Ludwig van Beethoven: Ich lebe nur in meinen Noten. Людвиг ван Бетховен. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Людвиг ван Бетховен
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783843806497
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      Wien am 8. April 1802.

      Reit euch denn der Teufel insgesammt meine Herren – mir vorzuschlagen eine solche Sonate zu machen? – Zur Zeit des Revolutionsfiebers – nun da wäre das so etwas gewesen, aber jetzt da sich alles wieder ins alte Geleis zu schieben sucht, Buonaparte mit dem Pabste das Concordat geschlossen – so eine Sonate? – Wärs noch eine Missa pro sancta Maria à tre voci oder eine Vesper etc. – nun da wollt ich gleich den Pinsel in die Hand nehmen und mit großen Pfundnoten ein Credo in unum hinschreiben, – aber du lieber Gott eine solche Sonate zu diesen neu angehenden christlichen Zeiten – hoho! – das laßt mich aus, da wird nichts daraus.

      Nun im geschwindesten Tempo meine Antwort. Die Dame kann eine Sonate von mir haben, auch will ich in ästhetischer Tonarten zu befolgen – den Preis um 5 Duc. – dafür kann sie dieselbe ein Jahr für sich zu ihrem Genuß behalten, ohne daß weder ich noch sie dieselbe herausgeben darf. Nach dem Verlauf dieses Jahres ist die Sonate nur mein zu – d. h. ich kann und werde sie herausgeben und sie kann sich allenfalls, wenn sie glaubt darin eine Ehre zu finden, sich ausbitten daß ich ihr dieselbe widme.

      Jetzt behüt euch Gott ihr Herren.

      Meine Sonate ist schön gestochen, doch hat’s hübsch lange gedauert. Mein Septett schickt ein wenig geschwinder in die Welt weil der P … darauf harrt – und ihr wißts die Kaiserin hats und … gibts in der K. Stadt wie … ich stehe euch darin für nichts gut, – darum sputet euch. Herr … hat wieder neuerdings meine Quartettensage voller Fehler und Errata in großer und kleiner Manier herausgegeben, sie wimmeln darin wie die Fische im Wasser d. h. ins Unendliche. – Questo è un piacere per un autore – das heiß ich stechen, in Wahrheit meine Haut ist ganz voller Stiche und Risse über diese schönen Auflagen meiner Quartetten.

      Jetzt lebt wohl und gedenkt meiner wie ich Eurer. Bis in den Tod Euer treuer

      – L. v. Beethoven.

       Testament.

      Für meine Brüder Carl und Johann Beethoven.

      O ihr Menschen, die ihr mich für feindselig, störrisch oder misanthropisch haltet oder erkläret, wie unrecht thut ihr mir, ihr wißt nicht die geheime Ursache von dem, was euch so scheinet! Mein Herz und mein Sinn waren von Kindheit an für das zarte Gefühl des Wohlwollens. Selbst große Handlungen zu verrichten, dazu war ich immer aufgelegt. Aber bedenket nur, daß seit sechs Jahren ein heilloser Zustand mich befallen, durch unvernünftige Ärzte verschlimmert, von Jahr zu Jahr in der Hoffnung gebessert zu werden betrogen, endlich zu dem Überblick eines dauernden Übels (dessen Heilung vielleicht Jahre dauern oder gar unmöglich ist) gezwungen. Mit einem feurigen lebhaften Temperamente geboren, selbst empfänglich für die Zerstreuungen der Gesellschaft, mußte ich früh mich absondern, einsam mein Leben zubringen; wollte ich auch zuweilen mich einmal über alles das hinaussetzen, o wie hart wurde ich durch die verdoppelte traurige Erfahrung meines schlechten Gehörs dann zurückgestoßen, und doch war’s mir noch nicht möglich, den Menschen zu sagen: sprecht lauter, schreit, denn ich bin taub! Ach wie wäre es möglich, daß ich die Schwäche eines Sinnes angeben sollte, der bei mir in einem vollkommenern Grade als bei Andern sein sollte, einen Sinn, den ich einst in der größten Vollkommenheit besaß, in einer Vollkommenheit, wie ihn wenige von meinem Fache gewiß haben noch gehabt haben! – O ich kann es nicht! – Drum verzeiht, wenn ihr mich da zurückweichen sehen werdet, wo ich mich gern unter euch mischte. Doppelt wehe thut mir mein Unglück, indem ich dabei verkannt werden muß. Für mich darf Erholung in menschlicher Gesellschaft, feineren Unterredungen, wechselseitigen Ergießungen nicht Statt haben. Ganz allein fast und so viel als es die höchste Nothwendigkeit fordert, darf ich mich in Gesellschaft einlassen. Wie ein Verbannter muß ich leben. Nahe ich mich einer Gesellschaft, so überfällt mich eine heiße Ängstlichkeit, indem ich befürchte, in Gefahr gesetzt zu werden meinen Zustand merken zu lassen. – So war es denn auch dieses halbe Jahr, was ich auf dem Lande zubrachte. Von meinem vernünftigen Arzte aufgefordert, so viel als möglich mein Gehör zu schonen, kam er fast meiner jetzigen Disposition entgegen, obschon, vom Triebe zur Gesellschaft manchmal hingerissen, ich mich dazu verleiten ließ. Aber welche Demüthigung, wenn Jemand neben mir stand, und von weitem eine Flöte hörte und ich nichts hörte, oder Jemand den Hirten singen hörte, und ich auch nichts hörte! Solche Ereignisse brachten mich nahe an Verzweiflung, und es fehlte wenig, und ich endigte selbst mein Leben. Nur sie, die Kunst, sie hielt mich zurück! Ach es dünkte mir unmöglich, die Welt eher zu verlassen, bis ich das alles hervorgebracht, wozu ich mich aufgelegt fühlte. Und so fristete ich dieses elende Leben, so wahrhaft elend, daß mich eine etwas schnelle Veränderung aus dem besten Zustand in den schlechtesten versetzen kann. Geduld – so heißt es, sie muß ich nun zur Führerin wählen! Ich habe es. – Dauernd, hoffe ich, soll mein Entschluß sein, auszuharren, bis es den unerbittlichen Parzen gefällt, den Faden zu brechen. Vielleicht geht es besser, vielleicht nicht. Ich bin gefaßt. – Schon in meinem 28. Jahre gezwungen Philosoph zu werden. Es ist nicht leicht, für den Künstler schwerer als für irgend Jemand. – Gottheit du siehst herab auf mein Inneres, du kennst es, du weißt, daß Menschen liebe und Neigung zum Wohlthun darin hausen! O Menschen, wenn ihr einst dieses leset, so denkt, daß ihr mir unrecht gethan, und der Unglückliche, er tröste sich einen seines Gleichen zu finden, der trotz allen Hindernissen der Natur doch noch Alles gethan, was in seinem Vermögen stand, um in die Reihe würdiger Künstler und Menschen aufgenommen zu werden. – Ihr meine Brüder Carl und Johann – sobald ich todt bin und Professor Schmidt lebt noch, so bittet ihn in meinem Namen, daß er meine Krankheit beschreibe, und dieses hier geschriebene Blatt füget ihr dieser meiner Krankengeschichte bei, damit wenigstens so viel als möglich die Welt nach meinem Tode mit mir versöhnt werde. Zugleich erkläre ich euch Beide hier für die Erben des kleinen Vermögens (wenn man es so nennen kann) von mir. Theilet es redlich und vertragt und helft euch einander. Was ihr mir zuwider gethan, das wißt ihr, war euch schon längst verziehen. Dir Bruder Carl danke ich noch insbesondere für deine in dieser letztern Zeit mir bewiesene Anhänglichkeit. Mein Wunsch ist, daß euch ein besseres, sorgenloseres Leben als mir werde. Empfehlt euren Kindern Tugend; sie nur allein kann glücklich machen, nicht Geld. Ich spreche aus Erfahrung. Sie war es, die mich selbst im Elende gehoben; ihr danke ich nebst meiner Kunst, daß ich durch keinen Selbstmord mein Leben endigte. – Lebt wohl und liebet euch! – Allen Freunden danke ich, besonders Fürst Lichnowsky und Professor Schmidt. – Die Instrumente von Fürst L. wünsche ich, daß sie doch mögen aufbewahrt werden bei einem von euch; doch entstehe deswegen kein Streit unter euch. Sobald sie euch aber zu etwas Nützlicherem dienen können, so verkauft sie nur. Wie froh bin ich, wenn ich auch noch im Grabe euch nützen kann.

      So war’s geschehen: – Mit Freuden eile ich dem Tode entgegen. Kommt er früher, als ich Gelegenheit gehabt habe, noch alle meine Kunstfähigkeiten zu entfalten, so wird er mir, trotz meinem harten Schicksale doch noch zu früh kommen, und ich würde ihn wohl später wünschen; doch auch dann bin ich zufrieden, befreit er mich nicht von einem endlosen leidenden Zustande. – Komm wann du willst, ich gehe dir muthig entgegen. Lebt wohl und vergeßt mich nicht ganz im Tode, ich habe es um euch verdient, indem ich in meinem Leben oft an euch gedacht, euch glücklich zu machen; seid es!

      Heiligenstadt am 6. October 1802.

      Ludwig van Beethoven.

      [Außen.] – Heiligenstadt am 10. October 1802.

      So nehme ich denn Abschied von Dir – und zwar traurig. – Ja die geliebte Hoffnung, die ich mit hieher nahm, wenigstens bis zu einem gewissen Punkte geheilet zu seyn, sie muß mich nun gänzlich verlassen. Wie die Blätter des Herbstes herabfallen, gewelkt sind, so ist auch sie für mich dürre geworden. Fast wie ich hierher kam, gehe ich fort; selbst der hohe Muth, der mich oft in den schönen Sommertagen beseelte, er ist verschwunden. O Vorsehung, laß einmal einen reinen Tag der Freude mir erscheinen! So lange schon ist der wahren Freude inniger Wiederhall mir fremd. Wann, o wann, o Gottheit! kann ich im Tempel der Natur und der Menschen ihn wieder fühlen? – Nie? – nein es wäre zu hart!

      [Außen:] Für meine Brüder Carl und Johann nach meinem Tode zu lesen und zu vollziehen.

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