Der Raubgraf. Julius Wolff. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julius Wolff
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783961183517
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mir doch nicht sagen, sie käme nicht?«

      »Ich wollte, ich brauchte es Euch nicht zu sagen, hochwürdigster Herr,« entgegnete der Stiftshauptmann etwas kleinlaut.

      »Sie kommt nicht?!« wiederholte der Bischof mit strafendem Blick, jedes Wort laut betonend.

      Willekin schüttelte langsam das Haupt.

      Der Bischof machte einen Gang durch das Zimmer, seine Erregung zu bekämpfen. Dann blieb er halb abgewandt mit verschränkten Armen stehen und warf hochmütig über die Schulter: »Ich werde doch erfahren, womit sie ihr Ausbleiben entschuldigen will, Herr Stiftshauptmann?«

      Der andere zögerte mit der Antwort und sagte dann: »Hochwürdigster Herr, – es sind Bedenken und notwendige Rücksichten, welche die gnädige Frau bestimmen, – der Heilige Vater ist der geistliche Oberherr, und –«

      »Hahaha! also darum!« lachte der Bischof, »weil das hochheilige Kollegium Papst Johanns, das in seiner babylonischen Gefangenschaft zu Avignon sich so lustige Tage macht, mir seinen Segen versagt! – Ein so zartes Gewissen hätte ich unserer schönen Schwester Jutta nicht zugetraut. Nun, ich hoffe, die scrupuli werden noch zu besiegen sein.«

      »Ich bezweifle es, gnädigster Herr!«

      »Wie? weil ich als deutscher Kirchenfürst mich unter die Vormundschaft des bis zur Machtlosigkeit heruntergekommenen Papstes nicht bücken und beugen, sondern meine Herrlichkeit und Freiheit, mein eigen Regiment und Willen mir wahren will, darum, darum verweigert mir die Äbtissin eines freiweltlichen Stiftes, selber eine reichsunmittelbare Fürstin, die nachbarliche Höflichkeit?« eiferte der Bischof mit unwilligem Erstaunen. »Herr Stiftshauptmann, das ist nicht der wahre Grund.«

      »Und weiß kaum, hochwürdiger Herr, wie ich es Euch –«

      »O besinnt Euch nur! Ihr wisst noch einen anderen,« unterbrach ihn der Bischof mit spottender Überlegenheit und fügte, da keine Antwort erfolgte, herrisch hinzu: »Seht mir ins Gesicht, Herr Willekin von Herrkestorf! kommen diese Bedenken aus der Äbtissin eigener Seele?«

      »Nun denn, – nein, durchlauchtiger Herr!« antwortete der in die Enge Getriebene entschlossen.

      »Aha! nicht, wirklich nicht! So will ich es Euch sagen, Herr Stiftshauptmann, woher sie stammen: der Wind weht vom Regenstein, der ihr den nichtigen Einwand, haltlos wie Nebeldunst, zugeblasen hat. Der Graf war bei Euch!«

      Der Stiftshauptmann nickte.

      Der Bischof, die zusammengekrampften Hände im Rücken, schritt heftig auf und nieder.

      »Erzählt!« befahl er zornbebend.

      »Ich hatte in Gegenwart der Pröpstin Kunigunde Gräfin von Woldenberg von unserer gnädigen Frau schon den Befehl erhalten, Euch ihre und ihres ganzen Kapitels freudige Teilnahme an Eurem hohen Feste anzukündigen. Da kam Graf Albrecht, sagte uns seinen Streit mit Euch, hochwürdiger Herr, und –«

      »– und brachte Eure wankelmütige Domina im Handumdrehen dazu, mir abzusagen,« ergänzte der Bischof in höchster Erbitterung. »O, ich höre ihn, ich sehe ihn dabei, und er soll es nicht umsonst getan haben!«

      »Ihr habt alles erraten, hochwürdigster Herr,« sagte der Stiftshauptmann, »ich habe Euch –«

      »Ihr habt mir nichts gesagt; nein, nein! Nur, wie ihr wollt, wie ihr wollt, Herr Graf und Frau Äbtissin! – Hört jetzt meine Antwort, Herr Stiftshauptmann! Meldet Eurer gnädigen Frau mein tiefes Bedauern über ihren mir schmerzlichen Entschluss und meinen Wunsch, dass sie der Heilige Vater in Avignon segnen möge, wenn er gerührt ihre Demut vor seiner Erhabenheit erfährt.« Der Bischof sprach es mit einem Lächeln um die geschweiften Lippen, das etwas Unheimliches hatte; zwischen seinen Brauen zeigte sich eine böse Falte, und sein Gesicht schien noch bleicher als zuvor. Er schritt zum Tische und läutete mit einer kleinen Glocke, die einen schrillen, rasselnden Klang gab.

      Der junge Kleriker trat ein und entfernte sich wieder, nachdem der Bischof ihm einen leisen Befehl erteilt hatte.

      Darauf wandte sich der Bischof wieder zu seinem Gaste, und die beiden Herren blickten sich an, als erwartete jeder vom andern eine Frage oder das erste Wort zur Anknüpfung eines neuen Gesprächs.

      Aber der Bischof sagte nur, indem er sich selber niederließ: »Nehmt einen Sessel, Herr Stiftshauptmann, und lasst mich Erfreuliches hören von Handel und Wandel der guten Stadt Quedlinburg.«

      Der Stiftshauptmann sprach, nachdem er sich dem Bischof gegenüber gesetzt hatte: »Hochwürdiger Herr, ich habe noch einen andern Auftrag an Euch.«

      Der Bischof schwieg und lauerte.

      »Vom Bürgermeister Nikolaus von Bekheim,« fuhr Herr Willekin fort, den Bischof dabei scharf ins Auge fassend.

      »Vom Bürgermeister? an mich?« frug der Bischof sehr verwundert.

      Der Stiftshauptmann, der schon von der hochmütigen Art und Weise, mit der ihn der Bischof bis jetzt behandelt hatte, wenig erbaut war, fühlte sich durch das erheuchelte Erstaunen, das in der Frage lag, verletzt und erwiderte ziemlich unwirsch: »Gnädigster Herr, Ihr dürft mir vertrauen! ich bin vollkommen eingeweiht. Also mit einem Worte: der Rat nimmt das Bündnis mit Euch an.«

      Über des Bischofs Gesicht fuhr ein Strahl der Freude. Aber schnell bezwang er die unwillkürliche Regung und sagte gelassen: »Verzeiht mir, Herr von Herrkestorf! aber das ist ein Geheimnis, in dessen Besitz ich nicht gerade Euch vermutete.«

      Herr Willekin verstand und sprach darauf noch mehr gereizt: »Dann vergesst Ihr, hochwürdiger Herr, dass ich nicht bloß Stiftshauptmann, sondern auch altangesessener Bürger meiner Stadt bin. Übrigens plant Ihr ja in Eurem Bunde nichts Ungebührliches gegen meine gnädige Frau, die Äbtissin, in welchem Falle ich allerdings nicht den Boten und Bringer so heimlicher Kunde machen würde.«

      »Ich danke Euch, Herr!« erwiderte der Bischof kühl. »Nimmt der Rat meine Bedingungen strikt an?«

      »Mit den meisten Eurer – Vorschläge ist er einverstanden, wünscht aber eine deutlichere Bestimmung der in gewissen Fällen von Euch zu erwartenden Hilfeleistungen und verlangt einen Austausch bindender Schriftstücke.«

      »Also nochmalige Verhandlung!« murrte der Bischof. »Nun meinetwegen; so sendet mir Eure Bevollmächtigten.«

      »Hierher, nach Halberstadt? Das würde nicht ohne einiges Aufsehen, nicht ohne Wissen desjenigen geschehen können, gegen den unser Schutz- und Trutzbündnis eigentlich gerichtet ist. Der Regensteiner hat überall seine Kundschafter, erst heute, auf dem Ritt hierher, haben sie mich umstellt.»

      »Ihr habt recht; aber wie könnte es anders geschehen?«

      »Schickt uns Eure Schrift durch einen unverdächtigen Boten und empfanget dagegen die unsrige auf demselben Weg und an demselben Tage zurück.«

      »Mag es sein, wie Ihr sagt,« sprach der Bischof nach kurzem Bedenken und erhob sich. »Also, Herr Stiftshauptmann, das Bündnis zwischen mir und der Stadt Quedlinburg ist geschlossen.«

      »So gut wie geschlossen, hochwürdigster Herr!« erwiderte der Stiftshauptmann und schlug in des Bischofs dargebotene Rechte.

      »Überbringt den wohledlen Herren im Rate meinen freundlichen Gruß, Herr Willekin von Herrkestorf,« sagte der Bischof, »und vergesst nicht, was Ihr Eurer gnädigen Frau von mir bestellen sollt.«

      Dann winkte er dem Gaste, der ihm eine so widerwärtige und eine so willkommene Botschaft gebracht hatte, gnädig Entlassung.

      Als der Stiftshauptmann den bischöflichen Palast mit seinen drückenden Mauern und dumpfigen Wölbungen hinter sich hatte und aus der tiefen Dämmerung des Außentores in den hellen Sonnenschein hinaustrat, wo gegenüber die Türme des wunderherrlichen Domes, noch unvollendet zwar und mit Baugerüsten umgeben, schon hoch und schlank zum blauen Himmel empor ragten, atmete er erleichtert auf. Gedankenvoll, aber nicht unbefriedigt von der Unterredung ging er dahin. Er hatte seinem Gegner, dem Grafen Albrecht, beim Bischofe etwas eingeheizt, brachte seiner gnädigen Äbtissin eine wohlverdiente Rüge für ihren Wankelmut heim, hatte dem