Gray hob die Augenbrauen. »Das könnte ich dir ebenfalls sagen.«
»Richtig.«
»Ich werde noch ein wenig hierbleiben und hoffen, dass ich heute Abend zu einer vernünftigen Zeit gehen kann.«
»Viel Glück dabei.«
Sie ließen ein ordentliches Trinkgeld für die Kellnerin liegen und machten sich auf den Weg.
Kapitel 5
Als Gray beim Revier ankam, war Whittaker gerade in seinem Vierundzwanzig-Stunden-Fitnesscenter gefunden worden. Jede Minute würde er zur Befragung hier eintreffen, und Gray kippte eine weitere Tasse, er hatte aufgehört zu zählen, bei der wievielten er war, des Spülwassers, das in der Polizeiwache als Kaffee bezeichnet wurde. Es würde nicht gut aussehen, wenn er während eines Verhörs einschlief.
Der Mann war zerknittert und sah aus, als würde er in der Hölle schweben, in der man sich befand, wenn man zu viel Kaffee trank und dem unweigerlichen Aufprall in die Realität entgegensah. Wenn die Geschichte, die er den Cops erzählt hatte, stimmte, dass er in der zweiten Schicht gearbeitet hatte, dann in einen Mitternachtsfilm und anschließend ins Fitnessstudio gegangen war, hätte er nicht zu Hause sein können, als Danielle starb. Vielleicht stimmte seine Geschichte, vielleicht nicht. Gray hatte nichts gehört, was erklären könnte, warum ein minderjähriges Mädchen mit einer Akte in seinem Haus aufgetaucht war. Er war nicht in der Stimmung, Spielchen zu spielen oder die Dinge zu vereinfachen. Es ging um zu viel. Wochenlang war er bei seinem Mordfall im Kreis gelaufen und hatte kein Motiv gefunden, das er hätte glauben können, was über den Beruf des Mädchens hinausging. Es gab keine Waffe und, am allerschlimmsten, keine Verdächtigen. Es war ein verdammtes Durcheinander. Wenn er Verbindungen herstellen könnte, hätte er die Chance, mindestens ein paar Puzzleteile zu finden. Dieses Arschloch würde jede Information ausspucken, die er hatte. Die Identität des Opfers war noch nicht geklärt, aber alle Beweise deuteten darauf hin, dass es sich um Danielle handelte. Wenn dieser Scheißer sie getötet hatte … Bei diesem Gedanken kochte Wut in Gray auf. Whittaker hatte besser eine plausible Erklärung für ihre Anwesenheit in seinem Haus, die nicht darauf hinauslief, dass er sie gefickt hatte. Und Gray brauchte diese Antworten schnell. Whittaker würde den perfekten bösen Cop zu sehen bekommen, ohne einen guten, der ihm half.
Gray schloss die Tür des Verhörraums fest hinter sich und sah Whittaker absichtlich nicht an, der mit in den Händen vergrabenem Gesicht am Tisch zusammengesackt war. Nachdem er einige Sekunden im Raum herumgegangen war, um die Spannung aufzubauen, schlug Gray mit einem Ordner dramatisch auf den Tisch, als würde er einen TV-Cop spielen. Er öffnete ihn und zog zwei Fotos heraus, eines von Danielle vor einem Jahr, lächelnd, in Pullover und Jeans gekleidet, als glücklich aussehendes junges Mädchen, und eines von dem verbrannten Körper. »Sehen Sie das?« Gray tippte auf das groteske Bild des Mordes. »Das ist, worauf Danielle reduziert wurde. Ich will wissen, was sie in Ihrem Haus gemacht hat, warum Sie nicht da waren und ob Sie sie zu einem knusprigen Stück Fleisch verbrannt haben.«
»W-Was?«, stammelte der Mann. »Ich … Das würde ich nie. Ich …« Er sah grün aus.
Gray überlegte, ob er sich den Mülleimer schnappen sollte. Das Letzte, was er tun wollte, war, Erbrochenes vom Boden zu wischen. Wenn dieser Kerl sein Entsetzen vortäuschte, war er verdammt gut. »Sie war letzte Nacht bei Ihnen.« Ob die Leiche nun ihre war oder nicht, der Nachbar hatte gesehen, wie Danielle Whittakers Haus betreten hatte.
Der Mann schüttelte den Kopf.
»Ein Fahrer hat sie dort rausgelassen. Ein Nachbar hat sie in Ihr Haus gehen sehen.«
»Ich war auf der Arbeit.«
»Und dann im Kino. Und anschließend im Fitnessstudio. Anstrengende Nacht.«
Whittakers Nasenlöcher bebten und er ballte die Hände zu Fäusten. Gray hatte Erfolg damit, ihn wütend zu machen. Er wollte die Emotionen dieses Kerls zum Überkochen bringen, weil er dann so verdammt viel mehr von sich zeigte. »Mein Haus ist abgebrannt und jetzt beschuldigen Sie mich des Mordes?«
»Ich bitte Sie, mir zu sagen, was diese junge Frau«, Gray tippte auf das Foto, »in Ihrem Haus gemacht hat.«
»Ich sagte bereits, dass ich es nicht weiß.«
»Sie sind nicht nach Hause gegangen, um sie zu treffen?«
»Ich habe in der Spätschicht gearbeitet. Nach Feierabend bleibe ich noch auf und schlafe dann tagsüber. Ich habe dem Officer meine Kinokarte gegeben und ihr mich im Fitnessstudio angetroffen, also wisst ihr, dass ich dort war. Ihr könnt nachprüfen, dass ich auch in der Zwischenzeit nicht zu Hause war.«
»Daran arbeiten wir gerade. Wie gut haben Sie die junge Frau gekannt?«
»Ich sagte doch schon, dass ich nicht wusste, dass sie in meinem Haus war.« Er wandte den Blick ab und fing an, mit den Handschellen herumzufuchteln.
Er log. Dessen war sich Gray sicher. »Wenn Sie kooperieren und mir die Informationen geben, die ich brauche, werde ich davon ausgehen, dass Sie dachten, sie sei achtzehn, und Sie verstehen, dass mir das Wichtigste ist, ihren Mord aufzuklären.« Die Worte blieben beinahe in Grays Hals stecken. Dieses verdammte Arschloch hatte sich vielleicht ein Teenagermädchen gemietet, aber wenn er nicht der Killer war, musste Gray wen auch immer finden.
»Ich habe sie nicht umgebracht.«
»Was hat sie in Ihrem Haus gemacht?«
»Ich weiß es nicht. Wie oft wollen Sie mich das noch fragen?« Er schrie jetzt, sein Gesicht war rot vor Ärger.
»Männer Ihres Alters haben nicht oft mit jungen Frauen zu tun, die wegen Prostitution vorbestraft sind, außer sie sind ihre Zuhälter. Also raus mit der Sprache: Woher kennen Sie sie.«
»Ich kenne dieses Mädchen nicht. Schauen Sie, ich muss mir jetzt darüber klar werden, was ich tun soll, nachdem mein Haus unbewohnbar ist.«
»Und ich muss herausfinden, wer diesen Teenager ermordet hat.«
»Ich kann Ihnen nicht helfen.«
Gray schlug den Ordner zu. »Das werden wir noch sehen.«
Ein paar Augenblicke war er still, musterte Whittaker. Sein Entsetzen beim Anblick der Bilder hatte echt gewirkt, ebenso sein Ärger. Aber irgendwie waren seine Antworten zu aufgesetzt, als würde er das sagen, was erwartet wurde. Vielleicht lag das an den Nerven. Es war für niemanden einfach, während eines Verhörs natürlich zu sein.
Thornton klopfte und steckte den Kopf in den Raum. »Ich muss dich für einen Moment sprechen.«
Bevor er den Raum verließ, sah Gray Whittaker an. »Wir sind noch nicht fertig.«
»Hast du herausgefunden, was das Mädchen dort gemacht hat?«, fragte Thornton.
Gray schüttelte den Kopf. »Er behauptet, sie nicht zu kennen.«
Thornton trank einen Schluck seines Kaffees. Gray war sich nicht sicher, ob er diesen Mann schon jemals ohne Tasse in der Hand gesehen hatte. »Verdammt. Übrigens sind seine Angaben richtig.«
»Alle?«
Thornton nickte. »Er hat um dreiundzwanzig Uhr ausgestempelt. Sein Kinoticket wurde online gekauft. Einer der Angestellten des Kinos erinnert sich, ihn gesehen zu haben, weil er über den Preis einer großen Tüte Popcorn im Vergleich zu einer kleinen geschimpft hat. Wir können sogar sagen, dass er mit dem Bus von der Arbeit zum Kino gefahren ist, weil sein Auto noch auf dem Geschäftsparkplatz steht.«
»Und er hatte keine Zeit, nach Hause zu fahren, bevor er ins Fitnessstudio gefahren ist?«
»Nein, er sagt, er verließ das Kino und ging zu Fuß zum Studio. Dort ist er gegen zwei Uhr dreißig eingetroffen. Seine Karte wurde um zwei Uhr zweiunddreißig eingescannt und die Frau am Empfang erinnert sich ebenfalls an ihn. Sie sagt, er komme oft zwischen elf und drei.«
»Was zur Hölle ist mit den Leuten los, dass sie um halb drei