Die FROST-Chroniken 1: Krieg und Kröten. Susanne Pavlovic. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Susanne Pavlovic
Издательство: Bookwire
Серия: FROST-Chroniken
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958691346
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spöttisches Lächeln zupfte an ihren – oder seinen – Mundwinkeln, dann drehte Arkadis sich um und ging in die angewiesene Richtung davon. Er sah ihr nach. Das Bewegungsmuster war weiblich – die Art, die Füße schmal zu setzen, der Hüftschwung – gleichzeitig war da kaum etwas, das man als Hüfte bezeichnen konnte. Lange muskulöse Beine wie die eines Jünglings und eine Art, die schmalen Schultern zu straffen, die nicht zu einer Frau passte.

      Vielleicht würde er ihr – oder ihm – erlauben, in seinem Teich zu baden, und sich auf die Lauer legen. Jeder war doch das eine oder das andere.

      Schritte näherten sich. Jemand blieb hinter ihm stehen. Ein energischer Griff nach seiner Schulter. Blecheimerstimme.

      »Meister Yuri. Wie schön. Du kommst vorbei, um mir mein Geld zu geben.«

      »Ich kam vorbei, um mein Wirken an dieser ehrwürdigen Stätte wiederaufzunehmen«, sagte Yuriko. »Nur um zu erfahren, dass man mich vollständig aus dem Bildungsbetrieb entfernt hat. Ich bin noch dabei, diese Schmach zu verarbeiten.«

      Er wagte einen Blick über die Schulter. Galina stützte sich auf einen Besen. Um die Mitte hatte sie eine fleckige Schürze gewickelt. Ihr Gesicht war gerötet, verschwitzte Haarsträhnen hingen ihr in die Stirn.

      »Du hast nicht ernsthaft damit gerechnet, dass deine alte Anstellung noch frei ist«, sagte sie. »Ksantho Malrandir Kraka hat übernommen, sobald du weg warst. Erst vertretungsweise, aber dann sehr schnell dauerhaft.«

      »Er hat nur drauf gewartet, die kleine Aaskrähe.«

      Galina nickte düster. »Seine erste Amtshandlung war, mein Lehrverhältnis zu kündigen. Sagte, eine so untalentierte Schülerin sei unter seiner Würde.«

      »Na ja, hätte damals nicht deine Tante ein gutes Wort für dich eingelegt, oder fünf …«

      »Sag es nicht!«

      »Ich habe tatsächlich noch nie eine so untalentierte Zauberin gesehen wie dich. Und ich habe viele gesehen.«

      Galina umklammerte den Besen. »Du hast es gesagt.«

      »Weil’s wahr ist.«

      »Weißt du, was noch wahr ist? Du bist ein lüsterner, fauler, alter Sack ohne jedes Verantwortungsgefühl! Du denkst den ganzen Tag an nichts anderes als ans Vö-«

      »Oi!«

      »Du bist der schlechteste Lehrmeister, den man sich vorstellen kann!«

      »Du bist die schlechteste Schülerin, die man sich vorstellen kann!«

      Galina ließ sich neben Yuriko auf die Bank fallen.

      »Und jetzt«, sagte sie leise.

      »Keine Ahnung«, sagte Yuriko. »Mir fällt schon was ein. Hast du Geld? Ich brauche ein Frühstück, das aus mehr besteht als nur Tee.«

      »Das ist nicht dein Ernst. Ich habe dir gestern mein ganzes Erspartes gegeben! Wo hast du es?«

      »Das war dein ganzes Erspartes?«

      »Ich bin Hausmeisterin! Was zahlen die mir wohl, hm?«

      Yuriko seufzte schwer. »Du bekommst es zurück, sobald ich auf der Bank war. Und ich nehme deine Ausbildung wieder auf, wenn du es wünschst. Deiner Tante zuliebe. Wie geht es ihr im Übrigen?«

      »Du warst noch nicht bei ihr?«

      »Hrm … nein.«

      »Du warst vor ihrem Haus, aber du hast dich nicht getraut zu klopfen.«

      »Es steht einer jungen Frau gar nicht gut zu Gesicht, so neunmalklug zu sein.«

      »Um dich zu durchschauen, reicht es, wenn man nicht komplett dämlich ist. Geh sie besuchen. Ich bin sicher, sie freut sich.«

      Arkadis kam zurück und erlöste Yuriko von dem Thema. Sie trug einen Teebecher vor sich her, aus dem es dampfte. Sehnsüchtig streckte Yuriko die Hand danach aus. Arkadis setzte sich, zog die Augenbrauen hoch und führte den Becher zum Mund. Yuriko ließ die Hand sinken.

      »Und wer ist das?«, erkundigte sich Galina und beugte sich vor, um Arkadis zu mustern. »Du hast nicht etwa einen neuen Lehrling in Dienst genommen?«

      »Nein. Ich habe sie unter meiner Treppe gefunden. Ihr Name ist Arkadis, und sie spricht nicht.«

      »Oh.« Galina streckte Arkadis an Yuriko vorbei die Hand hin. »Hallo, ich bin Galina. Meister Yuris Schülerin.«

      Arkadis legte ein wenig Wärme in ihr Lächeln und ergriff die dargebotene Hand. Yuriko wollte einstweilen den Teebecher an sich bringen, aber Arkadis hielt ihn außerhalb seiner Reichweite. Yuriko zog ein Gesicht, aber es blieb unbeachtet.

      Arkadis sah Galina an, zeigte zwischen sich und Yuriko hin und her und streckte dann Galina die Zunge heraus. Galinas Augen wurden groß. »Das ist ja höchst spannend«, sagte sie. »So etwas hab ich ja noch nie gesehen. Gibt es schon eine Theorie? Woher, weshalb, wie? Hängt die Stummheit mit dem Siegel zusammen?«

      Arkadis nickte.

      »Woher kommst du, Arkadis?«

      Arkadis machte eine weite Bewegung mit beiden Armen, deutete dann Wellenbewegungen an und hielt sich die Hand über die Augen, als würde sie einen Horizont absuchen.

      »Von weither?«, vermutete Galina. »Abrantes?« Arkadis zögerte, schüttelte dann den Kopf und deutete auf ihre Füße.

      »Du bist zu Fuß …? Nein. Übers Meer? Aus dem Süden?«

      Arkadis nickte.

      »Wie schön, dass ihr euch so gut versteht«, sagte Yuriko. »Weißt du was, Galina, nimm sie doch mit in die Bibliothek. Zeichne das Siegel ab, sei sorgfältig dabei! Achte auf die Details! Und such schon mal Literatur raus. Alistis Ryu hat ein Kapitel über fernländische Siegelkunst, wenn ich mich recht erinnere. Wir brauchen jedenfalls das Formenregister. In Osses Siegelkunde kannst du auch nachsehen.«

      »Während du in der Zwischenzeit die Füße hochlegst?«

      »Während ich zur Bank gehe und meine Finanzen regele.«

      »Damit kann ich leben. Kommst du mit, Arkadis?«

      Arkadis folgte Galina bereitwillig. Den Tee nahm sie mit, dafür ließ Galina den Besen da. Ohne Tee und ohne Frühstück saß Yuriko noch eine Weile in der Sonne, bis Padda auf seiner Schulter unruhig wurde. Ohne genau zu wissen, was der Kröter wollte, setzte Yuriko sich in Bewegung.

      Ob sich seine Rückkunft schon bis in den Keller der Arkania herumgesprochen hatte? Und wenn ja, war das gut oder schlecht? Yuriko fühlte sich zart besaitet. Schon die Vorstellung, von Frakis kühl abgewiesen zu werden, schnürte ihm die Luft ab. Vielleicht konnte Galina vorfühlen gehen. Es musste doch irgendjemanden in dieser Stadt geben, der sich freute, dass er wieder da war.

      Durch die sonnigen Straßen schlenderte er hinüber zur zentallinischen Königsbank, einem imposanten mehrstöckigen Gebäude, errichtet aus riesigen hellen Steinquadern. Über dem säulengestützten Eingang breitete der Königsschwan seine Flügel aus. Im Inneren herrschte andächtige Stille. Yurikos Schritte verhallten in dem hohen Gewölbe.

      Ein blasser Glatzkopf in einer Robe, die schlichte Eleganz verriet, nahm ihn in Empfang und erinnerte sich tatsächlich an ihn.

      »Ich lasse die Bücher heraussuchen«, bot er an. »Einen Becher Tee für die Wartezeit?«

      Yuriko akzeptierte eine Spur zu dankbar. Padda turnte ihm zwischen Kragen und Haaransatz herum, und er nahm den Kröter auf die Hand und stellte sich mit ihm in einen Sonnenfleck. Padda sah ihn unverwandt an, und Yuriko versenkte sich in der reglosen Tiefe seiner bernsteinfarbenen Augen und zuckte zusammen, als der Angestellte ihm den Tee hinhielt.

      Er hatte den Becher noch nicht geleert, als der Glatzkopf zurückkam und verkündete, es sei nun alles bereit. Er schielte auf Yurikos Hände, aber der war nicht bereit, sich von Padda oder dem Teebecher zu trennen und nahm stoisch beides mit in den kleinen Besprechungsraum, wo der