Unsere Meinungen gehen derzeit eben auseinander, und wir sollten alle Themen vermeiden, die Konfrontation bringen.«
Grit hatte überhaupt nicht zugehört.
»Guck mal, dort drüben die Frau hat auch diese Tasche. Vielleicht gibt es hier ein Geschäft, in der man sie kaufen kann. Warte, ich will die Frau rasch fragen.«
Sie raste über die Straße, sprach die Frau an, die beiden unterhielten sich, tauschten Visitenkarten aus.
Grit kam zurück.
»Leider ist sie hier auch nicht zu haben, aber diese Dame ist mit einem Generalagenten befreundet, sie will versuchen, die Tasche für mich zu bekommen, und natürlich auch für Mona.«
»Komm, steig ein«, sagte Bettina, »damit es für dich nicht noch später wird. Schließlich mußt du dich auch noch von deinen Kindern verabschieden.«
Grit begann in ihrer Tasche zu kramen, holte ihr Handy hervor.
»Mona, gut, daß ich dich erreiche«, rief sie, »ich habe die Schuhe, alle, die du haben wolltest, und stell dir vor, ich habe eine Frau ganz zufällig kennengelernt, die uns die Marssontasche vielleicht besorgen kann.«
Sie plauderte weiter, aber Bettina resignierte. Es hatte keinen Sinn mit Grit, nicht, solange sie so drauf war.
Irgendwann beendete Grit ihr Telefonat, der Rest der Fahrt verlief schweigend, die beiden Schwestern hatten sich nichts zu sagen.
*
Erstaunlicherweise schien die Abreise ihrer Mutter den beiden Kindern überhaupt nichts ausgemacht zu haben.
Merit fühlte sich wie zu Hause, sie spielte mit Hektor, ging mit Toni und Arno zu den Tieren oder sie tummelte sich bei Leni im Haus oder in der Küche.
Manchmal kam sie zu Bettina gelaufen, schlang ihre Ärmchen um deren Hals und rief außer sich vor Freude und ganz glücklich: »Ach, Tante Bettina, ist es schön hier bei dir. Am liebsten möchte ich für immer hier bleiben.«
Niels war irgendwo verstockt. Er hockte eigentlich meist die ganze Zeit draußen auf der Bank und machte irgendwelche Computerspiele.
Bettina hatte schon mehrfach versucht, ihn aus der Reserve zu locken, aber das wollte ihr nicht gelingen.
»Ich finde es ätzend hier, ich wollte ja auch nicht hierher auf diesen doofen Bauernhof.«
»Das ist schade, aber nicht zu ändern, diese Woche wirst du wohl durchhalten müssen«, sagte Bettina und versuchte, ihm irgend etwas schmackhaft zu machen, vergebens, nicht einmal mit einer Bootsfahrt konnte sie ihn locken.
An diesem Vormittag war Merit mit Leni und Arno zum Einkaufen gefahren, Niels hockte, wie üblich, auf der Bank.
Bettina wollte gerade nach draußen gehen, um nochmals mit ihrem Neffen zu reden, als sie an der Tür innehielt.
Toni redete gerade mit Niels.
»Hast ja ganz schön geschickte Finger«, sagte Toni, »wenn ich sehe, wie du stundenlang auf diesem blöden Kasten herumhämmerst. Aber sag mal, findest du das nicht langweilig? Mit diesen Händen könntest du auch etwas anderes machen.«
Niels hörte auf zu spielen, was ja ganz beachtlich war.
»Und was?« erkundigte er sich mit mäßigem Interesse in der Stimme.
»Na ja, ich könnte dich gut gebrauchen, du könntest mir drüben im Haus helfen beim Hobeln, beim Hämmern, bei all den Arbeiten. Ich könnte geschickte Hände wirklich gut gebrauchen.«
»Ich kann so was nicht.«
Toni winkte ab.
»Jemand wie du sagt das? Nö, glaub mir mal, ich verstehe was davon. Jemand wie du kann das.«
Niels’ Interesse war geweckt.
»Glaubst du das in echt?«
»Würde ich es sonst sagen? Ich weiß, daß du es kannst, und wir sollten hier mit dummen Reden keine Zeit verlieren, sondern uns an die Arbeit machen.«
Niels legte sein Spiel beiseite.
»Also gut, wenn du meinst… ich komme mit.«
»Dann solltest du dich aber umziehen«, gab Toni zu bedenken.
»Ich hab’ aber nur so was. Aber weißt du, Toni, das macht nichts, diese Sachen können ruhig schmutzig werden. Ich kann sie sowieso nicht leiden, die Mama findet sie bloß gut.«
»Mal sehen, daß ich noch eine Arbeitsschürze für dich finde, die nicht ganz so groß ist. Also dann komm, Kumpel, ich bin wirklich gespannt darauf zu sehen, wie geschickt du dich anstellst.«
Bettina lugte vorsichtig aus der Tür heraus.
Hand in Hand gingen Toni und Niels zum ehemaligen Gesindehaus und schienen sich ausgesprochen angeregt zu unterhalten.
Es war ja ganz erstaunlich, wie gut Toni mit Kindern umgehen konnte. Das hätte sie wirklich nicht von ihm gedacht. Immerhin war es ihm gelungen, Niels von seinen Computerspielen wegzuholen. Das war vorher niemanden gelungen, ihr auch nicht.
Da beide Kinder gut versorgt waren, beschloß Bettina zu Markus zu fahren und ihn zu fragen, ob er an Bäumen ihres Waldes interessiert war. Linde hatte ja gesagt, das sei überhaupt kein Problem.
Sie griff nach ihrer Tasche, lief hinüber ins Gesindehaus, um Toni Bescheid zu sagen. Der war mittlerweile damit beschäftigt, Niels zu sagen, wie man einen Hobel ansetze.
»Toni, das geht nicht, dazu ist Niels noch viel zu klein«, rief Bettina, als sie das sah.
»Unsinn, der Junge kann das… laß uns mal machen.«
»Also gut, ich sag dann nichts mehr, bis später also.«
Sie drehte sich um, im Hinausgehen hörte sie, wie Toni sagte: »Frauen, was verstehen die schon.«
»Das ist wahr«, kicherte Niels, »aber eigentlich ist die Tante Bettina ganz nett.«
Oh, welch ein Kompliment. Bettina war ganz stolz und hätte sich am liebsten umgedreht, um Niels so ordentlich zu knuddeln. Aber das ließ sie besser sein.
Männer unter sich, das war so etwas, wo man nicht hineinplatzen durfte, schon gar nicht mit einem Gefühlsausbruch.
Lachend lief Bettina über den Hof.
Freudig gesellte Hektor sich zu ihr. Sie kraulte ihn.
»Du kannst leider nicht mit. Paß schön auf den Hof auf.«
Als der Hund begriffen hatte, daß es keinen Spaziergang geben würde und auch sonst nichts zu holen war, wandte er sich beleidigt ab, um sich mitten auf dem Hof in die Sonne zu legen.
*
Markus war sichtlich erfreut, Bettina zu sehen, und wie von Linde vorausgesagt, gab es mit den Bäumen überhaupt keine Probleme. Er war sehr interessiert.
»Dein Vater hat mir auch immer welche verkauft. Es sind sogar noch ziemlich viele da, die dein Vater und ich noch gemeinsam angezeichnet haben. Aber ehe es dann zum Verkauf kam, ist er darüber ja leider verstorben. Wenn du willst, fahren wir gemeinsam in den Wald, und ich zeige dir die Bäume.«
»Nein, danke, Markus, das ist nicht nötig, fällt doch zuerst die Bäume, die mein Vater dafür vorgesehen hat… wann wird das sein?«
»Nun, ich werde mir das alles noch einmal ansehen. Aber so in zwei, drei Wochen können wir damit beginnen.«
Bettina nickte. Sie hätte sich jetzt gern nach der Bezahlung erkundigt, aber glücklicherweise fing Markus davon an.
»Wenn du willst, handhabe ich es mit dem Finanziellen so wie mit deinem Vater. Nachdem ich mir nochmals alles angesehen habe, mache ich dir ein Angebot, und nach dem Fällen erfolgt die Bezahlung.«
Wieder nickte Bettina.
Nachdem alles Geschäftliche besprochen