Ich verstehe die blaue Flamme als Treffpunkt von Mission und Passion, gegründet auf eine realistische Selbsteinschätzung der eigenen Fähigkeiten. Mit ihrer Hilfe kann man den Lebenszweck bestimmen – sich um ältere Menschen kümmern, Mutter werden, Spitzeningenieur, Schriftsteller oder Musiker werden … Ich glaube, dass jeder Mensch eine Mission in sich trägt, die ihn inspirieren kann.
Joseph Campbell, der Anfang der 1990er-Jahre den Satz „Follow Your Bliss“ [wörtlich etwa „Folge deinem Glück“] prägte, hat an der Columbia University studiert. Er beschloss, dass seine blaue Flamme das Studium der griechischen Mythologie sei.
Als er erfuhr, dass es dafür keinen passenden Studiengang gibt, machte er sich seinen eigenen Plan. Nach dem Studium wohnte er in einer Hütte in Woodstock im Staat New York und tat fünf Jahre lang nichts anderes, als von neun Uhr morgens bis sechs oder sieben Uhr abends zu lesen. Für Liebhaber griechischer Mythen gibt es eben keine vorgezeichnete Laufbahn. Danach kam Campbell als äußerst gebildeter Mann aus dem Wald heraus, aber er hatte immer noch keine Ahnung, was er mit seinem Leben anfangen wollte. Auf jeden Fall folgte er hartnäckig seiner Liebe zur Mythologie.
Die Menschen, die damals mit ihm zu tun hatten, waren von seinem Wissen und seiner Leidenschaft erstaunt. Schließlich wurde er für eine Vorlesung an das Sarah Lawrence College eingeladen. Eine Vorlesung führte zur anderen und als Lawrence sich 28 Jahre später umsah, war er ein berühmter Autor und Professor für Mythologie; er tat das, was er liebte, und zwar an der gleichen Schule, die ihm als erstes Sprungbrett gedient hatte. „Wenn man sich von seinem persönlichen Glück leiten lässt, begibt man sich auf einen Weg, der schon die ganze Zeit da war und auf einen gewartet hat; und das Leben, das man führen sollte, ist das Leben, das man führt.“
Und wie findet man sein Glück?
Campbell glaubte, dass jeder Mensch in sich das intuitive Wissen trägt, was er oder sie im Leben am meisten will. Wir müssen nur danach suchen.
Ich stimme Dr. Campbell zu. Nach meiner Überzeugung beruhen alle guten Entscheidungen auf guten Informationen. Das ist bei der Bestimmung der Leidenschaft, dem persönlichen Lebensglück und der blauen Flamme nicht anders. Gute Informationen bekommt man aus zwei Quellen. Ein Teil kommt aus Ihrem Inneren und der andere Teil von Ihren Mitmenschen.
1. Der Blick nach innen
Es gibt viele Möglichkeiten, eine Selbsteinschätzung seiner Ziele und Träume vorzunehmen. Manche Menschen beten. Andere meditieren oder lesen. Manche treiben Sport. Einige ziehen sich längere Zeit in die Einsamkeit zurück.
Das Wichtigste bei der inneren Prüfung ist, dass man sie ohne die Beschränkungen, ohne die Zweifel, Ängste und Erwartungen durchführt, die damit zusammenhängen, was man tun „sollte“. Sie müssen es schaffen, die Hindernisse Zeit, Geld und Verpflichtungen aus dem Weg zu räumen.
Wenn ich in der richtigen geistigen Verfassung bin, fange ich an, eine Liste meiner Träume und Ziele aufzustellen. Manche sind absurd und manche sind überaus pragmatisch. Ich versuche nicht, die Liste zu zensieren oder zu verändern – ich schreibe einfach alles ungefiltert auf. Nach dieser ersten Liste schreibe ich in eine zweite Spalte alles, was mir Spaß und Freude macht: Errungenschaften, Menschen und Dinge, die mich bewegen. Anhaltspunkte dafür findet man in seinen Hobbys, in den Zeitschriften und Büchern, die man liest, und in den Filmen, die einem gefallen. Welche Aktivitäten begeistern Sie so sehr, dass Sie nicht merken, wie die Stunden verfliegen?
Wenn ich fertig bin, verknüpfe ich die beiden Listen miteinander; ich suche nach Schnittpunkten, die auf eine Richtung oder einen Zweck verweisen. Das ist eine einfache Übung, aber sie kann tiefgreifende Ergebnisse bringen.
2. Der Blick nach außen
Als Nächstes fragen Sie die Menschen, die Sie am besten kennen, was sie für Ihre größten Stärken und Schwächen halten. Fragen Sie sie, was sie an Ihnen bewundern und in welchen Bereichen Sie Hilfe gebrauchen könnten.
Die Informationen aus Ihrer Innenschau und aus dem Input, den Sie von anderen bekommen, werden Ihnen schon nach kurzer Zeit sehr konkrete Hinweise darauf geben, was Ihre Mission oder Ihre Richtung sein sollte.
Einige der hartgesottensten CEOs und Unternehmer der Welt sind große Anhänger der blauen Flamme – auch wenn sie das wahrscheinlich nicht so nennen.
James Champy, ein gefeierter Unternehmensberater und Co-Autor von Business Reengineering. Die Radikalkur für das Unternehmen, behauptet, Erfolg sei in allererster Linie eine Sache unserer Träume. In seinem Buch The Arc of Ambition kommt Champy zu dem Schluss, der Erfolg von großen Führungspersönlichkeiten wie Ted Turner, Michael Dell und Jack Welch beruhe weniger auf ihren Fähigkeiten als auf der Tatsache, dass sie eine klar definierte Mission haben, die sie in all ihrem Tun antreibt.
Als Champy Michael Dell fragte, wo er den Ehrgeiz fand, Dell-Computer zu bauen, redete der CEO zuerst über Konjunkturzyklen und Technologie. Dann hielt er inne.
„Wissen Sie, woher dieser Traum wahrscheinlich wirklich kommt?“, fragte er. Dann beschrieb er, wie er durch die Vororte von Houston zur Schule fuhr und die Bürogebäude mit ihren großen Fahnenmasten bewunderte. Dell wollte auch einen Fahnenmast. Er wollte diese Art Präsenz haben. Das war für ihn das Sinnbild für Erfolg und deshalb visierte er die Gründung seines eigenen Unternehmens schon an, bevor er legal einen Drink bestellen durfte. Heute hat er drei Fahnenmasten.
Ambitionen sind wie japanische Kois. Sie wachsen entsprechend der Größe ihrer Umgebung. Unsere Leistungen wachsen mit der Größe unserer Träume und mit dem Grad, zu dem wir uns an unsere Mission halten.
Ziele zu bestimmen, sie auf den neuesten Stand zu bringen und im Auge zu behalten, wie nahe wir ihnen schon gekommen sind, ist meiner Meinung nach weniger wichtig als der emotionale Prozess der Entscheidung, was man eigentlich machen will.
Soll das heißen, dass ein hoffnungsloser Träumer General Electric genauso gut hätte leiten können wie Neutronen-Jack? Selbstverständlich nicht. Die Verwandlung eines Traums in Wirklichkeit erfordert harte Arbeit und Disziplin.
„Welch hat vielleicht etwas dagegen, wenn ich sage: ‚Jack, du bist ein Träumer‘ “, schreibt Champy, „aber er ist eben ein disziplinierter Träumer. Er ist so fähig und intelligent, dass er die Chancen in verschiedenen Branchen wahrnimmt.“
Alle disziplinierten Träumer haben etwas gemeinsam: eine Mission. Die Mission ist häufig riskant, unkonventionell und wahrscheinlich höllisch schwer zu erfüllen. Aber sie ist möglich. Die Form von Disziplin, die einen Traum in eine Mission und eine Mission in Wirklichkeit verwandelt, besteht tatsächlich einfach in dem Verfahren der Zielsetzung.
Zweiter Schritt: Ziele zu Papier bringen
Eine Mission wird nicht „einfach so“ zur Realität. Sie wird wie jedes andere Kunstwerk oder jede Art von Handelstätigkeit aus dem Nichts aufgebaut. Zuerst muss man sie sich vorstellen. Dann muss man die nötigen Fähigkeiten, Werkzeuge und Materialien besorgen. Das benötigt Zeit. Dafür braucht man Überlegung, Entschlossenheit, Durchhaltevermögen und Glauben.
Das Werkzeug, das ich dafür benutze, bezeichne ich als Beziehungs-Aktions-Plan oder BAP.
Dieser Plan besteht aus drei deutlich unterschiedenen Teilen: Der erste Teil ist die Entwicklung der Ziele, die einem die Erfüllung der Mission ermöglichen. Der zweite Teil ist die Verknüpfung dieser Ziele mit den Menschen, Orten und Dingen, die einem bei der Erledigung helfen. Und der dritte Teil sagt einem, wie man am besten an die Menschen herantritt, die einem helfen, diese Ziele zu erreichen. Das bedeutet, dass man ein Medium wählen muss, um diese Connections herzustellen, aber vor allem bedeutet es, man muss eine Möglichkeit finden, mit einer großzügigen Geste die Umsetzung der eigenen Pläne einzuleiten.
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