War damit sein ganzes Leben umsonst? Hat er sein Ziel verfehlt, den Waorani die Liebe Gottes zu bringen? Hat er seine Berufung versäumt? Auf den ersten Blick scheint es so.
Aber dieser Blick täuscht: Jim Elliott hatte ein erfülltes Leben. Er hat seine Vision, seine Berufung im Dienst für Gott und für die Menschen gelebt – bis zu seinem Tod.
Seine Frau hat dies weit über seinen Tod hinaus getan. Sie hätte versinken können im Schmerz, im Selbstmitleid. Sie hätte stehen bleiben können bei der Frage: Warum lässt Gott das zu? Diese Frage kann uns weder das Buch noch die Autorin noch irgendjemand sonst beantworten. Aber sie hat es als ihren Auftrag gesehen, ihre gemeinsame Berufung fortzusetzen – sich selbst der Gefahr auszusetzen und den Männern zu vergeben, die Jim umgebracht haben. Sie hat das Werk vollendet, das er angefangen hat. Sie hat die Liebe Gottes und seine Botschaft der Versöhnung zu den Waorani gebracht. So sind durch sie und ihren aufopferungsvollen Einsatz die Samen, die Jim gesät hatte, doch noch aufgegangen. Es hat sich gelohnt!
Es lohnt sich auch, dieses Buch zu lesen und sich von den Glaubenshelden Jim und Betty Elliot begeistern zu lassen. Jedoch sollten wir dabei nicht stehen bleiben, die beiden zu bewundern. Wir sollten ihr Zeugnis lesen, um bei jedem Satz zu überlegen: Was kann ich von ihnen lernen? Welche Grundsätze kann ich dabei für mein Leben ableiten? Was sollte ich in meinem Leben verändern?
Mir sind beim Lesen viele Grundsätze aufgefallen, die ich in meinem Leben anwenden möchte.
Jim Elliots Lebenszeugnis fordert uns heraus, aus der Komfortzone herauszukommen, runter vom Sofa, runter von der Kirchenbank, hinein in die Welt – gerade auch zu denen gehen, die uns fremd sind, von denen vermeintliche oder echte Gefahren ausgehen. Jim und Betty hat gerade das Fremde, das Unbekannte gereizt und herausgefordert.
Lasst uns unsere Bequemlichkeit hinter uns lassen, damit wir anderen die Liebe Gottes weitergeben können – sei es den Fremden in unserem direkten Umfeld oder denen in weiter Ferne.
Nimmst du die Herausforderung an?
Tobias Merckle (Jg. 1970) leitet das Seehaus in Leonberg, wo er jugendlichen Straftätern zurück ins Leben hilft. Der gemeinnützige Verein Seehaus e. V. bietet Jugendlichen einen ›Strafvollzug in freien Formen‹ an.
EINLEITUNG
Als Student schrieb Jim im Jahre 1949 diese Worte: »Der ist kein Tor, der hingibt, was er nicht behalten kann, auf dass er gewinne, was er nicht verlieren kann.«
Sieben Jahre später, an einem heißen Sonntagnachmittag und fern von dem Collegezimmer, in dem jene Zeilen geschrieben worden waren, beendeten er und vier andere junge Männer eine Mahlzeit aus gebackenen Bohnen und Mohrrüben. Sie saßen zusammen auf einem Streifen weißen Sandes am Curaray-Fluss, tief im feuchten Tropenurwald Ecuadors, und warteten auf die Ankunft einer Gruppe von Männern, die sie bewunderten, mit denen sie aber noch nie zusammengetroffen waren – wilde, steinzeitliche Kopfjäger, inzwischen in der ganzen Welt bekannt als Waorani.
Zwei Tage vorher hatte eine jahrelang gehegte Hoffnung sich zum Teil erfüllt. Drei dieser Ureinwohner waren auf dem Sandufer, auf dem die fünf Männer jetzt saßen, mit ihnen zusammengetroffen. Die erste freundliche Berührung, seit Langem erwartet und sorgfältig vorbereitet, war durchaus ein Erfolg gewesen. Der junge Mann und seine beiden Begleiterinnen traten aus dem Sumpfdickicht jenseits des Flusses und ergriffen nach kurzem Zögern die angebotene Hand von Jim Elliot, der sie dann durch den Fluss führte zu den anderen weißen Männern. Anfangs waren die Angehörigen dieses nackt gehenden Stammes misstrauisch gewesen, und mit Recht. Sie hatten von weißen Männern gewusst, die auch in solch großen Vögeln durch die Luft geflogen waren wie dieser, der jetzt hier auf dem Sandufer stand, und es hatte sich erwiesen, dass ihnen nicht zu trauen war. Aber irgendwie hatten die Ureinwohner jetzt während der fünf langen Wochen, in denen diese Weißen hier versucht hatten, ihnen ihre freundliche Gesinnung zu zeigen, gespürt, dass hier keine »Fallgrube« war. Die weißen Männer hatten bei den Waorani zuerst Geschenke abgeworfen, wie der Stamm sie auch in früheren Jahren schon erhalten hatte – Machetas (eine Art von schweren Buschmessern), Kochtöpfe, Bänder, Wollstoff. Das waren hochwillkommene Dinge, und bald hatten die Ureinwohner begierig auf das Geräusch des gelben Ayamu gewartet, der in regelmäßigen Abständen auftauchte (ob allerdings ein Volksstamm, der nicht weiter als bis drei zählt, einen Sieben-Tage-Rhythmus erkennen kann, ist fraglich). Wenn sie das Geräusch des Motors hörten, waren sie von überall herbeigelaufen, aus den Maniokpflanzungen, aus den großen, ovalen, mit Blätterdach versehenen Häusern, vom Fluss her weiter unten, wo sie mit den Kanus zu fischen pflegten. Da waren sie schon wieder – diese merkwürdigen, bleichgesichtigen Männer, die ihnen zuwinkten und riefen und dann an einer Leine einen Eimer herabließen, aus dem man sich die wundervollsten Sachen holen konnte. Und was war das auf einmal? Plötzlich ertönte eine Stimme in der Luft – in ihrer eigenen Sprache! Der Mann rief ihnen zu:
»Kommt her! Wir sind eure Freunde. Wir haben euch gern. Wir sind eure Freunde!«
War es möglich, dass diese Männer nicht die Absicht hatten, ihnen das Land wegzunehmen, die Ernten zu vernichten, ihre Angehörigen zu töten, wie andere es getan hatten? Einige begannen, der Stimme zu glauben. Es kam ihnen ein Gedanke. Warum sollte man die Männer nicht ermutigen? Würde es sich nicht lohnen, herauszufinden, was sie in Wahrheit wollten? Konnte man nicht vielleicht noch mehr bekommen, wenn man auf das Spiel der Fremden einging?
In der folgenden Woche erwiderten die Ureinwohner das herabgelassene Geschenk durch eine Gegengabe. In den Korb, der vor ihren Füßen kreiste, legten sie einen schönen Federkopfschmuck, kunstvoll geflochten und mit Palmenfasern ringsherum verkleidet. Kurz darauf baute ein besonders unternehmungslustiger Waorani ein kleines Flugzeugmodell, das er dem »Piper«-Flugzeug, so getreu er konnte, nachbildete und auf dem Dach seines Hauses aufstellte. Hatte er sich unbemerkt als Späher an das Haus in Arafuno herangeschlichen, dem Ausgangspunkt der ganzen Unternehmungen, wo man ein Modell des Flugzeuges zum Anschauen auf einem Pfahl befestigt hatte? Oder war er ganz von selbst auf die Idee gekommen, ein Modell zu bauen?
Als das Flugzeug eines Tages wieder über ihnen kreiste, hörten die Waorani, wie einer von den Männern rief: »Wir sind am Curaray. Kommt, kommt und besucht uns.« Da konnten einige nicht länger widerstehen. Noch immer von Zweifeln und alteingefleischter Angst vor diesen weißen Männern hin- und hergerissen, blieben sie zwei Tage unschlüssig. Von dem Dschungeldickicht aus, in dem sie sich genauso unsichtbar machen können wie die gefleckte Pardelkatze ihrer Urwälder, erkundeten sie vielleicht die Lage. Am dritten Tag jedoch siegte ihre Neugier – oder irgendwelche sonstigen Motive – über ihre Angst: Der Aufforderung der fünf Männer folgend, die am Ufer hin und her gingen, traten aus dem Dickicht drei Ureinwohner, ein junger Mann und zwei Frauen.
Wer waren diese weißen Männer? Brüder der Affen, die sich mit ihren behaarten Armen und Gesichtern in den Schlinggewächsen wiegten? Brüder des Gürteltiers, das eine bestimmt sehr unbequeme Kleidung trug und niemals nackt ging? Vielleicht Söhne des Schöpfers der Sonne, da sie ja vom Himmel kamen? Aber dabei lachten sie, sprachen Worte, die man nicht verstehen konnte, verschenkten Sachen zum Essen. Zum Essen? Offensichtlich ja – sie schmeckten gut, wenn auch völlig anders als alles, was sie bisher kannten (Würstchen, Brot, Limonade, Senf; mit ihrer eigenen Kost, der trockenen, schweren Maniokwurzel, dem Tapirfleisch, den Erdnüssen, konnte man dies kaum vergleichen).
Und dieses wundervolle Wasser! Einer der Männer goss dem männlichen Ureinwohner ein wenig davon in die Hand (unter sich nannten sie ihn »George«), und als er sich damit den Körper