Während seines Lebens wurde S. auf das verschiedenste beurteilt; von manchen bis in den Himmel erhoben, von andern wieder für eine Inkarnation des Bösen geradezu angesehen, schätzte er selbst seine Leistungen außerordentlich hoch. Von denen, die durch S. beeinflusst wurden, mögen hier Hegel, Krause, Baader, Troxler, Steffens, Görres, Oken, Windischmann, Schubert, Solger, Cousin, v. Hartmann genannt werden. Unter den Pflegern positiver Disziplinen außerhalb der Naturwissenschaft erfuhren die Mediziner Röschlaub, Marcus, Eschenmayer, unter den Juristen der Rechtsphilosoph Fr. J. Stahl und der Romanist Puchta Anregungen von ihm. In neuester Zeit fängt man wieder mehrfach an, auf Schellings Gedanken zurückzugehen. Seine »Sämtlichen Werke«, in denen ein großer Teil seiner Schriften, wie z. B. die Vorlesungen über die Philosophie der Kunst, Philosophie der Mythologie, Philosophie der Offenbarung, die Weltalter etc., zum ersten mal gedruckt wurde, erschienen nach seinem Tode gesammelt in 14 Bänden (Stuttg. 1856–61). Von einzelnen Schriften seien erwähnt: »Über die Möglichkeit einer Form der Philosophie überhaupt« (Tübing. 1794); »Ideen zu einer Philosophie der Natur« (Leipz. 1797; 2. Aufl., Landsh. 1803); »Von der Weltseele« (Hamb. 1798, 3. Aufl. 1809); »Erster Entwurf eines Systems der Naturphilosophie« (Jena 1799); »Einleitung zu dem Entwurf der Naturphilosophie« (das. 1799); »System des transzendentalen Idealismus« (Tübing. 1800, eine der wichtigsten Schriften); »Bruno, oder über das göttliche und natürliche Prinzip der Dinge« (Berl. 1802, neue Ausg. 1843); »Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums« (Tübing. 1803, 3. Aufl. 1830); die durch ihre klassische Form ausgezeichnete Rede »Über das Verhältnis der bildenden Künste zur Natur« (Landsh. 1808); »Über die Gottheiten von Samothrake« (Stuttg. 1815), verschiedene Aufsätze in seiner »Zeitschrift für spekulative Physik« (Jena 1800–02, 2 Bde.) und in dem mit Hegel herausgegebenen kritischen »Journal der Philosophie« (Tübing. 1802–03, 2 Bde.). Schellings Münchener Vorlesungen »Zur Geschichte der neuern Philosophie und Darstellung des philosophischen Empirismus« wurden neu herausgegeben von A. Drews (Leipz. 1902). Vgl. Noack, S. und die Philosophie der Romantik (Berl. 1859, 2 Bde.); K. Fischer, Geschichte der neuern Philosophie, Bd. 7: Schellings Leben, Werke und Lehre (3. Aufl., Heidelb. 1902); »Aus Schellings Leben. In Briefen« (hrsg. von Plitt, Leipz. 1869–70, 3 Bde.); Becker, Schellings Geistesentwickelung (Münch. 1875); Rob. Zimmermann, Schellings Philosophie der Kunst (Wien 1875); Frantz, Schellings positive Philosophie (Köth. 1879–80, 3 Bde.); Groos, Die reine Vernunftwissenschaft. Systematische Darstellung von Schellings rationaler oder negativer Philosophie (Heidelb. 1889); E. v. Hartmann, Schellings philosophisches System (Leipz. 1897); Delbos, De posteriore Schellingii philosophia quatenus Hegelianae doctrinae adversatur (Par. 1902); »Fichtes und Schellings philosophischer Briefwechsel« (hrsg. von J. G. Fichte, Stuttg. 1856). Schellings Briefwechsel mit König Maximilian II. von Bayern wurde von Trost und Leist (Stuttg. 1890) herausgegeben.
System des transzendentalen Idealismus
Vorrede
Daß ein System, welches die ganze, nicht bloß im gemeinen Leben, sondern selbst in dem größten Teil der Wissenschaften herrschende Ansicht der Dinge völlig verändert und sogar umkehrt, wenn schon seine Prinzipien auf das strengste bewiesen sind, einen fortdauernden Widerspruch selbst bei solchen finde, welche die Evidenz seiner Beweise zu führen oder wirklich einzusehen imstande sind, kann seinen Grund allein in dem Unvermögen haben, von der Menge einzelner Probleme zu abstrahieren, welche unmittelbar mit einer solchen veränderten Ansicht die geschäftige Einbildungskraft aus dem ganzen Reichtum der Erfahrung herbeiführt, und dadurch das Urteil verwirrt und beunruhigt. Man kann die Kraft der Beweise nicht leugnen, auch weiß man nichts, was gewiß und evident wäre, an die Stelle jener Prinzipien zu setzen, aber man fürchtet sich vor den als ungeheuer vorgespiegelten Konsequenzen, die man aus denselben zum voraus hervorgehen sieht, und verzweifelt alle jene Schwierigkeiten zu lösen, welche die Prinzipien in ihrer Anwendung unfehlbar finden müssen. Da man aber von jedem, welcher an philosophischen Untersuchungen überhaupt Anteil nimmt, mit Recht verlangen kann, daß er jeder Abstraktion fähig sei, und die Prinzipien in der höchsten Allgemeinheit aufzufassen wisse, in welcher das Einzelne völlig verschwindet, und in der, wenn sie nur die höchste ist, sicher auch die Auflösung für alle möglichen Aufgaben zum voraus enthalten ist, so ist es natürlich, daß bei der ersten Errichtung des Systems alle ins Einzelne herabsteigenden Untersuchungen entfernt, und nur das Erste, was nötig ist, die Prinzipien ins Reine gebracht und außer allen Zweifel gesetzt werden. Indes findet doch ein jedes System den sichersten Probierstein seiner Wahrheit darin, daß es nicht nur zuvor unauflösliche Probleme mit Leichtigkeit auflöst, sondern selbst ganz neue bisher nicht gedachte hervorruft, und aus einer allgemeinen Erschütterung des für wahr Angenommenen eine neue Art der Wahrheit hervorgehen läßt. Es ist dies aber eben das Eigentümliche des transzendentalen Idealismus, daß er, sobald er einmal zugestanden ist, in die Notwendigkeit setzt, alles Wissen von vorne gleichsam entstehen zu lassen, was schon längst für ausgemachte Wahrheit gegolten hat, aufs neue unter die Prüfung zu nehmen, und gesetzt auch, daß es die Prüfung bestehe, wenigstens unter ganz neuer Form und Gestalt aus derselben hervorgehen zu lassen.
Der Zweck des gegenwärtigen Werkes ist nun eben dieser, den transzendentalen Idealismus zu dem zu erweitern, was er wirklich sein soll, nämlich zu einem System des gesamten Wissens, also den Beweis jenes Systems nicht bloß im allgemeinen, sondern durch die Tat selbst zu führen, d.h. durch die wirkliche Ausdehnung seiner Prinzipien auf alle möglichen Probleme in Ansehung der Hauptgegenstände des Wissens, welche entweder schon vorher aufgeworfen aber nicht aufgelöst waren, oder aber erst durch das System selbst möglich gemacht worden und neu entstanden sind. Es folgt daraus von selbst, daß diese Schrift Fragen und Gegenstände berühren muß, welche bei sehr vielen von solchen, die sich jetzt wohl in philosophischen Dingen ein Urteil herausnehmen, noch gar nicht in Anregung oder zur Sprache gekommen sind, indem sie noch an den ersten Anfangsgründen des Systems hangen, über welche sie, sei es aus ursprünglicher Untüchtigkeit auch nur zu begreifen, was mit ersten Prinzipien alles Wissens verlangt wird, oder aus Vorurteil, oder aus was immer für andern Gründen, nicht hinwegkommen können. Auch ist für diese Klasse, obgleich die Untersuchung, wie sich versteht, bis auf die ersten Grundsätze zurückgeht, doch von dieser Schrift wenig zu erwarten, da in Ansehung der ersten Untersuchungen in derselben nichts vorkommen kann, was nicht entweder in den Schriften des Erfinders der Wissenschaftslehre, oder in denen des Verfassers schon längst gesagt wäre, nur daß