Mein Onkel der Leopardenmann. Kurt Arbeiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kurt Arbeiter
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги о Путешествиях
Год издания: 0
isbn: 9783702236472
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in der Unteroffiziersschule von Kitona. Als ich sie zum letzten Mal gesehen habe, war sie voller Brennholz. „Was ist da los?“, habe ich den zuständigen Offizier gefragt.

      „Der Abfluss ist verstopft, außerdem benutzen die Rekruten die Duschkabinen immer als Abtritt.“ Alles klar. Den Abfluss zu reinigen und die Rekruten den Unterschied zwischen Dusche und Toilette zu lehren, wäre vermutlich zu viel verlangt. Aber immerhin hat EUSEC den teuersten Holzschuppen Afrikas gebaut, vollverfliest.

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      Brennholzschuppen, vollverfliest

      Das Holz wird übrigens für die Kochfeuer gebraucht. Natürlich hat EUSEC auch eine Truppenküche gebaut. Aber die funktioniert nicht, weil es keinen Strom gibt.

      Natürlich hat EUSEC auch ein Stromaggregat installiert. Aber das funktioniert nicht, weil die FARDC nicht einmal die rudimentärsten Wartungsarbeiten ausgeführt haben.

      Und so wird die Verpflegung an der Unteroffiziersschule von Kitona in Kesseln über offenem Feuer zubereitet, wie schon zu den Zeiten, ehe die ersten portugiesischen Schiffe in die Kongomündung eingelaufen sind.

      Ob das frustrierend ist? – Schon.

      Andererseits: Schauen Sie sich unsere Köchin einmal näher an, wie selbstbewusst sie an ihrem Feuer steht, die Herrin des Kessels. Ich schwöre Ihnen: Eine Nirostaküche ist ihr aber so was von wurst. Und Sie sollten die Unteroffiziersschüler sehen, wenn sie sich mittags bei ihr anstellen um ihren Schöpfer Maniokbrei, ihr zuzwinkern und sich die nahrhafte Pampe schmecken lassen wie junge Könige. In der Früh bekommen sie noch ein halbes Baguette, das ist dann die ganze Tagesration. Dennoch sieht man sie beim Morgensport tanzen und lachen. Eine Dusche danach? – Ach, pfeif doch auf den Pipifatz!

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      Old-school

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      Frühsport mit Pirouetten

      Die Dusche im Gästehaus von Papa Nepa-Nepa funktioniert auch nicht oft und die Klimaanlage überhaupt nicht. Ich steige trotzdem jedes Mal bei Papa Nepa-Nepa ab, wenn ich in Kitona bin. Das Lächeln von Maman Marie, seiner Köchin, funktioniert nämlich immer. Wenn ich ankomme, strahlt sie mich an, dann geht sie in die Küche und kocht mir Bondu, gedünstete Maniokblätter mit Bohnen, warm und nahrhaft. Ich gebe zu, manchmal hätte ich gern was anderes gehabt, zur Abwechslung. Aber Bondu kann Maman Marie eben am besten. Wenn es dunkel wird, setzt sich Papa Nepa-Nepa zu mir. Wir machen uns ein dunkles Bier auf. „Morgen repariere ich die Klimaanlage“, sagt Papa Nepa-Nepa. Ich lache und proste ihm zu. Er lacht auch, und die Klimaanlage ist vergessen. Morgen ist vergessen. Was soll auch „morgen“, wenn heute die Sterne funkeln, die Nacht warm ist und das Bier kühl? Ich gebe zu, ich habe dieses zufriedene Aufgehen im Jetzt nie erlernt, und die völlige Verdrängung des Morgen hat mich dienstlich manchmal zur Weißglut gebracht. Aber irgendwo in meinem verkrusteten Europäerherzen hege ich eine tiefe Sympathie dafür, wenn nicht gar eine Sehnsucht danach. Im Genießen des Augenblicks sind die Kongolesen Weltmeister. In keinem Land habe ich so viele freundliche und fröhliche Menschen getroffen. Sogar die verlotterten Grenzsoldaten, die mich eines Tages bei einer Kajaktour am Kongo abgestoppt und mir mit vorgehaltener Kalaschnikow dreißig Dollar abgeknöpft haben, waren freundlich. Es tut mir immer noch leid, dass ich sie nicht um ein Erinnerungsfoto gebeten habe. Ich bin sicher, sie hätten sich lachend in Positur geworfen.

      Ich widme diese Geschichten der Lebensfreude, dem Witz und der Schlitzohrigkeit, mit denen die Kongolesen in ihrem unmöglichen Land zu Rande kommen. Ganz besonders aber Papa Nepa-Nepa (repariere nie deine Klimaanlage, ich wäre bitter enttäuscht!), Maman Marie, meinen kongolesischen Offizierskameraden Major Essebi und Major Lobo, die auch angesichts des beklagenswerten Zustandes ihrer Armee nie ihre gute Laune verloren haben, und nicht zuletzt Tschombe, dem Gärtner unserer Mission, der zwar kaum Französisch konnte, mir dafür aber einige Wörter seiner Sprache Lingala beigebracht hat.

      Bo tikala malamu! Gehabt euch wohl!

       GESCHICHTEN AM UFER DES KWILU

       ODER MEIN ONKEL, DER LEOPARDENMANN

      Ich bin ein Glückspilz. Ich durfte im Kongo bei den sogenannten „équipes mobiles mixtes“ dienen, gemischten Teams aus kongolesischen und europäischen Offizieren, die die Militärregionen des Kongo überprüften. Auf diese Art habe ich fast alle Provinzen dieses Riesenlandes kennengelernt. Unsere Arbeit hat sich in erster Linie um zwei Dinge gedreht: Werden die Soldaten regelmäßig bezahlt und verpflegt (damit sie nicht plündern müssen), und werden Waffen und Munition so sicher aufbewahrt, dass sie keine unmittelbare Gefahr für die Umgebung darstellen? Die Kontrolltage waren mühsam, und die Ergebnisse lagen meist auf einer Skala zwischen „ziemlich frustrierend“ und „absolut schockierend“.

      Erholt haben wir uns beim gemeinsamen Abendessen, was in Städten wie Kikwit (etwa fünfhundert Kilometer südöstlich von Kinshasa) seinen besonderen Charme hat. In Kikwit gibt es kein Fließwasser, abgesehen vom Fluss Kwilu, und keinen Strom. Aber was soll’s? Alte Geschichten sind ohnehin viel schöner am Lagerfeuer. Und wenn der Wind den Klang der Buschtrommeln vom anderen Flussufer herüberweht, geben sie einen wunderbaren Einblick in die Denkweise ihrer Erzähler.

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      Schweineparadies

      Die Säue fühlen sich wohl im Hafen von Kikwit. Ausgenommen die eine, die uns Gesellschaft leistet. Aber der ist schon alles wurst: Sie dreht sich seit sechs Stunden am Bratspieß von Monsieur Maisha. Monsieur Maisha ist Libanese und führt das einzige Restaurant von Kikwit, das diesen Namen verdient. Er hat sogar drei Gerichte zur Auswahl. Neben Schwein serviert er auch Fisch und Huhn.

      Ein Stündchen werde es wohl noch dauern, sagt Maisha. Ob er uns inzwischen ein paar Bier bringen dürfe.

      Unsere Delegation besteht aus zwei europäischen und drei kongolesischen Offizieren. Wir haben Zeit, und der Garten von Maishas Restaurant ist ein guter Platz zum Warten. Wir vergraben die Zehen im warmen Ufersand und schauen zu, was der abendliche Kwilu an uns vorbeitreiben lässt: tief im Wasser liegende Pirogen, bis über die Bordkante mit Palmölkanistern beladen; Kinder, die auf Baumstämmen reiten; ein Erwachsener, der sich mit der Freude eines kleinen Buben immer wieder in die Fluten stürzt und erstaunlich lang unter Wasser bleibt.

      „Ich hab einmal einen gesehen, der hat es eine halbe Stunde ausgehalten“, sagt der Major Essebi vom kongolesischen Generalstab.

      „Blödsinn“, bellt der Oberst Laurentiu von der rumänischen Armee. „Niemand hält es so lange aus!“

      „Ich habs gesehen.“ Essebi erhebt nicht einmal die Stimme, so sicher ist er sich seiner Sache. „Wir waren mit einer Piroge unterwegs. Plötzlich fiel der Motor aus. Irgendetwas hat die Schraube blockiert. Und dann ist dieser Mann angetrieben mit seinem kleinen Floß, und hat seine Hilfe angeboten. Er ist unter das Boot getaucht und nach einer halben Stunde …“, Essebi schaut den Oberst Laurentiu eindringlich an, „… nach einer halben Stunde ist er wieder aufgetaucht, in der Hand das armlange Stück Holz, das sich in der Schiffsschraube verklemmt hatte.“

      „Er hat irgendwo nach Luft geschnappt, wo du es nicht gesehen hast.“ Laurentiu verfällt immer in die Du-Form, wenn er einen Kongolesen belehrt.

      Essebi schüttelt nur den Kopf. „Drei-ßig Mi-nu-ten.“ Er betont jede Silbe.

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      „Drei-ßig Mi-nu-ten!“

      „Dann war das ein Krokodilmann“, wirft der Oberstleutnant