David Copperfield. Charles Dickens. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Charles Dickens
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783961183173
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verbargen sich seine Reichtümer in diesem Koffer, daß die kleinste Summe nur durch listige Kunstgriffe herauszulocken war, und Peggotty mußte mühsam einen langen Plan, eine wahre Pulververschwörung entwerfen, um jeden Sonnabend das Wirtschaftsgeld für die Woche herauszupressen.

      Während dieser ganzen Zeit fühlte ich so sehr das Schwinden aller Hoffnungen, die ich gehegt hatte, und meine gänzliche Vernachlässigung, daß ich mich ohne die alten Bücher höchst elend befunden hätte. Sie waren mein einziger Trost und ich las sie, ich weiß nicht, wieviele Male durch. Und nur dadurch geschah es zum Teil, daß die geistigen Fähigkeiten, die ich einst gezeigt hatte, nicht ganz vernachlässigt wurden und versumpften.

      Jetzt komme ich zu einem Abschnitt in meinem Leben, dessen Erinnerung sich nie verwischen wird, solange mir das Gedächtnis bleibt, und dessen Bild oft ungerufen und wie ein Gespenst vor mir aufgestiegen ist und mich auch in glücklicheren Zeiten heimgesucht hat.

      Ich war in meiner gewöhnlichen zwecklosen und träumerischen Weise eines Tages umhergestreift, als ich, um eine Ecke in der Nähe unseres Hauses biegend, unvermutet auf Mr. Murdstone, in Begleitung von einem Herrn, stieß. Ich wurde verlegen und wollte vorbeigehen, als der Herr rief:

      »Sieh da – Brooks!«

      »Nein, Sir, David Copperfield!« sagte ich.

      »Sei still«, sagte der Herr. »Du bist Brooks, ›Brooks von Sheffield‹. Das ist dein Name.«

      Bei diesen Worten sah ich mir den Herrn genauer an. Da mir jetzt auch sein Lachen ins Gedächtnis kam, erkannte ich in ihm Mr. Quinion, den ich damals mit Mr. Murdstone in Lowestoft besucht hatte, ehe – doch ich brauche das nicht noch zu sagen!

      »Und was machst du und wo gehst du in die Schule, Brooks?« sagte Mr. Quinion.

      Er legte seine Hand auf meine Schulter und drehte mich um, damit ich mit ihnen gehe. Ich wußte nicht, was ich antworten sollte, und blickte Mr. Murdstone unschlüssig an.

      »Er ist jetzt zu Hause«, sagte dieser. »Er geht gar nicht in die Schule. Ich weiß nicht, was ich mit ihm anfangen soll. Es ist ein schwieriger Fall.«

      Der alte falsche Blick ruhte wieder ein Weilchen auf mir; dann zog er grollend die Brauen zusammen, als er sich mit Widerwillen von mir abwandte.

      »Hm!« sagte Mr. Quinion und sah uns beide an. »Schönes Wetter heute!«

      Eine Pause folgte, und ich überlegte, wie ich mich von ihm am besten losmachen und fortgehen könnte, als er sagte:

      »Ich glaube, du bist noch ein ziemlich gescheites Kerlchen! He! Brooks?« »Ja, er ist gewitzig genug«, sagte Mr. Murdstone ungeduldig. »Ich rate Ihnen, lassen Sie ihn gehen. Er wird's Ihnen nicht Dank wissen, daß Sie ihn hier festhalten.«

      Mr. Quinion ließ mich aus diese Andeutung hin los, und ich beeilte mich, nach Hause zu kommen. Als ich mich beim Eintreten an der Gartentür umdrehte, sah ich, daß Mr. Murdstone am Kirchhofe stehen geblieben war und daß Mr. Quinion auf ihn einsprach. Sie sahen mir beide nach, und ich merkte, daß sie von mir sprachen.

      Mr. Quinion blieb diese Nacht bei uns. Nach dem Frühstück am nächsten Morgen setzte ich meinen Stuhl fort und wollte soeben das Zimmer verlassen, als mich Mr. Murdstone zurückrief. Er ging dann feierlich nach einem andern Tische, wo seine Schwester an ihrem Schreibpult saß. Mr. Quinion sah, die Hände in die Taschen gesteckt, zum Fenster hinaus, und ich stand vor ihnen und blickte sie alle erwartungsbange an.

      »David,« sagte Mr. Murdstone, »für die Jugend ist dies eine Welt der Tätigkeit, aber keine Welt zum Brüten und Nichtstun.« –

      »Wie du es machst«, fügte seine Schwester hinzu.

      »Jane Murdstone, überlasse es mir, wenn es dir gefällig ist. – Ich sage, David, für die Jugend ist dies eine Welt der Tätigkeit und nicht zum Brüten und Nichtstun; hauptsächlich für einen Knaben von deinem Charakter, der sehr der strengen Zucht bedarf und dem kein größerer Dienst geleistet werden kann, als wenn man ihn zwingt, sich den Gewohnheiten der arbeitenden Welt anzubequemen, um seinen Trotz zu biegen und zu brechen.«

      »Denn mit Trotz ist es hier nichts«, sagte seine Schwester. »Er muß geduckt werden. Und geduckt soll er werden.«

      Er warf ihr einen halb abmahnenden, halb billigenden Blick zu und fuhr fort:

      »Ich glaube, du weißt, David, daß ich nicht reich bin. Jedenfalls weißt du es jetzt. Du hast schon eine ziemliche Erziehung und Schulbildung erhalten. Erziehung ist eine teure Sache; und selbst wenn das nicht der Fall wäre und ich das Geld dazu übrig hätte, so halte ich es nicht für vorteilhaft für dich, in einer Schule zu sein. Was vor dir liegt, ist ein Kampf mit der Welt und je eher du damit anfängst, desto besser.«

      Ich glaube, ich dachte daran, daß ich solchen Kampf in meiner Weise schon begonnen hatte; jedenfalls denke ich es jetzt.

      »Du hast wohl schon von dem Kontor gehört?« sagte Mr. Murdstone.

      »Das Kontor, Sir?« wiederholte ich.

      »Von Murdstone und Grimbys Weingeschäft«, erwiderte er.

      Ich mochte ihn wohl erstaunt angesehen haben, denn er fuhr hastig fort: »Du hast von dem Kontor gehört, oder von dem Geschäft, oder der Kellerei, oder dem Badeplatz oder von irgend etwas, das damit zusammenhängt?«

      »Ja, Sir, ich glaube, ich habe von solchem Geschäft gehört«, sagte ich, denn ich erinnerte mich dunkel an das, was ich von seinem und seiner Schwester Einkommen gehört hatte. »Aber ich weiß nicht wann.«

      »Das ist auch gleichgültig«,«erwiderte er. »Mr. Quinion führt das Geschäft.«

      Ich sah diesen, der noch immer aus dem Fenster blickte, ehrerbietig an.

      »Mr. Quinion hat mich wissen lassen, daß er noch ein paar Knaben beschäftigen kann und daß er keinen Grund sieht, warum er nicht auch dich unter denselben Bedingungen dort beschäftigen sollte.«

      »Da er keine andern Aussichten hat, Murdstone«, bemerkte Mr. Quinion halblaut und sah sich nach uns um.

      Ohne zu beachten, was jener sagte, fuhr Mr. Murdstone mit ungeduldiger, fast ärgerlicher Miene fort:

      »Die Bedingungen sind so, daß du genug verdienen kannst, und Essen, Trinken und Taschengeld hast. Deine Wohnung, die ich besorge, bezahle ich; auch deine Wäsche.« »Deren Stückzahl ich festsetzen werde«, sagte seine Schwester.

      »Für deine Kleider soll auch gesorgt werden,« sagte Mr. Murdstone, »da du sie für die erste Zeit nicht aus eigenen Mitteln wirst schaffen können. Du gehst jetzt also mit Mr. Quinion nach London, um das Leben selbständig zu beginnen.«

      »Kurz, du bist nun versorgt,« bemerkte seine Schwester, »und wirst deine Pflicht und Schuldigkeit tun.«

      Obgleich ich recht gut einsah, daß man weiter nichts im Auge hatte, als mich loszuwerden, so weiß ich doch nicht mehr recht, ob ich darob betrübt oder erfreut war. Ich glaube, ich war so bestürzt darüber, daß ich zwischen beiden Empfindungen hin und her schwankte und mich keiner hingab. Auch hatte ich nicht viel Zeit, mit meinen Gedanken klar zu werden, da Mr. Quinion den nächsten Morgen abreisen sollte.

      Seht mich nun am Morgen des nächsten Tages in einem sehr abgetragenen kleinen weißen Hute mit einem schwarzen Flor darum, als Trauer für meine Mutter, in einer schwarzen Jacke und in einem Paar steifen Manchesterhosen – die Miß Murdstone für die beste Rüstung der Beine in dem mir bevorstehenden Kampfe mit der Welt hielt, seht mich so gekleidet, alle meine weltliche Habe vor mir in einem kleinen Koffer, als einsames, verlassenes Geschöpf (wie Mrs. Gummidge sagen würde) in der Postchaise sitzen, die Mr. Quinion zu dem Londoner Eilwagen