System des transzendentalen Idealismus. Friedrich Wilhelm Schelling. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Friedrich Wilhelm Schelling
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849634902
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Art des Seins, sondern eine Art des Wissens, und nur in dieser Qualität betrachte ich es hier. Durch die Beschränktheit meiner Aufgabe, die mich ins Unendliche zurück in den Umkreis des Wissens einschließt, wird es mir ein Selbständiges und zum absoluten Prinzip - nicht alles Seins, sondern alles Wissens, da alles Wissen (nicht nur das meinige) davon ausgehen muß. - Daß das Wissen überhaupt, daß insbesondere dieses erste Wissen abhängig sei von einer von ihm unabhängigen Existenz, hat noch kein Dogmatiker bewiesen. Es ist bis jetzt ebenso möglich, daß alle Existenz nur die Modifikation eines Wissens, als daß alles Wissen nur die Modifikation einer Existenz ist. - Jedoch davon ganz abstrahiert, ganz abgesehen davon, ob das Notwendige überhaupt die Existenz, das Wissen bloß das Akzidens der Existenz ist - für unsere Wissenschaft wird das Wissen eben dadurch selbständig, daß wir dasselbe bloß, so wie es in sich selbst begründet, d.h. insofern es bloß subjektiv ist, in Betrachtung ziehen.

      Ob es absolut selbständig ist, mag bis dahin unentschieden bleiben, wo durch die Wissenschaft selbst entschieden wird, ob irgend etwas gedacht werden kann, was nicht aus diesem Wissen selbst abzuleiten ist.

      Gegen die Aufgabe selbst, oder vielmehr gegen die Bestimmung der Aufgabe kann der Dogmatiker schon deswegen nichts einwenden, weil ich meine Aufgabe ganz willkürlich einschränken, nur nicht willkürlich erweitern kann, auf etwas, was, wie zum voraus einzusehen ist, niemals in die Sphäre meines Wissens fallen kann, wie ein letzter Grund des Wissens außer dem Wissen. - Die einzig mögliche Einwendung dagegen ist die, daß die so bestimmte Aufgabe nicht Aufgabe der Philosophie, ihre Auflösung nicht Philosophie sei.

      Allein was Philosophie sei, ist eben die bis jetzt unausgemachte Frage, deren Beantwortung nur das Resultat der Philosophie selbst sein kann. Daß die Auflösung dieser Aufgabe Philosophie sei, kann nur durch die Tat selbst beantwortet werden, dadurch, daß man zugleich mit dieser Aufgabe alle die Probleme auflöst, die man von jeher in der Philosophie aufzulösen suchte.

      Wir behaupten indes mit demselben Recht, mit welchem der Dogmatiker das Gegenteil behauptet, was man bisher unter Philosophie verstanden, sei nur als Wissenschaft des Wissens möglich, und habe nicht das Sein, sondern das Wissen zum Objekt; ihr Prinzip könne also auch nicht ein Prinzip des Seins, sondern nur ein Prinzip des Wissens sein. - Ob, vom Wissen zum Sein zu gelangen, aus dem vorerst nur zum Behuf unserer Wissenschaft als selbständig angenommenen Wissen alles Objektive abzuleiten, und jenes dadurch zur absoluten Selbständigkeit zu erheben, ob uns dies sicherer gelingen werde, als dem Dogmatiker der entgegengesetzte Versuch, aus dem als selbständig angenommenen Sein ein Wissen hervorzubringen, darüber muß die Folge entscheiden.

      5. Durch die erste Aufgabe unserer Wissenschaft, zu versuchen, ob vom Wissen, als solchem (insofern es Akt ist), ein Übergang zum Objektiven in ihm (das kein Akt, sondern ein Sein, ein Bestehen ist), gefunden werden könne, durch diese Aufgabe schon ist das Wissen als selbständig gesetzt; und gegen die Aufgabe selbst ist vor dem Experiment nichts einzuwenden.

      Durch diese Aufgabe selbst ist also zugleich gesetzt, daß das Wissen ein absolutes Prinzip in sich selbst habe, und dieses innerhalb des Wissens selbst liegende Prinzip soll zugleich Prinzip der Transzendental-Philosophie als Wissenschaft sein.

      Nun ist aber jede Wissenschaft ein Ganzes von Sätzen unter bestimmter Form. Soll also durch jenes Prinzip das ganze System der Wissenschaft begründet sein, so muß es nicht nur den Inhalt, sondern auch die Form dieser Wissenschaft bestimmen.

      Es wird allgemein angenommen, der Philosophie komme eine eigentümliche Form zu, die man die systematische nennt. - Diese Form unabgeleitet vorauszusetzen, geht in andern Wissenschaften an, welche die Wissenschaft der Wissenschaft schon voraussetzen, nicht aber in dieser Wissenschaft selbst, die eben die Möglichkeit einer solchen überhaupt zum Objekt hat.

      Was ist wissenschaftliche Form überhaupt, und welches ist ihr Ursprung? Diese Frage muß durch die Wissenschaftslehre für alle andern Wissenschaften beantwortet werden. - Aber diese Wissenschaftslehre ist selbst schon Wissenschaft, es würde also einer Wissenschaftslehre der Wissenschaftslehre bedürfen, aber diese selbst würde wieder Wissenschaft sein, und so ins Unendliche fort. - Es fragt sich, wie dieser Zirkel, da er offenbar unauflöslich ist, erklärbar sei.

      Dieser für die Wissenschaft unvermeidliche Zirkel ist nicht zu erklären, wenn er nicht im Wissen selbst (dem Objekt der Wissenschaft) ursprünglich seinen Sitz hat, so nämlich, daß der ursprüngliche Inhalt des Wissens die ursprüngliche Form, und umgekehrt, die ursprüngliche Form des Wissens den ursprünglichen Inhalt desselben voraussetzt, und beide wechselseitig durcheinander bedingt sind. - Zu diesem Behuf also müßte in der Intelligenz selbst ein Punkt gefunden werden, wo durch einen und denselben unteilbaren Akt des ursprünglichsten Wissens zugleich Inhalt und Form entsteht. - Die Aufgabe, diesen Punkt zu finden, müßte identisch sein mit der, das Prinzip alles Wissens zu finden.

      Das Prinzip der Philosophie muß also ein solches sein, in welchem der Inhalt durch die Form, und hinwiederum die Form durch den Inhalt bedingt ist, und nicht eines das andere, sondern beide wechselseitig sich voraussetzen. - Gegen ein erstes Prinzip der Philosophie ist unter anderm auch auf folgende Weise argumentiert worden. Das Prinzip der Philosophie muß sich in einem Grundsatz ausdrücken lassen: dieser Grundsatz soll ohne Zweifel kein bloß formeller, sondern ein materieller sein. Nun steht aber jeder Satz, sein Inhalt sei, welcher er wolle, unter den Gesetzen der Logik. Also setzt jeder materielle Grundsatz bloß dadurch, daß er ein solcher ist, höhere Grundsätze, die der Logik, voraus. - Es fehlt zu dieser Argumentation nichts, als daß man sie umkehre. Man denke sich irgend einen formellen Satz, z.B. A = A, als den höchsten; was an diesem Satze logisch ist, ist bloß die Form der Identität zwischen A und A; aber woher kommt mir denn A selbst? Wenn A ist, so ist es gleich sich selbst; aber woher ist es denn? Diese Frage kann ohne Zweifel nicht aus dem Satz selbst, sondern nur aus einem höheren beantwortet werden. Die Analysis A = A setzt die Synthesis A voraus. Also ist offenbar, daß kein formelles Prinzip gedacht werden kann, ohne ein materielles, noch ein materielles, ohne ein formelles vorauszusetzen.

      Aus diesem Zirkel, daß jede Form einen Inhalt, jeder Inhalt eine Form voraussetzt, ist gar nicht herauszukommen, wenn nicht irgend ein Satz gefunden wird, in welchem wechselseitig Form durch Inhalt, und Inhalt durch Form bedingt und möglich gemacht ist.

      Die erste falsche Voraussetzung jenes Arguments ist also die der Grundsätze der Logik als unbedingter, d.h. von keinen höhern Sätzen abzuleitender. - Nun entstehen uns aber die logischen Grundsätze bloß dadurch, daß wir, was in den andern bloß Form ist, selbst wieder zum Inhalt der Sätze machen; die Logik kann also überhaupt nur durch Abstraktion von bestimmten Sätzen entstehen. Entsteht sie auf wissenschaftliche Art, so kann sie nur durch Abstraktion von den obersten Grundsätzen des Wissens entstehen, und da diese als Grundsätze hinwiederum selbst schon die logische Form voraussetzen, so müssen sie von der Art sein, daß in ihnen beides, Form und Gehalt, wechselseitig sich bedingt und herbeiführt.

      Nun kann aber doch diese Abstraktion nicht eher gemacht werden, als diese höchsten Grundsätze des Wissens aufgestellt sind, die Wissenschaftslehre selbst zustande gebracht ist. Dieser neue Zirkel, daß die Wissenschaftslehre zugleich die Logik begründen, und doch nach Gesetzen der Logik zustande gebracht werden soll, findet dieselbe Erklärung, wie der vorhin aufgezeigte. Da in den höchsten Grundsätzen des Wissens Form und Gehalt durcheinander bedingt sind, so muß die Wissenschaft des Wissens zugleich das Gesetz und die vollkommenste Ausübung der wissenschaftlichen Form, und der Form sowohl als dem Gehalt nach absolut autonomisch sein.

      Zweiter Abschnitt. Deduktion des Prinzips selbst

      Wir sprechen von einer Deduktion des höchsten Prinzips. Es kann nicht davon die Rede sein, das Prinzip aus einem höheren abzuleiten, überhaupt nicht von einem