Ein Thron aus Knochen und Schatten. Laura Labas. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Laura Labas
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783959912945
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auf uns lauern.

      »Geht’s dir gut?«

      Hadley wischte sich den Mund an seinem Ärmel ab. Obwohl ich das Gesicht vor Ekel verzog, sagte ich nichts. Er nickte. Links und rechts von uns befanden sich hohe Hauswände, hinter deren Fenstern Licht brannte.

      »Nimm.« Ich reichte ihm meine Wurfsterne, da er alle Waffen bis auf ein schmales Messer, das er in seinem Stiefel trug, im Wasser verloren hatte.

      Wir schlichen die Route entlang, die zwar nicht die kürzeste, dafür aber die sicherste war, da uns hier deshalb hoffentlich niemand erwarten würde.

      Plötzlich entdeckte ich etwas, das nicht hierher gehörte, und riss Hadley lautlos an der Schulter zurück. Ich deutete auf die Straße vor uns, die links und rechts von Häuserreihen eingerahmt wurde.

      »Was …?«, begann er, doch dann sah er das schmale, helle Seil selbst, das sich auf Knöchelhöhe von Haus zu Haus spannte. Eine Stolperfalle, die uns im Laufen vielleicht nicht das Genick gebrochen, aber einen Fuß verstaucht hätte.

      »Dieses Miststück«, stieß ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und riss das Seil von seinen Halterungen.

      »Du glaubst, das war …?«

      »Phi. Das hier ist viel zu provisorisch gemacht, um von den Dämonen zu stammen. Wenn wir Glück haben, sind sie gar nicht so weit vor uns. Vielleicht wurden sie auch von etwas aufgehalten«, grübelte ich mich umschauend. Oder sie ist im Gegensatz zu euch nicht in die Falle gelaufen. »Kannst du noch?«

      »Immer.« Er grinste. Das Konkurrenzdenken spornte ihn weiter an. Genauso wie mich.

      Wir kletterten zurück auf ein Dach und liefen so schnell, wie es der Regen erlaubte, und dann hatten wir die beiden Jäger entdeckt, die bereits in Sichtweite des Tempels waren. Zwischen ihnen und dem Eingang lag eine lange Straße, die frei und ungefährlich im matten Licht der Straßenlampen erschien. Sie wussten es natürlich besser, hielten sich streitend im Schatten des letzten Hauses und bemerkten uns nicht.

      »Lass mich«, wisperte Hadley, schob sich die Kapuze vom Kopf und entblößte seine nassen Dreadlocks. Er sah aus, als hätte sich eine nasse schwarze Katze an seinem Kopf festgekrallt.

      »Sie gehören ganz dir.« Ich grinste süffisant und trat beiseite.

      Er holte die Sterne hervor, die ich ihm vorhin gegeben hatte, atmete noch einmal tief durch und entließ dann innerhalb weniger Sekunden sämtliche Sterne. Surrend flitzten sie nach unten und nagelten Ian an seiner Kleidung an der Wand hinter ihm fest.

      »Ich glaube, du hast seinen Oberarm getroffen«, sagte ich, die Augen zusammenkneifend, ohne wirkliches Mitleid.

      »Niemand ist perfekt.«

      Beinahe wäre ich in lautes Gelächter ausgebrochen, wenn die Situation nicht so drängend gewesen wäre. Wir sprangen vom Dach auf einen kleineren Schuppen und von dort aus war es ein Klacks, zur Straße zu gelangen.

      Rechts und links schien alles in Ordnung zu sein. Bäume reihten sich aneinander und boten Deckung für mögliche Angreifer, nur dass sie keinen Grund sahen, sich zu verstecken. Dies war unsere letzte Aufgabe.

      Ein Schattendämon schälte sich aus der Dunkelheit und versperrte uns den Weg zum Tempel. Ich wusste, dass es ein Schattendämon war, denn ich kannte ihn und sein raubtierhaftes Lächeln. Camun.

      Hadley verlor keine Zeit und setzte zum Angriff an, während ich wie erstarrt zusah. Vage registrierte ich, dass Gareth an mir vorbeischoss, um als das letzte Hindernis für Phi und Ian zu fungieren. Ich sollte mich auf Camun konzentrieren und meinem Teammitglied unter die Arme greifen, doch ich war vollkommen erstarrt.

      Camun war der Dämon gewesen, der mich damals, als ich gerade zurück nach Ascia gekommen war, vor dem Grimmer, dem Treffpunkt der Jägergilde, angegriffen und verschleppt hatte. Er hatte Rache für irgendwelche von mir getöteten Schattendämonen gewollt, obwohl wir beide gewusst hatten, dass das nur ein Vorwand gewesen war. Es war ihm ein Spaß gewesen, die wilde Jägerin wie eine Blüte zu pflücken und zwischen seinen Fingern zu zerquetschen. Er hatte mich gefoltert und war gerade dabei gewesen, seinen Job zu Ende zu bringen, als Dorian zu meiner Rettung herbeigeeilt war. Ironischerweise hatte ich ihm mein Leben zu verdanken.

      Doch hier und jetzt? Ich war wie gelähmt und konnte mich nicht mehr daran erinnern, wie man die einfachsten Kampfbewegungen ausführte. Innerlich schalt ich mich selbst. Wie sollte ich denn jemals meine Rache verüben, wenn ich schon jetzt versteinerte? Camun bedeutete mir nichts. Ich sollte mich nicht so von seiner Anwesenheit beeinflussen lassen. Er war ein Schattendämon wie jeder andere auch und das musste ich nur im Kopf behalten. Es sollte ein Leichtes sein, ihn zu erledigen.

      Ganz langsam fand ich wieder zu mir, spürte die Kälte in meinen Gliedern und schöpfte Kraft aus dem Schlüssel. Wärme durchfuhr meinen Körper, machte mich stark und machte mich schnell.

      Die Lippen zusammenpressend umfasste ich das Waidblatt fester und zog dann ein kleineres Messer aus einer Halterung an meinem Gürtel hervor.

      In dem Moment, in dem Hadley seinen Halt verlor und rückwärts in den Matsch fiel, warf ich das Messer und traf Camuns Schulter. Seine Augen glühten, bevor die Pupillen schwanden und er die Wandlung vollzog, um seine Kräfte vollständig auszuschöpfen. Seine Hände verformten sich zu schwarzen Klauen und seine Zähne glichen nunmehr scharfen Raubtierfängen. Er knurrte, als er auf mich zustürzte. Ich war bereit, stand breitbeinig da, einen Fuß weiter nach vorne gesetzt, und hielt das Waidblatt in der rechten Hand. Bevor ich mehr Schaden anrichten konnte, hatte er sich wieder aus meiner Reichweite entfernt.

      Ich wich ihm aus und versetzte ihm einen gezielten Tritt in die Seite. Er stolperte nach vorne.

      »Hast du mich vermisst?«, grunzte er.

      »Ungefähr so sehr wie Fußpilz«, keuchte ich, preschte vor und bekam ihn zu fassen. Ich riss an seinem feuchten roten Haar und berührte ihn gerade mit der Klinge an seinem Hals, als er sich drehte und sich wie ein Aal aus meinem Griff wand. Fluchend brachte ich mich wieder in Stellung. »Warum bist du hier?«

      »Mein ganz persönlicher Freigang«, lachte er, sprang vor und versuchte seine Krallen in meine Seite zu rammen. Ich duckte mich weg, wurde jedoch von seinen Fängen in meiner Schulter zurückgerissen. Ich schrie auf und ließ mein zweites Messer fallen. Mit dieser Attacke hatte ich beim besten Willen nicht gerechnet, dabei hätte ich das tun sollen. Nur weil sich Gareth nicht wandelte, hieß das noch lange nicht, dass auch alle anderen damit ein Problem hatten. Meine Angst kratzte an der Oberfläche. Bilder meiner Erinnerungen, wie er mich gefoltert hatte, schossen vor mein inneres Auge und wirbelten dann durcheinander. Ich war so hilflos gewesen, bereit zu sterben, und dann waren Dorian und Gareth aufgetaucht.

      Irgendwie schaffte ich es, mich unter Schmerzen loszureißen, wobei ich das Gefühl hatte, einen beachtlichen Teil meiner Haut zu verlieren.

      Mit fahrigen Bewegungen entledigte ich mich des Umhangs, der nur hinderlich war, und griff nach einem größeren Messer. Camun und ich umkreisten uns, schöpften Atem, während sich Hadley mittlerweile wieder aufgerappelt hatte. Ich blieb stehen, damit Camun den zweiten Jäger nicht sah.

      »Du hast stark abgebaut, mein Freund«, provozierte ich ihn, um seine Aufmerksamkeit allein auf mich fokussiert zu halten. Wir würden ihn nur zu zweit erledigen können.

      An meinem Arm rann Blut herab, was ich nur spürte, weil es wärmer war als der Regen, mit dem es sich vermischte. Ich traute mich nicht, auch nur für den Bruchteil einer Sekunde die Augen von meinem Kontrahenten zu nehmen, was er förmlich auszukosten schien. Seine Haltung war die eines Gewinners.

      »Oh, wie werde ich es genießen, dich auseinanderzunehmen«, schnurrte er, als würde er es sich bereits vorstellen. »Ich habe deine Qual bereits gekostet und sie hat mir so gut geschmeckt, dass ich noch mehr von ihr will. Deine Schreie. Dein Stöhnen. Deinen Schmerz.«

      Mein Herz hüpfte bis zu meinem Hals. Erneut ergriff mich die Panik und ich bewegte mich zu langsam, als der Schattendämon auf mich zustürzte. Er schlug mir ins Gesicht und zog dabei seine