Am 19. August 1493 verstarb Kaiser Friedrich III. in Linz im hohen Alter von 78 Jahren. In den fünf Jahrzehnten, die er die römische Krone getragen hatte, waren tiefgreifende Veränderungen in der Stellung der Habsburger im Reich, aber auch im Verhältnis von Erblanden und Reich zueinander eingetreten. Wie kein römisch-deutscher Herrscher vor ihm betrieb Friedrich dynastische Politik. Dass er zwischen 1444 und 1471 das Binnenreich überhaupt nicht betrat, ist die Folge einer radikalen Abwendung von diesem. Nur eine starke Hausmacht schien dem Habsburger Garant für ein starkes Königtum im Reich zu sein. Wenn Friedrich das gefälschte Privilegium maius Herzog Rudolfs IV. in den Jahren 1442 und 1453 bestätigte bzw. erweiterte, so tat er dies, um die Sonderstellung der Erblande zu befestigen. Gleichzeitig unterstrich er damit aber auch die Exklusivität des habsburgischen Hauses, der Kaiserdynastie. Das Neue im Verhältnis von Reich und Erblanden kommt am sichtbarsten darin zum Ausdruck, dass Friedrich ständig zwei Kanzleien unterhielt, nämlich eine österreichische Kanzlei für die Erblande und eine römische Kanzlei für das übrige Reichsgebiet. Eindeutig ging die Entwicklung in Richtung auf einen Dualismus Reich/Erblande.
Salzburg: ein geistliches Territorium im Spannungsfeld zwischen Habsburgern und Wittelsbachern
Die Erzbischöfe von Salzburg geboten am Ende des 13. Jahrhunderts als Reichsfürsten über eine ausgedehnte Territorialherrschaft, die mit ihren südöstlichsten Vorposten bis nach Pettau/Ptuj und Rann/Brežice (heute Slowenien) reichte, freilich nur im Gebiet um die Stadt Salzburg, im Pongau, Pinzgau und Lungau eine größere Geschlossenheit aufwies. Im wesentlichen blieb der territoriale Besitzstand im Spätmittelalter unverändert, bedeutendere Erwerbungen wie der Ankauf des Gasteinertales von den bayerischen Wittelsbachern im Jahre 1297 gelangen nur noch vereinzelt, obgleich die Salzburger Erzbischöfe dank der Gewinne aus der Saline Hallein und aus dem Edelmetallbergbau in den Tauern zu den finanzkräftigsten geistlichen Fürsten des Reiches zählten. Ein Land war das in den Händen der Erzbischöfe vereinigte Konglomerat von unterschiedlichen Herrschafts- und Gerichtsrechten am Ende des 13. Jahrhunderts noch nicht zu nennen, wie die ganz selbstverständliche Einbeziehung des Erzstifts Salzburg durch König Rudolf in den bayerischen Landfrieden 1281 deutlich macht. Die erzbischöflichen Herrschaften nördlich des Tauernkammes galten damals noch als Teil Bayerns. Erst in einem längeren Prozess, der nicht vor dem späten 14. Jahrhundert zum Abschluss gelangte, begann sich ein eigenständiges Land »Salzburg« von Bayern abzulösen. Wichtige Marksteine in diesem Prozess waren 1328 eine umfassende Rechtskodifizierung durch Erzbischof Friedrich III., welche die erzstiftischen Herrschaften bewusst gegenüber dem Geltungsbereich des bayerischen Landrechts abgrenzte, sowie ein Menschenalter später 1387 das erste machtvolle Auftreten der aus Vertretern von Prälaten, Adel und Städten gebildeten Salzburger Landstände, die angesichts der Gefangennahme ihres Landesfürsten Erzbischof Pilgrim durch die Wittelsbacher gemeinsam mit dem Dompropst die Regierung und Verteidigung des Landes übernahmen. In diese Entwicklung fügt sich nahtlos ein, dass in einer Bergwerksordnung für Gastein 1342 zum ersten Mal in Bezug auf die erzstiftischen Herrschaften von einem Land die Rede ist. Bezüglich der Grenzen dieses Landes Salzburg bestand freilich noch bis ins 16. Jahrhundert eine gewisse Unsicherheit. Während das Gebiet um Itter und Hopfgarten in Tirol oder die Stadt Mühldorf am Inn, die nicht in Verbindung zum geschlossenen Territorialbesitz der Erzbischöfe stand, zu Teilen des Landes Salzburg wurden, blieben große erzstiftische Herrschaften wie Gmünd in Oberkärnten, deren Vertreter noch bis 1555 Salzburger Landtage besuchten, letztlich außerhalb und bildeten fortan den sogenannten auswärtigen Besitz der Salzburger Kirche.
Infolge der geographischen Lage Salzburgs zwischen den Machtkomplexen der Wittelsbacher und der Habsburger engte sich der politische Handlungsspielraum der Erzbischöfe im Spätmittelalter zusehends ein. Zu Ende des 13. Jahrhunderts konnte Erzbischof Friedrich von Walchen (reg. 1270–1284), der König Rudolf im Kampf gegen Přemysl Otakar machtvoll unterstützte, immerhin noch das ganze Gewicht seiner geistlichen Autorität als Metropolit der bayerischen Kirchenprovinz in die Waagschale werfen. Seine Nachfolger traten dem österreichischen Herzog Albrecht I. in territorialpolitischen Streitfragen entschlossen entgegen, bis 1297 ein Ausgleich zustande kam. Erzbischof Konrad schwenkte in der Folge auf einen prohabsburgischen Kurs ein, an dem auch die nachfolgenden Salzburger Kirchenfürsten festhielten. Erzbischof Friedrich von Leibnitz (reg. 1315–1338) stand 1322 bei Mühldorf an der Seite Friedrichs des Schönen gegen Ludwig den Bayern und unterstützte 1335 nach Kräften die Erwerbung Kärntens durch die Habsburger. Ganz in dieser Tradition agierte Erzbischof Ortolf von Weißeneck (reg. 1343–1365). Gegen seine energische Parteinahme zugunsten der Habsburger im Kampf um Tirol begann sich indes Widerstand im Salzburger Domkapitel zu regen, wo eine bayerisch gesinnte Fraktion gegen die prohabsburgische Politik opponierte. Fortan standen einander im Domkapitel eine österreichische und eine bayerische Partei gegenüber. Mit Pilgrim von Puchheim (reg. 1366–1396) setzte sich in Nachfolge Ortolfs nach kurzer Sedisvakanz der Angehörige eines österreichischen Adelsgeschlechts durch. Seine Regierung gilt als letzter Höhepunkt in der mittelalterlichen Geschichte des Erzstifts. Kirchenrechtlich gebildet, zugleich ein tüchtiger Heerführer und geschickter Finanzmann, war Pilgrim der letzte Erzbischof, der eine weitgehend selbständige Salzburger Politik betreiben konnte. Gewiss, mancher kühne politische Plan scheiterte. Mit seiner persönlichen Präferenz für die avignonesische Obödienz im großen abendländischen Schisma vermochte Pilgrim im mehrheitlich dem römischen Papsttum zuneigenden Salzburger Metropolitanverband nicht durchzudringen. Bedeutende Erfolge verbuchte der Erzbischof aber als Landesfürst. Das Fürstentum Salzburg erreichte jetzt mit der Inkorporierung des Stifts Berchtesgaden seine größte territoriale Ausdehnung.
Pilgrims Nachfolger Gregor von Osterwitz konnte die Stellung Salzburgs dann noch einige Jahre auf hohem Niveau halten, ehe das Erzstift in eine lange Phase des Niedergangs eintrat. Den Salzburger Landständen gelang es nicht, die Schwäche der Erzbischöfe, die im 15. Jahrhundert mit Ausnahme Eberhards III. (reg. 1403–1427) durchwegs nur kurze Regierungszeiten aufwiesen, für sich zu nutzen. Wie im Jahre 1403, als sich die Stände im sogenannten »Igelbund« zusammenschlossen und Mitregierung und regelmäßige Landtage einforderten, scheiterten sie durchwegs daran, die den Erzbischöfen bei Antritt der Regierung abgetrotzten Zusagen in die Realität umzusetzen. Seinen Einfluss vermochte nur das Domkapitel durch die seit 1427 bezeugten Wahlkapitulationen in eine echte Mitregierung umzumünzen, so dass sich in Salzburg anstelle des verbreiteten Dualismus Landesfürst/Stände faktisch ein dreipoliges System aus Erzbischof, Domkapitel und Landständen ausbildete. Eine große Gefahr für Friede und Ordnung waren die zahlreichen Adelsfehden, unter denen das Land Salzburg im 15. Jahrhundert zu leiden hatte. Vor dem Hintergrund einer sich verschlechternden Finanzlage schlitterte das Erzstift immer tiefer in die Krise. Symptomatisch für die Entwicklung ist die Regierungszeit Burkhards von Weißpriach (1461–1465). Dem kaiserlichen Diplomaten und Kardinal schlug nach der Ausschreibung einer überhöhten Weihesteuer im Sommer 1462 ein Aufstand der Bauern im Pongau und Pinzgau entgegen, der die kurze Regierungszeit des Erzbischofs völlig überschattete. Es sollte freilich für das Erzstift noch schlimmer kommen. Als Kaiser Friedrich III. 1479 Erzbischof Bernhard von Rohr zur Abdankung drängte, um den Weg freizumachen für seinen Günstling, den aus Ungarn geflohenen Erzbischof von Gran Johann Beckenschlager (Beckensloer), widersetzten sich die Salzburger Landstände und eine bayerisch