marianne mit dem jüngeren Bruder Franz Stephans ein.

      Weniger erfolgreich ist der Berater bei anderen außenpolitischen Analysen und Entscheidungen. Seine Empfehlung, Österreich solle an der Seite Russlands gegen die Türken 1737 in den Krieg eintreten, führt zu einer empfindlichen Niederlage.

      Der nobilitierte Bürgersohn ist eine Schlüsselperson am Hof geworden. Sogar altehrwürdige Adelige bemühen sich um seine Gunst und Unterstützung. Gleichzeitig zieht der Emporkömmling aus Straßburg deren Neid und Misstrauen auf sich. In diesen Spannungen ist Bartenstein wenig zimperlich und kein angenehmer Höfling. Wenn ihm besonders Hochgestellte entgegentreten, sorgt er gerne dafür, dass sie den Kürzeren ziehen. Man erzählt, er habe den Bischof von Bamberg, Friedrich Karl Graf Schönborn, um seinen Posten als Reichsvizekanzler gebracht, weil dieser in der geheimen Konferenz zu sagen wagte, das Amt des Sekretärs sei zu schreiben und nicht zu reden. Auch Feldmarschall Joseph Lothar Graf Königsegg musste fast abdanken, nachdem er dem Kaiser riet, „militärische Angelegenheiten lieber seinen Generalen als seinen Schreibern anzuvertrauen“.

      Auch in der öffentlichen Meinung ist Bartenstein nicht beliebt. Da er als des Kaisers einflussreichster Ratgeber gilt, wird er für alles verantwortlich gemacht, was unter Karls Regierung schiefläuft – und das ist in seinem letzten Jahrzehnt eher viel. „Die Hauptschuld hievon wurde auf Bartensteins Schultern gewälzt“, schreibt 1871 der Historiker Alfred Ritter von Arneth, „und viele wiesen darauf hin, wie sein Eintritt in jene einflussreiche Stellung so ziemlich mit dem Zeitpunkt zusammenfiel, in welchem der Glücksstern Karls VI. nach und nach zu erbleichen begann. Insbesondere soll er den Kaiser (…) zu all den Opfern verleitet haben, welche gebracht wurden, um sie zur Gewährleistung der Pragmatischen Sanktion zu bewegen, während doch ein Teil dieser Mächte gleich nach des Kaisers Tod dieselbe offen verletzte.“

      Als Karl 1740 unerwartet stirbt, wähnen viele Feinde Bartensteins das Ende seiner Macht. Sein Verhältnis zu Thronfolgerin Maria Theresia ist nicht besonders eng, vor allem aber teilt auch sie die Meinung, er trage die Hauptschuld an der unheilvollen Entwicklung der vergangenen Jahre. Doch sieht die junge Königin auch, dass sie einen Routinier als Berater braucht, und Bartenstein stärkt ihr als Einziger am Hof sofort und uneingeschränkt den Rücken. „Alle meine Mitarbeiter ließen, statt mir Mut zuzusprechen, diesen gänzlich sinken, taten sogar, als ob die Lage gar nicht verzweifelt wäre. Ich allein war es, die in allen diesen Drangsalen noch am meisten Mut bewahrte“, schreibt sie in ihrem politischen Testament. Allein Bartenstein, gegen den allseits heftig intrigiert wird, habe sie im Gewirr der Meinungen unterstützt, sie „unvergleichlich souteniret“, und „die Gemüter zu präparieren gewusst“. In dieser Krise und Bedrängnis will und kann die Regentin nicht auf seine Dienste, seine kräftige Stütze, Fähigkeiten und Kenntnisse, seinen festen Charakter und seine unbeugsame Treue zu Habsburg verzichten.

      Bartenstein nutzt dabei sein Talent, Menschen richtig einzuschätzen. Er enthält sich jeder Schmeichelei, weil er weiß, dass Maria Theresia das durchschaut, und jeder Bevormundung, um sie nicht „durch einen in hofmeisterischem Ton gegebenen Rat zu verletzen, sie ihre Unerfahrenheit fühlen zu lassen. Da er sie allzu geneigt sah, ihrem eigenen Urteil zu misstrauen, trachtet er darnach, sie mit Selbstgefühl zu durchdringen und sie dazu zu bewegen, auch manchmal unbekümmert um ihre Minister Entschlüsse zu fassen und auszuführen.“ In kurzer Zeit wird das und sein unglaublicher Arbeitseinsatz von der Königin anerkannt. Schlau betont er immer wieder, er allein sei es gewesen, der die Heirat mit dem spanischen Infanten verhindert hatte. Gleichzeitig wendet er alle Kraft auf, um die Mitregentschaft Franz Stephans politisch durchzusetzen; und er ist in den schwersten Stunden der Niederlagen gegen Preußen immer zur Stelle.

      Ihre ersten Regierungsjahre sind auch die schwierigsten Jahre in Bartensteins politischem Wirken als Ratgeber. Als die habsburgische Monarchie sowohl durch den preußischen Einmarsch in Schlesien als auch infolge der durch Frankreich unterstützten Angriffe Bayerns und Sachsens in eine existenzielle Krise gerät, steht der Freiherr „ungebeugten Sinnes“ zu Monarchie und Monarchin, die er auch darin bestärkt, Gebietsabtretungen strikt abzulehnen und auf der Unteilbarkeit ihrer Länder zu beharren. Er rät dazu, sich Friedrich von Preußen militärisch entgegenzustellen. Er verfasst die Kriegserklärung an Frankreich 1741. Er ist während der Schlesischen Kriege der wichtigste politische Publizist der Hofburg und vertritt den Rechtsstandpunkt Habsburgs in zahlreichen Druckschriften, die er über die Gesandtschaften in Tausenden Exemplaren verbreiten lässt.

      In dieser Zeit wird viel konzipiert, geschrieben, kopiert und expediert in der Staatskanzlei am Ballhausplatz. Bartenstein beklagt erstmals die ständig wachsende Fülle an täglicher Routinearbeit, mit der jedoch keine Personalvermehrung einhergeht. Da er seine Aufgaben lieber im Alleingang erledigt, ist er Tag und Nacht im Hochparterre anzutreffen. Doch die Entscheidungen fallen ab 1740 auf dem Felde: Die schlecht ausgerüsteten, miserabel bezahlten und inkompetent geführten Truppen Österreichs erleiden gegen Preußen eine Niederlage nach der anderen. Bartenstein unterläuft der strategische Fehler, viel zu lange darauf gehofft zu haben, dass Frankreich neutral bleibe. Doch Ludwig XV. tritt bereits nach wenigen Monaten aufseiten Preußens in den Krieg ein. Im Oktober 1741 muss ein schmählicher Waffenstillstand geschlossen werden.

      In dieser dramatischen Zeit stirbt auch noch Kanzler Philipp Ludwig Graf Sinzendorf am 8. Februar 1742. Bartenstein macht sich Hoffnungen auf die Nachfolge, hat er doch in den letzten Jahren des Ministers das Außenamt de facto geführt. Die Monarchin aber denkt in Standeskategorien: Nachfolger kann nicht der Bürgersohn Bartenstein werden, sondern nur ein Diplomat von hohem Adelsrang. Als der Freiherr das erkennt, macht er sich auf die Suche nach einer möglichst schwachen Kanzlerpersönlichkeit und findet Anton Corfiz Graf Ulfeldt, den er Maria Theresia erfolgreich präsentiert.

      Damit hat er die zweitbeste Lösung für sich erreicht: Er muss sich jetzt zwar formell auf seine Funktion als Sekretär der Geheimen Konferenz stützen, bleibt aber weiterhin die graue Eminenz am Ballhausplatz, da ihm sein Chef, eine matte Figur, großen Gestaltungsraum in der Außenpolitik lässt. Natürlich kränkt es ihn, dass er nicht als Minister ins Palais einziehen kann, sondern in seinem Privathaus in der Bäckerstraße wohnen bleiben muss. Doch er ist Profi und lässt sich das nicht anmerken. Nur im Amtskalender achtet er pedantisch darauf, gleich neben dem Ressortchef genannt zu werden.

      Gegenüber den geschniegelten Diplomaten bei Hofe ist der Freiherr weiterhin wenig verbindlich. Daher sind auch deren Urteile über ihn alles andere als schmeichelhaft. Der venezianische Botschafter Foscari beschreibt ihn als „eine eher skurrile Gestalt, ein typischer deutscher Rechtsgelehrter, dem es an jeglicher sozialer Kompetenz fehlt und dessen schriftlicher Ausdruck sich durch einen furchtbaren Stil auszeichnet“. Der Preußische Botschafter Podewil wird sogar untergriffig: Bartenstein sei klein gewachsen „und seine Manieren sind die eines Emporkömmlings. Die Leute von Geburt nachäffend hat er dadurch eine impertinente Haltung angenommen. Er stellt sich als Schönredner hin, bemächtigt sich immer des Gespräches, will überall der Erste sein, schreit wie ein Adler, spielt den Kurzweiligen, behandelt Personen vom vornehmsten Range vertraulich und erlaubt sich gegen sie dasselbe Benehmen wie gegen Seinesgleichen. Mit einem Wort, er ist ein pedantischer Geck.“

      Doch