13 Wochen. Harry Voß. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Harry Voß
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783955683092
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Lehrern und Schülern gelang. Bei seiner Mutter gelang ihm das jedoch nicht. Wenn sie diesen Mutterblick draufhatte, könnte er einfach nur ausrasten. Da gab es nichts zu grinsen. Eine Weile versuchte er, ihren Blick zu ignorieren. Aber dann platzte es aus ihm heraus: »Was ist?«

      »Ich mache mir Sorgen«, sagte sie vorsichtig.

      »Es ist alles in Ordnung«, blaffte Simon, starrte auf das Handy neben seinem Essen und überprüfte die letzten Nachrichten. »Ich will einfach meine Ruhe haben. Ist das so schwer?«

      »Aber du warst heute Morgen so seltsam. Und dann heute Nacht. Dass du so spät noch so lange draußen warst.«

      »Reg dich ab!« Simon war lauter geworden, als er es sich vorgenommen hatte. »Ich war nur ganz kurz draußen, ich hab was nachgeschaut. Hab ich doch gesagt.«

      »Ja, aber dann hast du gesagt, wir wollen ein andermal darüber reden.«

      Jetzt musste sich Simon etwas mehr konzentrieren. Das hatte er letzte Nacht gesagt? Er hatte doch kaum ein Wort mit seinen Eltern gewechselt. Er fixierte seine Mutter mit einem scharfen Blick. »Wann hab ich das gesagt?«

      »Heute Nacht. Als du mich in den Arm genommen hast.«

      Jetzt hätte sich Simon fast an seinem Essen verschluckt. »Als ich WAS gemacht hab?!«

      »Als du mich in den Arm genommen hast. Gestern Nacht. Als du völlig durchnässt wieder reingekommen bist.«

      Die Sache wurde schon wieder unheimlich. »Das hast du geträumt.«

      »Nein, ganz bestimmt nicht.«

      »Bist du dir sicher, dass du noch ganz gesund bist?«

      »Ja. Ganz sicher. Und heute Morgen hast du mich auch in den Arm genommen. Als du noch mal zurückgekommen bist und mich gefragt hast, welcher Tag heute ist.«

      Das war zu viel. Simon sprang auf und schob mit lautem Krachen den Teller weg. »Du bist ja völlig krank im Hirn!«, schimpfte er. »Ich hab dich nicht in den Arm genommen! Ich weiß, welcher Tag heute ist! Heute ist der 2. April! Den ganzen Tag! Gestern – da war der 1. April! Da hättest du mich verarschen können! Aber nicht heute! Ich bin doch nicht bescheuert!«

      Wütend rannte Simon die Treppe nach unten, nahm seine Jacke und verließ das Haus. »Ich bin bei Jan!«, brüllte er noch, bevor er die Haustür zudonnerte.

      Entweder seine Mutter litt wirklich unter Wahnvorstellungen oder er selbst war nicht mehr ganz dicht. Der Traum vergangene Nacht. Dieser Typ im Garten. Derselbe Typ an der Bushaltestelle. Wie sollte das zusammenpassen? War er selbst, Simon Köhler, eine gespaltene Persönlichkeit? Konnte er an zwei Stellen gleichzeitig sein? Im Bus und draußen auf der Straße? Im Haus und im Garten? Konnten das Luftspiegelungen sein? Ein böser Engel, der ihn beobachten sollte? Ein Geist? Oder wollte ihn da jemand gründlich verarschen?

      »Ich bin normal, ich bin normal, ich bin normal!«, sagte er laut vor sich hin, während er die Straße zu Jan entlangging.

      In Jans Zimmer lag eine Matratze neben dem Bett, darauf eine Wolldecke und ein Sofakissen. So, als hätte er Übernachtungsbesuch gehabt.

      »Hattest du Besuch?«, fragte Simon.

      Jan musterte Simon, als hätte er sich verhört. »Ja, weißt du doch.«

      »Nee. Wen denn?«

      Jan runzelte irritiert die Stirn. Dann sagte er: »Einen durchgeknallten Landstreicher, bei dem ein Fremder im Bett lag.«

      Simon lachte. So was Bescheuertes. »Ach so«, sagte er und fragte nicht weiter. Offensichtlich wollte Jan nicht darüber reden, wer hier zu Besuch gekommen war. Vielleicht hatte er ja eine Freundin. Egal. Ging ihn ja auch nichts an. Jan lachte auch und damit war das Thema beendet.

      Sie zockten eine Weile auf Jans PC, aber dann nahmen sie sich vor, jeweils auf ihren eigenen Laptops gegeneinander zu spielen.

      »Ich hol meinen schnell«, sagte Simon und machte sich auf den Weg nach Hause.

      »Simon! Was machst du denn hier?«, fragte die Mutter, als sie ihm öffnete. Sie hatte schon wieder einen Blick drauf, als hätte sie einen Geist gesehen.

      »Ich hab was vergessen«, sagte er knapp und ging direkt in sein Zimmer.

      »Schon wieder?«, rief die Mutter ihm hinterher. »Ich dachte, du bist im Bad!«

      Die Frau war echt krank, dachte Simon. Konnte man die überhaupt noch ernst nehmen? »Warum sollte ich denn im Bad sein?«, knurrte er nur kurz. »Ich hab doch gesagt, dass ich zu Jan wollte.«

      Mit einem Griff hatte er seinen Laptop unter den Arm genommen und war schon bei der Zimmertür. Da stutzte er kurz und drehte sich in seinem Zimmer noch einmal um. War hier alles noch wie vorhin? Hatte hier jemand rumgewühlt? Fehlte hier was? Auf Anhieb fiel ihm nichts auf, das fehlen könnte. Trotzdem hatte er irgendwie das Gefühl, dass jemand hier gewesen war. Langsam ging er den Flur entlang bis zur Haustür. Was hatte seine Mutter gesagt? »Ich dachte, du bist im Bad.« Simon warf einen Blick nach oben Richtung Badezimmer und begann plötzlich zu schwitzen. Mist. Saß da etwa sein geheimnisvolles Gegenüber? Sein anderes Ich? Stand die finstere Seite von Simon Köhler vielleicht gerade unter der Dusche, während seine gute Seite ahnungslos durch den unteren Teil des Hauses lief? Langsam schlich er die Treppe nach oben und heftete seinen Blick auf den Türgriff. Einen Schraubenzieher hatte er nicht in der Hand. Aber einen Laptop. Damit konnte man jemandem super den Schädel einschlagen. Er hielt den Laptop wie einen Hammer über sich, während er mit der anderen Hand nach der Türklinke griff. Mit einem heftigen Schrei platzte er ins Badezimmer und war auf alles vorbereitet. Gespenster, Doppelgänger, Blut, Mörder, Psychopathen, Dämonen. Aber das Badezimmer sah aus wie immer. Und es war niemand drin.

      Die Alte hat eine Schraube locker, dachte Simon, während er mit dem Laptop im Arm zu Jan zurücklief.

      Am nächsten Morgen hatte Simon das Gefühl, als fehlte die Hälfte der Sweatshirts in seinem Schrank. Waren die immer noch in der Wäsche? Simon ärgerte sich. Er war sich sicher, dass sie gestern noch da gelegen hatten. Er wusste es: Seine Mutter wühlte in seinen Sachen! Eines Tages würde er sich bitter dafür rächen!

      Im Bad fehlten sein Deo, sein Duschzeug, sein Haarspray, seine Zahnbürste und die Zahnpasta. Was war denn jetzt schon wieder los? Als er wütend seine Mutter darauf ansprach, konnte die sich das auch nicht erklären. Aber in einem der Schränke im Bad hatte sie all diese Sachen noch mal vorrätig. Merkwürdig war das trotzdem.

      An diesem Morgen war sein Gesichtsdouble nicht an der Bushaltestelle. Wieder redete sich Simon ein, alles wäre in Ordnung. Hin und wieder versuchte er, im Unterricht die Aufmerksamkeit von Nadja auf sich zu ziehen, aber sie beachtete ihn zwei Stunden lang kein einziges Mal.

      Als er zur ersten großen Pause aus seiner Klasse heraustrat, stand Herr Hofmann, ein Sportlehrer, mit einem Sechst- oder Siebtklässler im Flur. Die beiden schauten ihn an, als hätten sie auf ihn gewartet. Mit ausgestrecktem Arm zeigte der Junge auf Simon: »Der war’s!«

      »Was hab ich denn jetzt schon wieder gemacht?«, fragte Simon verärgert. Manchmal hatten sich die Lehrer auch ganz ohne Grund gegen ihn verschworen.

      Ohne ein weiteres Wort ging Herr Hofmann auf Simon zu, packte ihn unsanft am Arm und zog ihn zur Seite. Dafür zeig ich dich an, du Penner, dachte Simon als Erstes. Aber dann überlegte er fieberhaft, um welche seiner letzten Aktionen es wohl gehen könnte. Ausnahmsweise war er sich keiner Schuld bewusst. »Jetzt bist du dran!«, knurrte Herr Hofmann.

      »Was hab ich gemacht?«, rief Simon und befreite sich aus dem festen Griff des Lehrers.

      »Du bist gesehen worden, wie du in den Umkleideräumen der Klasse 7b warst und die Schultaschen durchwühlt hast!«

      »Was?!« Das war ja wohl der größte Witz, den Simon je gehört hatte. »Was soll ich gemacht haben?! Schultaschen durchwühlt? Von wem denn? Von dem da?« Er zeigte mit seinem Kinn verächtlich auf den blöden Pimpf, der wie ein Soldat neben seinem Lehrer stand.