Seelenfeuer. Marty Ramone. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marty Ramone
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783947183197
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gespritzt. Seine tödliche Krankheit schritt unaufhörlich voran. Er musste husten. Die vielen Jahre im Schachtbau und damit das ständige Einatmen von Staub und Dreck hatten doch ihre Spuren hinterlassen. Vor zwei Jahren erhielt Sattler in der Göttinger Uniklinik die Diagnose: Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium. Ein Karzinom hatte in beiden Flügeln gestreut, welche dadurch nicht mehr operabel waren. Der Professor gab ihm noch zwei, vielleicht drei Jahre, die er bestmöglich nutzen sollte.

      Der Sprengmeister besaß einen Plan. Er kannte diese alte Sage schon von Kindheit an. Sein Großvater hatte sie ihm schon als Bub immer wieder erzählt. Und jedes Mal war er erneut fasziniert gewesen, wenn er auf Opas Schoß gesessen und andächtig seinen Worten gelauscht hatte.

      Dann fand Sattler in der Sagen-Zusammenstellung, wonach er gesucht hatte und begann zu lesen…

       4.1

       Das Höllentor zu Lutterberge

       Anno 1352 im Namen des Herrn

      Vor vielen hundert Jahren gab es einen Müller, der eine prächtige Mühle unterhalb des Lutterbergs in dessen Tal bewirtschaftete.

      Sieben Gesellen unterstützten ihn bei der beschwerlichen Arbeit, tagsüber das kostbare Korn zu mahlen.

      Der Müller war reich und großzügig gegenüber seinen Angestellten, die des Nachts mit ihm in einem Schlafsaal nächtigten.

      Doch war er schwerkrank und wusste, dass er bald das Zeitliche segnen würde. So beschloss er eines Tages, seinem Schicksal zuvor zu kommen.

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      An einem schönen Sonntag lief er das Luttertal hinauf um sich in einsamer Abgeschiedenheit von einem Felsen in den Tod zu stürzen.

      Er genoss noch einmal das Plätschern des Flusses und den Gesang der Vögel. Grillen zirpten im Gras und Bienen summten durch die Luft auf der Suche nach Blütennektar.

      So war er nun etliche Meilen gegangen und befand beim Betrachten der Natur, dass es doch schade war, dem irdischen Leben auf nimmer Wiedersehen zu sagen.

      Rechts türmte sich ein steiler Hang auf, den man an anderer Stelle leicht ersteigen konnte und der wie dafür geschaffen war, sich von ihm hinab zu stürzen.

      So arbeitete sich der Müller zwischen Bäumen und Sträuchern voran und zuckte plötzlich auf halber Höhe zusammen. Dort hinter der Wurzel eines umgestürzten Baumes führte eine Höhle in den Berg. Er trat ein. Immer tiefer ging es in den Felsen.

      Aber das war seltsam. Sollte es nicht tiefer und finsterer werden, umso weiter er den Höhlengang erkundete? Nichts davon geschah. Eine unsichtbare Lichtquelle leuchtete den Weg aus, bis der Müller plötzlich vor einem versiegelten Tor stand. An der Wand standen Sätze.

       Er las still die Worte für sich:

       „Der Jungbrunnen erschließt sich

      dem, der den Fürst der Finsternis ruft.

       Seine Macht ist gar herrlich,

      drum sprich die Worte laut und deutlich.

       Der Beelzebub eilt sodann herbei,

       alle Eure Sorgen und Nöte sind alsbald vorbei.“

      Neugierig sprach der Müller die Worte laut. Dann ertönte ein Donnergrollen und das Tor verschwand hinter pulsierendem Rauch und Dampf. Als der Qualm verschwunden war, fehlte auch die Versiegelung am Eingang.

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       Der Mühlenbesitzer öffnete die quietschende Tür und trat in einen Gang, an dessen Wände Feuerzungen leckten. Menschliche Arme traten aus den Wänden hervor, die mit schwarzen Kerzen in den Händen dem Todgeweihten den Weg wiesen. Gespenstisch bewegten sie sich im Lichterschein oder bildete er sich das nur ein?

      Dann trat der Müller in eine mächtige Halle, an deren Ende ein schwarzer Thron aus Menschenknochen stand, auf dem eine mächtige Gestalt saß.

       Ein furchtbares Lachen erklang in der Halle. Der Teufel sprach: „Willkommen in der Hölle, Menschlein. Bist du zu mir gekommen, damit ich dir dein Leben zurückgebe?“

       Woher wusste Satan von seiner Krankheit, dachte der Müller bei sich?

       „In der Tat, ich bin dem Tode verfallen“, antwortete er. „Aber was muss ich dafür tun, um weiter zu leben?“

       Der Teufel grollte: „Nicht viel. Du musst nur einen Menschen töten und ihn mir als Blutopfer bringen. Wenn du einwilligst, dann seist du sofort genesen und um Jahre verjüngt.“

       Da brauchte der Müller nicht lange zu überlegen. „Ich nehme an.“

       „Dann sei es hiermit besiegelt. Eines noch: Solltest du von unserem Pakt zurücktreten, wird dein Leiden alsbald zurückkehren. Du wirst sterben und deine Seele ist mein. Dann wird sie bei unermesslichen Qualen in der Hölle brennen.“

       Der Teufel lachte abermals und fuhr fort: “Auch ich habe einen Pakt mit dem Allmächtigen. Daher bin ich gezwungen, dir folgende Worte zu sagen: Wenn du die Zauberformel sprichst, öffnet sich jederzeit das Tor zu mir. Wenn man aber das Höllentor für Hunderte von Jahren schließen will, hat man ein Pentagramm mit einem fünfeckigen Stern davor aufzumalen. Dieser muss dann mit geweihtem, christlichem Wasser beträufelt werden. Bedenke aber, dass folglich meine Magie auf dich nicht mehr wirkt und du wärst des Todes.

       Zudem gibt es viele Wege zu mir. Deine Seele wäre jedenfalls mein und ich wandle an anderen Orten weiter.“

       Die Hölle dröhnte unter dem irrsinnigen Lachen Satans…

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      Der Müller trat aus dem Berg. Er fühlte sich wie neugeboren. Kraftvoll und jung. Sein Körper wirkte muskulöser, als er sich betrachtete.

      Der Genesene stieg den Berg hinab und trat an die Lutter. In einem ruhigen Ausläufer des Flusses betrachtete der Müller sein Spiegelbild. Die Falten im Gesicht waren fast gänzlich verschwunden. Das Haar wirkte voller und dunkler.

      Er war zufrieden und schritt das Tal hinab.

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       Die Gesellen des Meisters staunten. War der Müller in einen Jungbrunnen gefallen?

      Doch nicht nur sein äußeres Erscheinungsbild hatte sich verändert. Der ehemals großherzige Müller war böse geworden und behandelte seine Arbeiter fortan von Tag zu Tag schlechter. Er ließ sie schuften, bis sie erschöpft zusammenbrachen, gab ihnen nur noch wenig zu essen und trank das Bier zum Feierabend von nun an allein. Des Nachts sprach er im Schlaf. Worte wie Tod und Teufel fielen.

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      Nach einigen Wochen, als der Müller sich im Spiegel betrachtete, erschrak er. Zufällig wurde er dabei von einem seiner Gesellen beobachtet. Der Meister schien sich wieder zurück in den kranken Greis zu verwandeln. Des Teufels Fluch wirkte also und darum erinnerte sich der Müller an die teuflische Abmachung.

      So ging er dann, heimlich verfolgt vom Knecht, mit einem langen Dolch in den Wald und legte sich auf die Lauer.

      Alsbald kam ein altes Mütterchen des Weges. Er schlich sich feige von hinten heran und stach mit irrem Blick in den Augen der armen