System des transzendentalen Idealismus. Friedrich Wilhelm Schelling. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Friedrich Wilhelm Schelling
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849634902
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seien. - Ob in unserem Wissen wirklich Realität sei, wird davon abhängen, ob diese erst abgeleiteten Bedingungen nachher wirklich sich aufzeigen lassen.

      Wenn alles Wissen auf der Übereinstimmung eines Objektiven und Subjektiven beruht (Einl. § 1), so besteht unser ganzes Wissen aus Sätzen, die nicht unmittelbar wahr sind, die ihre Realität von etwas anderem entlehnen.

      Die bloße Zusammenstellung eines Subjektiven mit einem Subjektiven begründet kein eigentliches Wissen. Und umgekehrt, das eigentliche Wissen setzt ein Zusammentreffen von Entgegengesetzten voraus, deren Zusammentreffen nur ein vermitteltes sein kann.

      Es muß also etwas allgemein Vermittelndes in unserem Wissen geben, was einziger Grund des Wissens ist.

      2. Es wird als Hypothese angenommen, in unserem Wissen sei ein System, d.h., es sei ein Ganzes, was sich selbst trägt und in sich selbst zusammenstimmt. -Der Skeptiker leugnet diese Voraussetzung, wie die erste, und sie ist, wie jene, nur durch die Tat selbst zu beweisen. - Was wäre es denn, wenn auch unser Wissen, ja wenn unsere ganze Natur in sich selbst widersprechend wäre? - Also nur angenommen, unser Wissen sei ein ursprüngliches Ganzes, dessen Grundriß das System der Philosophie sein soll, so wird wiederum vorläufig nach den Bedingungen eines solchen gefragt.

      Da jedes wahre System (wie z.B. das des Weltbaues) den Grund seines Bestehens in sich selbst haben muß, so muß, wenn es ein System des Wissens gibt, das Prinzip desselben innerhalb des Wissens selbst liegen.

      3. Dieses Prinzip kann nur Eines sein. Denn alle Wahrheit ist sich absolut gleich. Es mag wohl Grade der Wahrscheinlichkeit geben, die Wahrheit hat keine Grade; was wahr ist, ist gleich wahr. - Daß aber die Wahrheit aller Sätze des Wissens eine absolut gleiche sei, ist unmöglich, wenn sie ihre Wahrheit von verschiedenen Prinzipien (Vermittlungsgliedern) entlehnen, es muß also nur Ein (vermittelndes) Prinzip in allem Wissen sein.

      4. Dieses Prinzip ist mittelbar oder indirekt Prinzip jeder Wissenschaft, aber unmittelbar und direkt nur Prinzip der Wissenschaft alles Wissens, oder der Transzendental-Philosophie.

      Durch die Aufgabe, eine Wissenschaft des Wissens, d.h. eine solche, welche das Subjektive zum Ersten und Höchsten macht, aufzustellen, wird man also unmittelbar auf ein höchstes Prinzip alles Wissens getrieben.

      Alle Einwendungen gegen ein solches absolut höchstes Prinzip des Wissens sind schon durch den Begriff der Transzendental-Philosophie abgeschnitten. Alle entspringen nur daher, daß man die Beschränktheit der ersten Aufgabe dieser Wissenschaft übersieht, welche gleich anfangs von allem Objektiven abstrahiert und nur das Subjektive im Auge behält.

      Es ist gar nicht die Rede von einem absoluten Prinzip des Seins, denn gegen ein solches gelten alle jene Einwürfe, sondern von einem absoluten Prinzip des Wissens.

      Nun ist aber offenbar, daß, wenn es nicht eine absolute Grenze des Wissens - etwas gäbe, das uns, selbst ohne daß wir uns seiner bewußt sind, im Wissen absolut fesselt und bindet, und das uns, indem wir wissen, nicht einmal zum Objekt wird, eben deswegen, weil es Prinzip alles Wissens ist - daß es alsdann überhaupt nie zu einem Wissen, nicht einmal zu einem einzelnen kommen könnte.

      Der Transzendental-Philosoph fragt nicht: welcher letzte Grund unseres Wissens mag außer demselben liegen? sondern: was ist das Letzte in unserem Wissen selbst, über das wir nicht hinauskönnen? - Er sucht das Prinzip des Wissens innerhalb des Wissens (es ist also selbst etwas, das gewußt werden kann).

      Die Behauptung: es gibt ein höchstes Prinzip des Wissens, ist nicht wie die: es gibt ein absolutes Prinzip des Seins, eine positive, sondern eine negative, einschränkende Behauptung, in der nur so viel liegt: es gibt irgend ein Letztes, von welchem alles Wissen sich anfängt, und jenseits dessen kein. Wissen ist.

      Da der Transzendental-Philosoph (Einl. § 1) überall nur das. Subjektive sich zum Objekt macht, so behauptet er auch nur, daß es subjektiv, d.h. daß es für uns irgend ein erstes Wissen gebe; ob es, abstrahiert von uns, jenseits dieses ersten Wissens noch überhaupt etwas gebe, kümmert ihn vorerst gar nicht, und darüber muß die Folge entscheiden.

      Dieses erste Wissen ist für uns nun ohne Zweifel das. Wissen von uns selbst, oder das Selbstbewußtsein. Wenn der Idealist dieses Wissen zum Prinzip der Philosophie macht, so ist dies der Beschränktheit seiner ganzen Aufgabe gemäß, die außer dem Subjektiven des Wissens nichts zum Objekt hat. - Daß das Selbstbewußtsein der feste Punkt sei, an den für uns alles geknüpft ist, bedarf keines Beweises. - Daß nun aber dieses Selbstbewußtsein nur die Modifikation eines höheren Seins - (vielleicht eines höheren Bewußtseins, und dieses eines noch höheren, und so ins Unendliche fort) sein könne - mit Einem Wort, daß auch das Selbstbewußtsein noch etwas überhaupt Erklärbares sein möge, erklärbar aus etwas, von dem wir nichts wissen können, weil eben durch das Selbstbewußtsein die ganze Synthesis unsers Wissens erst gemacht wird - geht uns als Transzendental-Philosophen nichts an; denn das Selbstbewußtsein ist uns nicht eine Art des Seins, sondern eine Art des Wissens, und zwar die höchste und äußerste, die es überhaupt für uns gibt.

      Es läßt sich sogar, um noch weiter zu gehen, beweisen, und ist zum Teil schon oben (Einl. § 1) bewiesen worden, daß selbst, wenn das Objektive willkürlich als das Erste gesetzt wird, wir doch nie über das Selbstbewußtsein hinauskommen. Wir werden alsdann in unsern Erklärungen entweder ins Unendliche zurückgetrieben, vom Begründeten zum Grund, oder wir müssen die Reihe willkürlich abbrechen, dadurch, daß wir ein Absolutes, das von sich selbst die Ursache und die Wirkung - Subjekt und Objekt - ist, und da dies ursprünglich nur durch Selbstbewußtsein möglich ist, dadurch, daß wir wieder ein Selbstbewußtsein als Erstes setzen; dies geschieht in der Naturwissenschaft, für welche das Sein ebenso wenig ursprünglich ist wie für die Transzendental-Philosophie (s. den Entwurf eines Systems der Naturphilosophie S. 5 [ I, III, 12 d. O.-A.]), und welche das einzig Reelle in ein Absolutes setzt, das von sich selbst Ursache und Wirkung ist - in die absolute Identität des Subjektiven und Objektiven, die wir Natur nennen und die in der höchsten Potenz wieder nichts anderes als Selbstbewußtsein ist.

      Der Dogmatismus, dem das Sein das Ursprüngliche ist, kann überhaupt nur durch einen unendlichen Regressus erklären; denn die Reihe von Ursachen und Wirkungen, an welchen seine Erklärung fortläuft, könnte nur durch etwas, was zugleich Ursache und Wirkung von sich ist, geschlossen werden; aber eben dadurch würde er in Naturwissenschaft verwandelt, welche selbst wiederum in ihrer Vollendung in das Prinzip des transzendentalen Idealismus zurückkehrt. (Der konsequente Dogmatismus existiert nur im Spinozismus; der Spinozismus kann aber als reelles System wiederum nur als Naturwissenschaft fortdauern, deren letztes Resultat wieder Prinzip der Transzendental-Philosophie wird.)

      Aus dem allem ist offenbar, daß das Selbstbewußtsein den ganzen auch ins Unendliche erweiterten Horizont unsers Wissens umgrenzt, und in jeder Richtung das Höchste bleibt. Jedoch bedarf es zum gegenwärtigen Zweck dieser weitaussichtigen Gedanken nicht, sondern nur der Reflexion über den Sinn unserer ersten Aufgabe. - Jeder wird ohne Zweifel folgendes Räsonnement verständlich und evident finden.

      Es ist mir vorerst bloß darum zu tun, in mein Wissen selbst ein System zu bringen, und innerhalb des Wissens selbst dasjenige zu suchen, wodurch alles einzelne Wissen bestimmt ist. - Nun ist aber ohne Zweifel das, wodurch alles in meinem Wissen bestimmt ist, das Wissen von mir selbst. - Da ich mein Wissen nur in sich selbst begründen will, so frage ich nicht weiter nach dem letzten Grund jenes ersten Wissens (des Selbstbewußtseins), der, wenn es einen solchen gibt, notwendig außerhalb des Wissens liegen muß. Das Selbstbewußtsein ist der lichte Punkt im ganzen System des Wissens, der aber nur vorwärts, nicht rückwärts leuchtet. - Selbst zugegeben, daß dieses Selbstbewußtsein nur die Modifikation eines