Um Dir einen Begriff von dieser wunderbaren Taubheit zu geben, so sage ich Dir, daß ich mich im Theater ganz dicht am Orchester anlehnen muß, um den Schauspieler zu verstehen. Die hohen Töne von Instrumenten, Singstimmen, wenn ich etwas weit weg bin, höre ich nicht; im Sprechen ist es zu verwundern, daß es Leute giebt, die es niemals merkten; da ich meistens Zerstreuungen hatte, so hält man es dafür. Manchmal auch hör ich den Redenden, der leise spricht, kaum, ja die Töne wohl, aber die Worte nicht; und doch sobald Jemand schreit ist es mir unausstehlich. Was es nun werden wird, das weiß der liebe Himmel. Vering sagt, daß es gewiß besser werden wird, wenn auch nicht ganz. Ich habe schon oft – mein Dasein verflucht; Plutarch hat mich zu der Resignation geführt. Ich will, wenn’s anders möglich ist, meinem Schicksale trotzen, obschon es Augenblicke meines Lebens geben wird, wo ich das unglücklichste Geschöpf Gottes sein werde. Ich bitte Dich, von diesem meinem Zustande niemanden, auch nicht einmal der Lorchen etwas zu sagen, nur als Geheimniß vertrau ich Dir’s an; lieb wäre mir’s, wenn Du einmal mit Vering darüber briefwechseltest. Sollte mein Zustand fortdauern, so komme ich künftiges Frühjahr zu Dir; Du miethest mir irgend in einer schönen Gegend ein Haus auf dem Lande, und dann will ich ein halbes Jahr ein Bauer werden. Vielleicht wird’s dadurch geändert. Resignation! welches elende Zufluchtsmittel, und mir bleibt es doch das einzig übrige! Du verzeihst mir doch, daß ich Dir in Deiner ohnedies trüben Lage noch auch diese freundschaftliche Sorge aufbinde. Steffen Breuning ist nun hier und wir sind fast täglich zusammen; es thut mir so wohl die alten Gefühle wieder hervorzurufen. Er ist wirklich ein guter herrlicher Junge geworden, der was weiß, und das Herz, wie wir alle mehr oder weniger auf dem rechten Fleck hat.
Ich habe eine sehr schöne Wohnung jetzt, welche auf die Bastey geht und für meine Gesundheit einen doppelten Werth hat. Ich glaube wohl, daß ich es werde möglich machen können, daß Breuning zu mir komme. Deinen Antiochum sollst Du haben, und auch noch recht viele Musikalien von mir, wenn Du anders nicht glaubst, daß es Dich zu viel kostet. Aufrichtig, deine Kunstliebe freut mich doch noch sehr. Schreibe mir nur, wie es zu machen ist, so will ich Dir alle meine Werke schicken, das nun freilich eine hübsche Zahl ist, und die sich täglich vermehrt. – Statt des Portraits meines Großvaters, welches ich Dich bitte, mir sobald als möglich mit dem Postwagen zu schicken, schicke ich Dir das seines Enkels, Deines Dir immer guten und herzlichen Beethoven, welches hier bei Artaria, die mich darum oft ersuchten, so wie viele andere, auch Kunsthandlungen, herauskommt. Stoffeln will ich nächstens schreiben und ihm ein wenig den Text lesen über seine störrige Laune. – Ich will ihm die alte Freundschaft recht ins Ohr schreien, er soll mir heilig versprechen, euch in euren ohnedies trüben Umständen nicht noch mehr zu kränken. Auch der guten Lorchen will ich schreiben. Nie habe ich einen unter euch lieben Guten vergessen, wenn ich auch gar nichts von mir hören ließ: aber Schreiben, das weißt Du, war nie meine Sache; auch die besten Freunde haben jahrelang keine Briefe von mir erhalten. Ich lebe nur in meinen Noten, und ist das eine kaum da, so ist das andere schon angefangen. So wie ich jetzt schreibe, mache ich oft drei, vier Sachen zugleich. – Schreibe mir jetzt öfter; ich will schon Sorge tragen, daß ich Zeit finde, Dir zuweilen zu schreiben. Grüße mir alle, auch die gute Frau Hofräthin und sag ihr, daß ich noch zuweilen einen »raptus han.« – Was K. angeht, so wundere ich mich gar nicht über deren Veränderung. Das Glück ist kugelrund und fällt daher natürlich nicht immer auf das Edelste, das Beste. – Wegen Ries, den mir herzlich grüße, ein Wort; was seinen Sohn anbelangt, will ich Dir näher schreiben, obschon ich glaube, daß, um sein Glück zu machen, Paris besser als Wien sei; Wien ist überschüttet mit Leuten, und selbst dem besten Verdienst fällt es dadurch hart, sich zu halten. Bis den Herbst oder bis zum Winter werde ich sehen, was ich für ihn thun kann, weil dann alles wieder in die Stadt eilt. – Leb wohl guter, treuer Wegeler! Sei versichert von der Liebe und Freundschaft
Deines
Beethoven.
An Matthison.
Verehrungswürdigster!
Sie erhalten hier eine Composition von mir, welche bereits schon einige Jahre im Stich heraus ist und von welcher Sie viel leicht zu meiner Schande noch gar nichts wissen. Mich entschuldigen und sagen, warum ich Ihnen etwas widmete, was so warm von meinem Herzen kam und Ihnen gar nichts davon bekannt machte, das kann ich nicht, vielleicht dadurch, daß ich anfänglich Ihren Aufenthalt nicht wußte, zum Theil auch wieder meine Schüchternheit, daß ich glaubte, mich übereilt zu haben, Ihnen etwas gewidmet zu haben, wovon ich nicht wußte ob es Ihren Beifall hätte. Zwar auch jetzt schicke ich Ihnen die Adelaide mit Ängstlichkeit. Sie wissen selbst, was einige Jahre bei einem Künstler, der immer weiter geht, für eine Veränderung hervorbringen; je größere Fortschritte in der Kunst man macht, desto weniger befriedigen einen seine ältern Werke. Mein heißester Wunsch ist befriedigt, wenn Ihnen die musikalische Composition Ihrer himmlischen Adelaide nicht ganz mißfällt und wenn Sie dadurch bewogen werden, bald wieder ein ähnliches Gedicht zu schaffen, und fänden Sie meine Bitte nicht unbescheiden, es mir sogleich zu schicken, und ich will dann alle meine Kräfte aufbieten, Ihrer schönen Poesie nahe zu kommen. – Die Dedication betrachten Sie theils als ein Zeichen des Vergnügens, welches mir die Composition Ihrer A. gewährte, theils als ein Zeichen meiner Dankbarkeit und Hochachtung für das selige Vergnügen was mir Ihre Poesie überhaupt immer machte und noch machen wird.
Wien 1800 am 4ten August.
Erinnern Sie sich bei Durchspielung der A. zuweilen
Ihres Sie wahrhaft verehrenden
Beethoven.
An Frau Frank in Wien.
Ich glaube Sie meine Beste erinnern zu müßen, daß bei der zweiten Ankündigung unserer Akademie Sie wieder nicht Ihren Mann vergeßen lassen sollen, daß diejenigen, die diese A. durch ihre Talente unterstützen, dem Publiko ebenfalls bekannt gemacht werden – so ist es Sitte, ich sehe auch nicht ein, wenn dieses nicht geschieht, was denn das Auditorium zahlreicher machen soll, welches doch der Hauptzweck dieser A. sein soll; – Punto ist nicht wenig aufgebracht darüber, und er hat auch Recht, und es war mein Vorsatz, noch ehe ich ihn gesehen, Sie daran zu erinnern, indem ich mir es nicht anders als durch eine große Eile oder große Vergeßlichkeit erklären kann, daß es nicht geschehen ist. Sorgen Sie also jetzt meine Beste dafür, indem wenn es nicht geschehen wird, Sie sich sichern Verdrießlichkeiten aussetzen werden. – Nachdem ich mich einmal durch andere und durch mich bestimmt überzeugt habe, daß ich in dieser A. nicht unnütz bin, so weiß ich, daß nicht sowohl ich, als auch Punto, Simoni, Galvani eben das nemliche fordern werden, daß das Publikum auch mit unserm Eifer für das wohlthätige Gute dieser A. bekannt gemacht werde, sonst müssen wir alle schließen, daß wir unnütz sind
ganz Ihr
L. v. Beethoven.
An Wegeler.
Wien am 16. November 1800.
Mein guter Wegeler! ich danke Dir für den neuen Beweis Deiner Sorgfalt um mich, umso mehr, da ich es so wenig um Dich verdiene. – Du willst wissen, wie es mir geht, was ich brauche; so ungern ich mich von dem Gegenstand überhaupt unterhalte, so thue ich es doch noch am liebsten mit Dir.
Vering läßt mich nun schon seit einigen Monaten immer Vesicatorien auf beide Arme legen, welche aus einer gewissen