Seelenfeuer. Marty Ramone. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marty Ramone
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783947183197
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Es war ja nicht schade um sie, denn ihre Lebensuhr wäre ohnehin bald abgelaufen gewesen, redete der gemeine Mörder sich ein.

      Er versteckte die Alte hinter einer Hecke und holte geschwind das Pferdegespann mit Anhänger, in dem sonst das Korn gefahren wurde. Dann lud er die Tote auf, setzte sich auf den Kutschbock und trieb die Pferde das Luttertal hinauf.

      Am Ziel angekommen buckelte er das Mordopfer hinauf in des Teufels Höhle.

      Der Knecht war dem Meister indessen unerkannt gefolgt.

      Der Müller sprach die Formel und in kurzer Zeit war der Weg frei. Er trat vor in Satans Halle.

       „Der Müller ist zurückgekehrt“, brüllte der Teufel lachend durch seinen Thronsaal und seine Folterknechte stimmten mit ein. „Und ich sehe, er hat mir etwas mitgebracht.“

       „Ja“, antwortete der Gemeinte, „ich habe meinen Teil der Abmachung erfüllt und nun mach mich wieder jung.“

       In diesem Moment berste die Erde. Ein tiefer Riss tat sich zwischen Teufel und Mensch auf. In einiger Tiefe floss ein Lavastrom, in dem unzählige tote Seelen schwammen. Zwei der dämonischen Folterknechte traten hervor, packten die Alte und schmissen sie in die Tiefe…

      Der Müllergeselle war im vorderen Teil der Höhle geblieben und hatte Todesangst. Gebannt lauscht er aber den Worten, die bis zu ihm vordrangen. Konnte kaum glauben, was seine Ohren hören mussten.

       Beelzebub lachte schallernd: „Sodann soll die Alte baden im Feuer der Unendlichkeit. Du, Müller, wirst gleich wieder deinem Wunschbild entsprechen. Aber denk daran: Beim nächsten Vollmond kehrt deine Verwandlung wieder um. Dann braucht die Hölle wieder eine neue Seele.“

      „Aber davon sagtest du nichts. Ich kann doch nicht immer weiter morden“, jammerte der Müller.

       Der Teufel lachte abermals: „Nichts ist von Ewigkeit. Nicht einmal meine Magie. Das hätte dir doch klar sein müssen, Mensch. Du willst jung bleiben. Aber die Hölle verlangt nach Menschenopfern. Das ist unser Pakt und nun verschwinde. Ich erwarte dich zum nächsten Monat wiederzusehen und zwar mit Blutzoll. Geh jetzt, ich bin müde.“

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       Weinend verließ der Müller die Höhle. Er war wieder jung. Aber um welchen Preis? Was hatte er nur getan? Hätte er sich doch nur in den Tod gestürzt…

      Im Abendrot erreichte er die Mühle und weinte sich des Nachts in einen alptraumhaften Schlaf.

      Zuvor hatte der Knecht den anderen Gesellen alles erzählt.

       So kam es dann, dass der Müller wieder im Schlafe sprach: „Wenn man aber das Höllentor… für Hunderte von Jahren… schließen will, hat man ein Pentagramm… mit einem fünfeckigen Stern davor aufzumalen… Dieser muss dann mit… geweihtem, christlichem Wasser… beträufelt werden.“

      Die Gesellen hatten die Worte mitgehört. Die kommenden Tage waren wieder wie eine Folter für sie und so beschlossen sie einen Plan.

      In den folgenden Wochen alterte der Verzauberte erneut und so war er abermals gezwungen, den teuflischen Vertrag mit einem Mord zu erfüllen.

      Der Müller legte sich im Luttertal erneut auf die Lauer. Schon bald erschien ein junges Mägdelein spazierend auf dem Weg. Als er sich auf es stürzen wollte, entpuppte es sich als einer seiner Knechte, der sich gut verkleidet hatte. Auch die anderen Gesellen sprangen hervor und alsbald war der überraschte Müller überwältigt.

       Mit der Kutsche und einigen Kelchen geweihtem Wasser erreichten sie in der Abenddämmerung den Aufstieg zur geheimen Höhle und zwangen den Müller mit Waffengewalt vor das Höllentor. Ein Geselle malte das Pentagramm mit dem fünfzackigen Stern vor den Eingang. Dann durfte der Verfluchte ein letztes Mal die Beschwörung aufsagen:

       „Der Jungbrunnen erschließt sich

      dem, der den Fürst der Finsternis ruft.

       Seine Macht ist gar herrlich,

      drum sprich die Worte laut und deutlich.

       Der Beelzebub eilt sodann herbei,

       alle Eure Sorgen und Nöte sind alsbald vorbei.“

      Alsbald brach die Hölle auf.

      Der Müller fühlte den Stahl des Dolches an seinen Eingeweiden und schleppte den verkleideten Knecht geschultert in die Halle des Satans.

      Die Gesellen schütteten derweil das gesegnete Wasser in den Kreis und schon schrie der Teufel schmerzerfüllt auf. Er sprang unter Qualen, als ob er brannte, von seinem Knochenthron und stürzte auf den Müller und sein vermeintliches Mordopfer.

      Schnell entwand sich der Knecht und rannte gen Ausgang.

      Der Berg erzitterte und der Boden brach auf. Für den Verfluchten gab es kein Entkommen mehr. Er fiel in die glühende Lava und ward auf ewig in der Hölle gebannt.

      Erdbebengleich schloss sich langsam das Tor zur Hölle. Der Teufel konnte gegen den Pakt mit Gott nichts mehr unternehmen. Die Knechte hielten ihn mit ihren Forken in Schach, bis das sich der Weg in die Unterwelt für viele Jahrhunderte verschließen sollte.

       Genau genommen sollte die Folge des Paktes vom Antichristen mit dem Allmächtigen 666 Jahre anhalten. Aber wer wusste das schon so genau?

      Die Mühle des verdammten Müllers erblühte unter der Obhut der sieben Gesellen auch weiterhin. Die Knechte verheirateten sich und bekamen viele Kinder.

      Und so entstand das kleine Dorf Lutterberg.

      Seltsam… aber so steht es geschrieben.

       4.2

      Fasziniert klappte Heinz Sattler das Buch zu. Vielleicht sollte er es jetzt nun doch bald wagen, da ihm nicht mehr viel Zeit blieb. Was hatte er schon zu verlieren? Unwahrscheinlich zwar, dass diese uralte Geschichte sich so wirklich zugetragen haben konnte. Andererseits: An jeder Sage war etwas Wahres dran, sagte schon ein altes Sprichwort und so dachte er an die vergangenen Jahre zurück…

      Nach dem Vorruhestand hatte er viel Zeit gehabt und in der Nähe seines alten Arbeitsplatzes die Gegend systematisch erkundet. Viele Jahre durchkämmte er die Berge in der Nähe der Grube.

      Dann, als er schon die Hoffnung aufgegeben hatte, fand er kurz nach seiner Krebsdiagnose die Höhle doch noch! Er wagte sich dort bis an das Höllentor vor. Auch die Beschriftung an der Wand gab es wirklich. Nur traute er sich da noch nicht, den Text auszusprechen.

      Pauline Herrmann schreckte den Rentner aus seinen Gedankengängen auf.

      „Die Bibliothek schließt um 16.30 Uhr, Herr Sattler. Sie müssen langsam zum Ende kommen“, klärte die Blondine den Sprengmeister auf. Sie leitete die Bibliothek und kannte Sattlers Namen, da das Buch sehr wertvoll war und er sich deshalb vor der Lesung ausweisen musste.

      Der alte Mann hatte sich zuvor Notizen gemacht und stand auf. „Ja, natürlich, Frau…“, er stockte. Dann las er das Namensschildchen an ihrem üppigen Dekolleté.

      „Frau Herrmann, vielen Dank, dass ich heute hier sein durfte.“

      Er übergab der Bibliothekarin den Einband. Dann verließ Sattler das Areal.

      An einzelne Dinge konnte er sich von damals nicht mehr erinnern, als Großvater ihm die Sage erzählte. Daher war es gut, dass er sein Wissen hier heute noch einmal aufgefrischt hatte.

      Pauline Herrmann zog derweil hinter ihrer Brille die rechte Augenbraue hoch und lief in ihrer imposanten Erscheinung Richtung Regal mit der Bezeichnung „Alte Harz Sagen“.