Ich war mit meinem Anwalt beim Vollzugsamt gegen die Lockerungsverweigerung in die Beschwerde gegangen und begann Fachliteratur zur Praxis der Kriminalprognose zu studieren und die Erkenntnisse in die Beschwerde einzubringen.
Auch nach den minimalsten Maßstäben der Praxis der Kriminalprognose erfüllte das Gutachten des Fräulein Kachel weder die grundsätzlichen Voraussetzungen noch eines der vorgegebenen Kriterien eines prognostischen Gutachtens, sondern trug alle Züge eines „emotionalisierten Verunglimpfungsgutachtens“, dessen unappetitliche Einzelheiten ich dem geneigten Leser hier ersparen möchte.
Obwohl die Gutachterin Kachel die Frage, warum sie in ihrem Gutachten weder die Voraussetzungen noch die Kriterien eines psychologischen Diagnosegutachtens erfüllte, in einer sie selbst entlarvenden Weise beantwortete, konnte sie mich dennoch, aus niederen Motiven, mit einem solchen Verunglimpfungsgutachten auf Jahre, gegen alle Wahrheit und Gerechtigkeit, in Gefangenschaft halten. Die Gutachterin in ihrer unangreifbaren Allmachtposition selbst wurde nicht zur Verantwortung gezogen und konnte weiterhin unbehelligt die Psychologie und ihre Funktionalisierung, als Diagnostikerin, missbrauchen, weil man ihr im Gefängnis unverantwortlicherweise einen unkontrollierten Freiraum gegeben hatte, in dem sie marodierend ihre Verstörungen ausleben konnte.
Umgekehrt wird eine solche Gutachterin wirklich lockerungsungeeignete Gefangene in ihrer Gefahr ebenso wenig erkennen und sie verantwortungslos in die Lockerung und Freiheit entlassen, solange sie sich ihr nur in heuchlerischer Verstellung unterwerfen, ihren leicht durchschaubaren Erwartungen nachkommen und ihr verwüstetes Ego hofieren.
Das Problem bei psychologischen Begutachtungen ist: Die einzelne Gewichtung und das Wechselspiel von natürlicher Veranlagung, sozialen Einflüssen und dem Ermessensspielraum des individuellen Willens sind viel zu vielschichtig, um Ursachen für Delinquenz klar benennen, bewerten und bearbeiten zu können. Dementsprechend schwer lassen sich die Wirkungen von absolvierten Therapien auf den Gefangenen beurteilen. Das lässt die Gutachter im Nebel stochern, und wenn sie noch von schweren eigenen Persönlichkeitsstörungen, von Aversion und Hass, getrieben zu werden scheinen, wie meine psychologische Gutachterin, wird das ganze zum Desaster.
Der Gefangene, der der Maschinerie Gefängnis ohnehin total ausgeliefert ist, findet sich bei seiner „Begutachtung“ gleich zwischen mehrere unentrinnbare Mühlsteine gequetscht: Zum einen ist er auf Gedeih und Verderb einem einzigen „Sachverständigen“-Individuum, mit seinen ganz eigenen Stärken, Schwächen, Vorlieben, Aversionen und möglicherweise Verstörungen ausgeliefert. Zum anderen ist er dem Nebel einer als Wissenschaft daherkommenden Spekulation ausgesetzt, gegen die er sich nicht wehren kann. Darüber hinaus wird er fast immer (Ich war da mit Sicherheit eine naive Ausnahme) versuchen, der Erwartungshaltung seines Gutachters bezüglich einer positiven Prognose zu entsprechen und sich demgemäß unterwerfen und verstellen. Der Gefangene wird sich im Vollzug wie bei Therapie- und abschließenden Begutachtungsgesprächen immer mit einer neutralen, unauffälligen Maske zu bewegen versuchen, in dem Wissen, dass jedes Verhalten gegen ihn ausgelegt werden kann: Sagt er z. B., dass er nicht oft an seine Straftat denke, wird ihm vorgeworfen, er verdränge seine Tat und habe sich nicht ausreichend mit ihr und seiner Schuld auseinandergesetzt – Lockerung abgelehnt. Sagt er, er denke täglich an seine Tat, wird ihm vorgeworfen, er hätte sie und seine Ursachen noch nicht ausreichend bearbeitet – Lockerung abgelehnt. Die Sache ist, dass man bei solch einer unscharfen Spekulationswissenschaft wie der Psychologie immer etwas findet, wenn man denn will.
Ein über 30 Mal vorbestrafter Mitgefangener, der von meinem Kampf gegen die Psychologin Kachel und die Anstaltsleitung gehört hatte, sprach mich einmal in der Freistunde an.
„Sach ma, Zorro, warum macht es sich ein cleverer Bursche wie du so schwer? Ich hab’ bei der Vogelscheuche (Psychologin Kachel) ’n bisschen geschleimt und ihr gesagt, was sie hören wollte. Das gleiche bei der Preter (Die stellvertretende Anstaltsleiterin) und schon hatt` ich meine positive Prognose und geh in` Urlaub. Meinst du, die glauben deswegen wirklich ich hör’ mit der Shore (Heroin) und den Brüchen auf?! – Du dagegen bist wahrscheinlich der Einzige hier, der nicht wieder einfährt. – Das ist doch alles Scheiße, Alter!“
Ich versuchte nochmals mit der stellvertretenden Anstaltsleiterin zu sprechen. Als ich das Gutachten in bedachter Weise problematisierte, stellte sie sich mit dem schlichten Satz vor die Dame Kachel, dass meine kritische Einstellung und meine Beschwerde die Einschätzung meiner Persönlichkeit durch die Gutachterin nur bestätigen würde und es keine Gesprächsbasis und Perspektive für mich gäbe.
Während ich auf das Ergebnis der Beschwerde wartete, bemühte ich mich um psychologische Einzelgespräche, um mich für kommende Vollzugsentscheidungen abzusichern. Ich führte aus diesem Anlass mit mehreren Psychologen Informationsgespräche. Der Leiter des psychologischen Dienstes war in unserer ersten Unterhaltung psychologischen Einzelgesprächen mit mir nicht abgeneigt. Dieser Oberpsychologe der Anstalt war ein gemütliches Schwergewicht, immer unrasiert und in ausgelatschten Birkenstock-Sandalen herumschlurfend, der in seinen Diagnosen bekanntermaßen jedem eine erste faire Chance gab. Im zweiten Gespräch war dieser Oberdruide völlig verwandelt. Er verhielt sich distanziert und nervös und beteuerte plötzlich, dass er Einzelgespräche nur in Verbindung mit Gruppengesprächen führen würde, wohl wissend, dass ich gleich eingangs unserer ersten Unterhaltung Gruppengespräche grundsätzlich abgelehnt hatte (Ich hatte kein Interesse, mich mit Kinderschändern und sadistischen Frauenmördern zu einer Palaverrunde in einen Kreis zu setzen).
„Erst bei drei Personen fängt die Wahrheit an“, baute der Oberpsychologe seine Abwehrstrategie auf.
„Genau“, lächelte ich ihn an, „damit bestätigen sie mich und führen die hier in dieser Anstalt stattfindenden Diagnosegespräche mit nur einem einzigen Psychologen ad absurdum.“
Der Seelenforscher schien die Fassung zu verlieren. Er stand wortlos auf, wühlte gehetzt und entnervt in seinen Papieren auf dem Schreibtisch und begann mich, mir den Rücken zugewandt, langsam hinauszukomplimentieren, indem er mir empfahl, mich mit einem anderen Psychologen der Anstalt auseinanderzusetzen.
Meine Anklage besteht darin, dass die verantwortlichen Entscheider im Strafvollzugssystem, denen der Gefangene auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist, unkontrollierte Einzelindividuen sind. Naturgemäß können diese „(un)heimlichen Richter“, wie sie der Buchtitel eines bekannten deutschen Gutachters bezeichnet, nicht objektiv sein. Ihre unkontrollierte Allmacht und Unantastbarkeit bergen immer die Gefahr, dass sie sich von Sympathien/Antipathien, von selbstgefälligen Eitelkeiten oder gar Größenwahn leiten lassen, wenn sie nicht schlicht unfähig, gefährlich gestört oder gar komplett geisteskrank sind. (Welche Verbrechen unter den Kutten von Geistlichen und Pädagogen stattfinden, die ihre unkontrollierte Fürsorge- und Verantwortungspflicht missbrauchen, dringt selten genug ans Licht, was an Vergehen gegen die Fürsorge- und Verantwortungspflicht hinter den dunklen Gemäuern der Knäste stattfindet, bleibt gewöhnlich auch immer dort). Wo keine Kontrolle ist herrscht Willkür. Unschuldige Menschen werden für Jahre einer zerstörerischen Haft ausgesetzt oder in der zerstörerischen Gefangenschaft geschlossener Psychiatrien lebendig begraben. Gefährliche Gefangene, die die anfälligen Egos der Entscheider zu umgarnen vermögen, werden viel zu früh in die Freiheit entlassen, während aufrechte Gefangene gegen jede Wahrheit und Notwendigkeit Ewigkeiten über die Zeit in Knastgefangenschaft gehalten werden.
Man sollte jedem Gutachten, sei es psychologischer, anthropologischer oder den physischen Gesundheitszustand betreffender Natur sein, zur Kontrolle mindestens ein zweites unabhängiges Gutachten zur Seite bzw. gegenüberstellen. Und man sollte die allmächtigen Entscheider regelmäßig auf ihre fachliche Kompetenz und geistige Zurechnungsfähigkeit hin begutachten. Dann würden bedeutend weniger haarsträubende und kriminell gefährliche Fehlentscheidungen getroffen werden, die ganz Menschenleben zerstören, wie nicht nur das folgende Beispiel eines meiner Gutachter belegt:
Auf einem Videokamerabild von einem zweimaligen Volksbank-Überfall, dessen ich angeklagt war, war