Mord am Jadebusen. Christiane Franke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christiane Franke
Издательство: Bookwire
Серия: Oda Wagner, Christine Cordes
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960416470
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fragte sie.

      »Das würden wir Ihnen gern im Haus sagen«, mischte sich Oda Wagner ein. »Nicht zwischen Tür und Angel.«

      »Geht es um meine Tochter?« Ermattet griff sich Annegret Beenke an die Stirn. »Nicht schon wieder. Das halten meine Nerven nicht aus. Aber gut, kommen Sie bitte herein.« Sie trat einen Schritt zurück. Christine fühlte sich unwohl, als sie ihr durch den rundbogigen Flur ins Wohnzimmer folgten, das die perfekte Kulisse für diese Frau bot. Weiße Wände, raumhohe Fenster, üppige Farne zu beiden Fensterseiten. Der Blick hinaus zeigte den penibel gepflegten Garten, zarte Ölgemälde in quadratischer Form zierten die Wände. Blumenmotive, eindeutig weiblichen Geschmacks.

      Einen Hinweis, dass Dr. Beenke, der Cordhosen- und Fliegenträger, hier gelebt hatte, suchte Christine vergebens.

      Annegret Beenke drapierte sich in einen der beiden hellen Stoffsessel und bat Christine und Oda Wagner, auf der Couch Platz zu nehmen.

      Hoffentlich hat diese Oda keinen Schokoladenfleck an der Jeans, überlegte Christine, als sie sich auf dem weißen Sitzpolster niederließen. Sie räusperte sich, griff in ihre Tasche und legte Block und Kugelschreiber auf den staubfreien Glastisch neben eine silberne Vase mit weißen Lilien.

      »Frau Beenke, wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass Ihr Mann tot ist.« Christine sah die Frau an. Diese Momente gehörten eindeutig zu den schwersten ihres Jobs.

      Annegret Beenke schluckte. »Tot?«

      »Er wurde heute Morgen im Museum gefunden.«

      »Natürlich im Museum. Wo sonst?«

      Christine stutzte. Der weiche Tonfall blieb. Hatte die Frau die Tragweite dessen, was sie ihr gerade gesagt hatte, überhaupt mitbekommen? Christine warf einen Seitenblick zu ihrer Kollegin. Aber auch Oda Wagner sagte nichts. Sie saß einfach da und musterte die Witwe.

      »John lebt für das Museum«, sagte Annegret Beenke. »Er ist ständig dort, wissen Sie? Er verbringt mehr Zeit im Museum als zu Hause.« Sie zuckte mit den Schultern. »John hätte das Museum heiraten sollen.« Annegret Beenke erhob sich. »Entschuldigung, ich habe vergessen zu fragen, ob ich Ihnen etwas zu trinken anbieten kann. Ich habe einen grünen Tee fertig, aber auch ein Nescafé ist kein Problem.«

      »Frau Beenke.« Christine beugte sich vor. »Ihr Mann ist tot.«

      »Ja, das sagten Sie bereits.« Annegret Beenke drehte sich um. »Entschuldigen Sie mich bitte für einen Moment, ich bin sofort wieder bei Ihnen.«

      Ehe Christine oder ihre Kollegin etwas sagen konnten, hatte Annegret Beenke den Raum verlassen. Christine warf Oda Wagner einen fragenden Blick zu, aber die verzog nur die Mundwinkel. Beide Frauen schwiegen.

      Nach ein paar Minuten kam Annegret Beenke zurück, ein Taschentuch in der Hand. Sie setzte sich, als sei nichts geschehen, als seien die beiden Polizistinnen lediglich auf einen Plausch vorbeigekommen.

      Wieder ergriff Christine das Wort. »Ersten Ermittlungen zufolge wurde Ihr Mann ermordet. Erschlagen.« Sie beugte sich vor, wollte ihr Mitgefühl zum Ausdruck bringen. Doch Annegret Beenke zog sich bis an den hintersten Rand ihres Sessels zurück.

      »Erschlagen?« Endlich kam eine Reaktion. »Ich habe gedacht … Wer … Warum … Wann?«

      »Der Arzt vermutet, gestern zwischen siebzehn und zwanzig Uhr. Was haben Sie denn gedacht, woran Ihr Mann gestorben sein könnte?«

      »John hat Blutdruckprobleme. Er muss Tabletten nehmen. Ich habe gedacht, er hätte einen Herzinfarkt erlitten.«

      »Haben Sie ihn denn nicht vermisst, heute Nacht?«, fragte Oda Wagner kühl.

      Typisch, dachte Christine. Die konnte überhaupt kein Feingefühl aufbringen. Obwohl, recht hatte sie schon. Eine Frau musste doch merken, wenn ihr Mann nachts nicht neben ihr lag.

      »Wir haben getrennte Schlafzimmer, wissen Sie, da kommt es schon mal vor, dass wir uns einen Tag lang nicht sehen. Oder auch zwei. Ich gehe immer früh zu Bett. Meistens kommt John erst, wenn ich schon oben bin. Und oft ist er morgens fort, bevor ich aufstehe.« Ein schwaches Lächeln huschte über ihre Züge.

      »Gab es jemanden, mit dem Ihr Mann Streit hatte?«, fragte Christine. »War er wütend auf jemanden? Gibt es irgendetwas, das Ihnen in letzter Zeit aufgefallen ist?«

      »Aufgefallen? Nein. Mir ist nichts aufgefallen. Wie denn auch?« Die sanfte Stimme bekam einen bitteren Unterton. »Ich sagte doch, mein Mann war ein Workaholic. Ein eher seltener Gast im eigenen Haus.«

      Christine unterdrückte den Impuls, Annegret Beenkes Hände tröstend zu umfassen. »Das tut mir leid«, sagte sie.

      »Das braucht Ihnen nicht leidzutun.« Annegret Beenke lachte auf. »Wir führten eine gute Ehe. Zugegeben, wir standen uns nicht mehr sehr nah. Jeder von uns hatte seinen eigenen Interessenbereich. John lebte für das Museum, und ich bin ehrenamtlich in verschiedenen Vereinen tätig. Seit unsere Kinder aus dem Haus sind, haben wir kaum noch Berührungspunkte. Wir leben … lebten … nebeneinander her. Das Haus ist groß genug, wir haben uns arrangiert. Das ist bei vielen Paaren so, die ich kenne.«

      Annegret Beenke hob den Kopf, begegnete Christines Blick, und diese fühlte, wie etwas ihre Seele berührte. Annegret Beenkes Augen erinnerten an einen Bergsee. Tief und unergründlich. Bevor sie allerdings weitere Fragen stellen konnte, störte Oda Wagners knarzende Stimme die Atmosphäre: »Wo halten sich denn Ihre Kinder auf?«

      ***

      »Das war ja leider nicht viel«, sagte Christine eine halbe Stunde später zu Oda Wagner, als sie zurück in ihrem Büro waren. Jede von ihnen hatte einen Becher Kaffee vor sich. Für Christine war es bereits der zweite. Obwohl Baldrian sicher angebrachter gewesen wäre, so, wie sie sich über ihre Kollegin ärgerte. Da hatte sie gerade eine gute Grundstimmung für ein tiefergehendes Gespräch gelegt, schon funkte Oda Wagner dazwischen, und Frau Beenke verschloss sich wie eine Auster. Außer den Aufenthaltsorten ihrer Kinder hatten sie nichts mehr von ihr erfahren.

      »Sie sind zu lasch rangegangen«, behauptete Oda Wagner nun. »Sie hätten mehr aus ihr rauskitzeln müssen.«

      »Das müssen Sie gerade sagen … so rücksichtsvoll, wie Sie sich verhalten haben! Warum haben Sie dann nicht weiter nachgehakt, als Frau Beenke dichtgemacht hat?« Christine war sauer.

      »Ich wollte gucken, wie Sie in Hannover solche Fälle handhaben. Wäre ja möglich gewesen, dass ich noch etwas hätte lernen können.« Oda Wagner grinste süffisant. »Aber mit Lernen ist wohl nichts. Beim nächsten Mal übernehme ich wieder. Schade, dass wir dem Chef nun sagen müssen, dass wir kaum was haben, an dem wir ansetzen können.«

      »Haben Sie denn nicht gemerkt, dass Frau Beenke total neben sich stand? Meine Güte, wir kamen nicht nur mit der Nachricht, dass ihr Mann tot ist, wir mussten ihr auch noch erklären, dass er ermordet wurde. Da kann man nicht von normalen Umständen ausgehen. Sie haben überhaupt kein Taktgefühl.« Christine war es leid, höflich mit dieser Oda umzugehen, das hatte sie nicht verdient.

      Aber statt auf Christines Bemerkung einzugehen, legte ihre neue Kollegin unbeeindruckt nach. »Vielleicht hat Frau Beenke Alkoholprobleme und war schon leicht angeschickert. So einen Eindruck machte sie jedenfalls.«

      »Dass Sie ihr das unterstellen!« Christine war erbost. »Außerdem riecht man so was doch.«

      »Sind Sie wirklich so naiv, Kollegin? Ich denke, Sie kommen aus der Großstadt. Es gibt Spirituosen, die riecht man nicht. Wodka zum Beispiel.«

      »Da kennen Sie sich wohl ziemlich gut aus, was?« Christine wurde langsam giftig. Um sich wieder ein wenig zu beruhigen, schob sie ihren Drehstuhl zurück, stand auf und ging in die Personalküche, wo sie sich einen weiteren Kaffee eingoss. Nicht dass sie sich von Oda Wagner derart reizen ließ, etwas zu entgegnen, was sie später bereuen würde.

      Als sie ins Büro zurückkam, saß ihr Chef auf der Schreibtischkante. Durch seine kräftige Statur wirkte der Raum sofort überfüllt. Das konnte allerdings auch an dem intensiven Duft seines Rasierwassers liegen.

      »Mmh.