Mirie erzählte schluchzend von ihrem Missgeschick.
„Mirie, Mirie, da sieht man mal wieder, wie wenig gut der Übermut tut! Aber ich kann dir helfen. Komm mal mit!“ Quirin nahm Mirie bei der Hand und ging mit ihr und den anderen Elfen in seinen Werkstattteil. Oh, wie glitzerte und funkelte es dort. Christbaumkugeln in allen Farben gab es zu sehen, gläserne Vögel und Tannenzapfen. Einfach wunderschön!
„So, jetzt gib mir mal dein Glöckchen“, sagte Quirin, „damit ich die Größe des Klöppels messen kann. Und dann geht ein wenig zur Seite, es wird heiß!“ Mit offenem Mund schauten die Elfchen Quirin zu. Der pustete mit dicken Bäckchen in ein Rohr, an dessen Ende aus einer Glasstange über dem Feuer ein Klöppel entstand. Quirin öffnete eine Schublade, holte eine passende Öse heraus und befestigte dann den Klöppel im Glöckchen.
„Kleine Klangprobe gefällig?“ Er grinste über das ganze Wichtelgesichtchen.
„Oh danke, danke“, riefen die Elfen im Chor und: „Quirin, du bist der Größte, nein, der Allergrößte!“
Jetzt wurde Quirin verlegen. „Ihr müsst wissen“, sagte er, „vor vielen, vielen Jahren habe ich diese Weihnachtsglöckchen geblasen, aus himmlischstem Glas. Damals hatte ich viel Arbeit, denn die Menschen schmückten ihre Christbäume mit den schönsten Glaskugeln, die ihr euch denken könnt. Leider nehmen sie heute viel Plastikzeug und hängen das an die Zweige. Deshalb habe ich nicht mehr viel zu tun. Umso mehr freut es mich, dass meine Kunst euch helfen konnte. Jetzt aber rasch, bevor euch Ruprecht vermisst, ich denke die Reise wird bald losgehen!“
Da bedankten die Elfchen sich noch mal und flogen winkend davon. Sie kamen genau rechtzeitig zum großen Abflug an, schwangen sich in die Lüfte und läuteten mit ihren gläsernen Glöckchen die Weihnacht ein.
Andrea Lutz war schon als Kind extrem fabuliersüchtig. Dieser Sucht ist sie bis ins Erwachsenenalter treu geblieben. Ihre Geschichten, Märchen und Gedichte können in über 50 Anthologien und eigenen Büchern gelesen werden.
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Das kleine Tannenbäumchen
Der Schnee lag so still über dem Wald. Es schneite und schneite ganz leise ... und die Zweige des kleinen Bäumchens waren weiß, voller Schnee. Es war traurig. Das kleine Tannenbäumchen war so traurig, wie es da neben den großen Tannenbäumen stand.
Familien gingen durch das Waldstück, in dem die Tannenbäume darauf warteten, später dann, am Heiligen Abend, in der warmen Stube stehen zu dürfen. Jeder große Tannenbaum träumte davon, als wunderschön glänzender Baum in der Stube stehen zu dürfen. Alle großen Bäume malten sich aus, wie sie glänzend mit Lametta, Kugeln und Kerzen die Kinderaugen zum Leuchten bringen würden. Das kleine Tannenbäumchen aber wurde trauriger und trauriger, weil die Familien mit ihren Kindern einfach an ihm vorbei liefen.
Sascha lief mit seinem Vater an der Hand die Bäume ab und bei jedem Baum lächelte er. „Papa, Papa, den nehmen wir!“ Bei vielen Bäumchen hatte der vierjährige Junge dies vor Aufregung laut ausgerufen. „Mama, Mama, ich will den haben!“, rief Sascha schon wieder bei dem nächsten Baum. Sascha war ganz aufgeregt und voller Freude. Der Heilige Abend stand vor der Türe, und das Christkind würde ihm bestimmt etwas schenken. Der Nikolaus war ja schon da gewesen und hatte ihm einige Überraschungen gebracht.
Im Kindergarten wurden Sterne gebastelt aus Folie und sie sangen Lieder. Manchmal wurde eine Kerze angezündet, und jedes Kind im Kindergarten freute sich schon auf Heiligabend.
Die Familie ging die Bäume weiter entlang. Es standen wunderschöne Bäume da. Jeden wollte Sascha schon mitnehmen. Der kleine Tannenbaum hörte Saschas Ausrufe und wurde trauriger und trauriger. Die großen Bäume aber wurden alle sehr stolz. Jeden großen Baum wollte Sascha mitnehmen. Da fing der kleine Tannenbaum zu weinen an und stand nun da, auf seinen Tannenzweigen glitzerte das Eis jetzt in den hellsten Farben. Silbern glitzerten die Zweige.
Es dämmerte jetzt leicht, und mit dem Schein der Taschenlampe, die Saschas Vater darum hervorgezogen hatte, leuchtete die Familie den kleinen Tannenbaum an. Er stand klein und glitzernd da. Silbern glitzernd die kleinen Tannenzweige!
Plötzlich stand Sascha still vor dem kleinen Tannenbaum. Er sah ihn einfach nur an. Stand da und sah ihn an. Sein Vater stand neben ihm. Sein Vater sah nun Sascha an. Sascha sagte lange Zeit kein Wort. Stand einfach nur vor dem kleinen Tannenbaum.
Dem Tannenbäumchen war, als würden nun vom warmen Blick des kleinen Jungen die Eiszapfen schmelzen.„Papa, Mama, der kleine Tannenbaum wird bei uns wunderschön aussehen!“, sagte da Sascha still. Seine Mutter sah Sascha an, dann sah sie zu Saschas Vater. Saschas Vater nahm den Jungen plötzlich in den Arm und lächelte. „Mama, wir nehmen das kleine Tannenbäumchen doch mit, oder?“ Sascha sah seine Mutter nun so bittend, fragend an! „Papi, wir nehmen ihn doch mit nach Hause, bitte ...?“ Sascha sah wieder fasziniert das kleine Tannenbäumchen an. „Papa, Mama, bitte!“ Still stand Sascha mit seinen Eltern vor dem kleinen Tannenbäumchen. „Papa, Mama, wir nehmen ihn mit, bitte!“ Sein Vater nickte seiner Frau lächelnd zu.
„Ja Sascha, wir nehmen ihn mit!“, sagte da seine Mutter.
Das kleine Tannenbäumchen hob nun voller Freude seine kleinen Zweige an, hoch in den Himmel hinauf. Gerade so, ja so, als würde es den Himmel nun umarmen wollen. Die großen Bäume sahen zu, wie das kleine Tannenbäumchen von der Familie mitgenommen wurde.
An Heiligabend stand es dann auf einem kleinen Tisch. Eine Weihnachtsdecke lag unter dem Tisch, und Saschas Eltern hatten es so liebevoll geschmückt. Das Lametta am Baum glitzerte nun silbern wie die Eiszapfen, die damals im Wald an ihm hingen, nur diesmal strahlte das kleine Bäumchen voller Freude. Saschas Augen würden bald strahlen. Das kleine Bäumchen strahlte in wunderschönem Glanz!
Dani Lorenz wurde in einer Kleinstadt in der Oberpfalz/Bayern geboren. Schreiben ist ihre Leidenschaft.
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Beinahe ganz gewöhnliche Weihnachten
Daniel war aufgeregt. Schon seit Tagen war er so aufgeregt, dass er kaum noch schlafen konnte. Manchmal dauerte es fast eine Stunde, bis er eingeschlafen war, und wenn er träumte, waren es meistens Träume, aus denen er schweißgebadet erwachte. Und dabei stand Weihnachten kurz bevor, ein Fest, auf das er sich jedes Jahr freute. So wäre es auch in diesem Jahr gewesen, besser gesagt, so war es auch in diesem Jahr gewesen, bis … bis er diese blöde Zusage gegeben hatte. Wie oft hatte er das schon bereut.
Alles hatte ganz harmlos angefangen. Vor drei Wochen war er guter Dinge vom Fußballspielen mit seinen Freunden nach Hause gekommen. Das heißt, so ganz guter Dinge war er doch nicht gewesen. Er hatte nämlich wieder einmal die Zeit vergessen und sich fast eine halbe Stunde verspätet. Das würde Ärger geben, da war er ganz sicher. Seine Eltern legten großen Wert auf Pünktlichkeit, besonders im Winter, wenn es draußen früh dunkel wurde. Sie begründeten das damit, dass in der Woche das Abendessen die einzige Mahlzeit sei, die die Familie gemeinsam einnehmen könnte, aber das traf schließlich im Sommer ebenso zu. Er wusste genau, dass sich seine Eltern nach Einbruch der Dämmerung einfach ganz schnell Sorgen um ihn machten. Das fand er zwar insgeheim gut, zeigte es ihm doch, wie viel er seinen Eltern bedeutete, andererseits wurde er deswegen von seinen Freunden manchmal gehänselt und als „der Kleine“ verspottet, was ihm natürlich überhaupt nicht gefiel. An jenem Abend vor drei Wochen schien der Ärger vorprogrammiert. Schuldbewusst blickte er zu seinen Eltern hinüber, die, statt am gedeckten Tisch zu sitzen, unruhig durch die Wohnung liefen.
„Endlich, da bist du ja!“, rief sein Vater in strengem Tonfall, wobei er die Augenbrauen anhob.
„Gott sei Dank, wir haben uns schon Sorgen gemacht“, sagte die Mutter. Das klang weniger streng als vielmehr sehr erleichtert.
„Ich zieh