»Doch nicht Fordani«, ächzte Grit.
Bettina blieb stehen.
»Grit, ich kann dieses Wort nicht mehr hören, es gibt mehr auf dieser Welt als diesen Fordani, und außerhalb dieses Kreises, in dem du dich derzeit leider bewegst, kennt ihn auch keiner, und außer diesen Frauen, zu denen du dich derzeit leider zählst, würde auch niemand, wirklich niemand so viel Geld für ein paar Schuhe ausgeben. Wenn ich daran denke, wieviel Geld du gerade verschwendet hast, könnte ich mich übergeben. Aber laß uns davon aufhören, offensichtlich können wir derzeit auf keinen gemeinsamen Nenner kommen, was ich sehr bedaure. Hören wir also auf damit. Am besten bringen wir die Tüten zum Auto, und dann gehen wir Kaffeetrinken. Die Terrasse vom Parkhotel wird dir gefallen und, da bin ich mir sehr sicher, auch deinen Ansprüchen genügen.«
Die letzten Worte waren ironisch gemeint, aber das merkte Grit nicht.
Da sie auch in der Nähe des Parkhotels geparkt hatten, waren die Schuhe schnell verstaut, und nur wenig später saßen sie auf der Terrasse, und auch diesmal hatten sie Glück, einen Platz an der Brüstung zu bekommen. Wohlgefällig schaute Grit sich um.
»Ja, es ist schön hier, und auch das Publikum gefällt mir. Gut, daß du dich hierher zurückziehst, um vernünftige Leute zu sehen, auf dem Hof mußt du ja depressiv werden.«
»Auf dem Hof fühle ich mich sehr, sehr wohl, ich bin sogar glücklich dort, und hier war ich, seit ich in Fahrenbach lebe, nur ein einziges Mal.«
»Bettina, das geht nicht, du lebst doch am Leben vorbei.«
»Oh nein, ganz im Gegenteil. Thomas Sibelius, an den kannst du dich sicherlich erinnern, ist wieder in meinem Leben, und ich bin mit ihm sehr, sehr…«
Sie wurde durch Grit unterbrochen.
»Guck mal, die rothaarige Frau, die gerade auf die Terrasse gekommen ist, hat genau die Tasche, hinter der ich wie wild her bin. Aber du wirst es nicht glauben, man muß fast fünf Monte warten, um sie zu bekommen. Mona versucht gerade mit tausend Tricks, das wir sie doch früher kaufen können.«
Das war nicht Grit, die da sprach, nicht Grit, ihre Schwester!
Früher konnte man sich doch mit ihr unterhalten, und jetzt konnte sie nicht einmal mehr zuhören.
»Wie geht es Holger?« wechselte sie das Thema.
Grit zuckte die Achseln.
»Weiß ich nicht richtig, wir gehen uns aus dem Weg und sind ziemlich genervt voneinander.«
»Das verstehe ich nicht. Ihr habt euch doch früher immer so gut verstanden.«
»Früher war ich auch eine kleine unbedarfte Maus. Ich habe mich neu entdeckt und weiß jetzt, was ich will. Ich will leben, ich will Spaß haben. Aber er ist irgendwo stehengeblieben, hat sich nicht weiter entwickelt. Du kannst dir nicht vorstellen, wie maßlos enttäuscht ich von ihm bin.«
»Er sicherlich von dir auch, so wie ich Holger kenne, kann er mit dir doch gar nicht mehr umgehen.«
»Ergreifst du seine Partei?«
»Ich ergreife niemandes Partei, sondern sage nur meine Meinung. Und deswegen sage ich dir jetzt auch, daß ich traurig bin über die Entwicklung, die du genommen hast.«
Grit lachte.
»Dein Blick ist durch das Leben auf dem Lande nur getrübt, verkauf den ganzen Krempel und komm zurück in die Stadt.«
»Und was soll ich da machen?«
»Na ja, so ganz richtig war es nicht, daß Frieder sich so rigoros durchgesetzt und dich sofort aus deinem Job gekickt hat. Aber du mußt ihn auch verstehen, nachdem er so viele Jahre von Papa unterdrückt worden war, wollte er sich verwirklichen, und das tut er auch. Du glaubst überhaupt nicht, wie gigantisch er umgebaut hat. Du wirst es bei der Eröffnungsparty sehen. Du erkennst das Bürohaus nicht wieder, auch sein Privathaus ist total umgebaut. Die Feier war allerdings schon, alle waren da.«
»Nur ich nicht«, bemerkte Bettina trocken. Sie war deswegen nicht böse, weil sie wegen einer Feier sicherlich nicht den Fahrenbach-Hof verlassen hätte.
»Tut mir leid, Bettina. Bestimmt haben sie vergessen, dir eine Einladung zu schicken.«
»Das haben sie ganz gewiß nicht, Grit. Sie wollten mich nicht dabei haben, so einfach ist das.«
Das Thema war Grit äußerst unangenehm.
»Nun ja… weißt du… ich will nicht um den heißen Brei herumreden. Wir haben irgendwie alle in kleines Problem mit dir, weil du dich so sehr gegen alle Neuerungen stellst, statt dich zu freuen und statt jetzt auch ein wenig… sagen wir es einmal drastisch – auf den Putz zu hauen. Du bist wie Papa, erinnerst uns an Papa, und bei dir haben wir das Gefühl, daß du uns blockierst. Jörg wird aus dem Chateau etwas ganz Großes machen, und auch Frieder hat Visionen, wie er das Weinkontor weiterführen will. Zuerst wollte er sich ja mit dem zufrieden geben, was er geerbt hat, aber jetzt wird er alles verändern, er will voll durchstarten.«
Bettina konnte diesem pubertären Gerede nicht mehr zuhören.
»Hier gefällt es dir doch, nicht wahr, Grit?« wollte sie ihre Schwester in die Realität zurückbringen.
»Oh ja, ausnehmend gut.«
»Auf der Weinkarte stehen alle Weine des Chateaus.«
»Oh, das ist wunderbar.«
»Aber nicht mehr lange, liebe Schwester, weil unser gemeinsamer Bruder, dieser… dieser Visionär, schleppend liefert und den Kunden verlieren wird, wenn er nicht sofort handelt.«
»Vielleicht will er ja diese kleineren Restaurants nicht mehr beliefern, aber das geht mich auch nichts an, sprich doch mit ihm, aber vorsichtig, Frieder ist sehr empfindlich. Das bekommt Mona auch zu spüren… in dieser Ehe stimmt längst auch nicht mehr alles. Warum glaubst du denn, haben sie Linius ins Internat gesteckt? Sicherlich auch, damit er eine hervorragende Erziehung bekommt, aber auch, weil die beiden sich dauernd zoffen.«
»Du wirst doch deine Kinder nicht ins Internat stecken?«
»Wie kommst du denn darauf?« empörte Grit sich.
»Ich meine nur, weil eure Ehe doch offensichtlich auch nicht mehr stimmt.«
»Darunter werden meine Kinder nicht leiden.«
Traurig blickte Bettina ihre Schwester an.
»Kinder leiden immer, oder hast du vergessen, was sich bei uns abgespielt hat, als Mama uns verlassen hat?«
Grit schaute auf ihre Uhr. »Ich muß los, schließlich muß ich noch den ganzen Weg zurückfahren.«
»Es ist schade, daß du nicht wenigstens über Nacht bleibst. Ich würde mich gern ein wenig ausgiebiger mit dir unterhalten, Grit.«
»Ach, komm du besser in die Stadt, das Leben hier nervt mich. Ich bin früher schon nicht so gern hierher gekommen.«
Sie winkte den Kellner herbei, bestand darauf zu bezahlen.
»Wenn du Geld brauchst, Bettina, ich helfe dir gern«, sagte sie praktisch im Herausgehen.
»Ich brauche kein Geld, wie kommst du denn darauf?«
»Bettina, mir machst du doch nichts vor. Die Schuhe vorhin waren dir zu teuer, und du warst zu stolz, sie von mir als Geschenk anzunehmen.«
Am liebsten hätte Bettina angefangen zu lachen. Das konnte doch nicht wahr sein.
»Grit, ich wollte die Schuhe nicht, weil sie zu teuer waren, weil sie den Preis nicht wert waren,
weil das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht stimmte, das ist eine Tatsache, die sich auch nicht verändert hätte, wenn sie mir von dir geschenkt worden wären. Aber bitte, Grit, laß uns das Thema jetzt wirklich ein für alle Mal beenden.«
»Ich habe es nur gut gemeint.«
Grit war beleidigt, und Bettina