Der neue Sonnenwinkel Box 9 – Familienroman. Michaela Dornberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michaela Dornberg
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Sonnenwinkel Box
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740970222
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sehr sie sich freute. Sie bat Alma ins Haus und bestand darauf, dass sie auch direkt in deren Wohnung gingen, nicht, weil sie befürchtete, Rosmarie Rückert könnte etwas dagegen haben, wenn sie Alma in deren Räumen bewirtete, sondern weil Meta stolz auf ihre neue Wohnung war und darauf brannte, sie jemandem zu zeigen.

      Und die Wohnung war wirklich hübsch, ein Neubau halt, denn es war angebaut worden und heute zählten andere Maßstäbe als damals, als das Doktorhaus erbaut worden war. Es änderte sich ja ständig etwas. Alma gefiel ihre eigene Wohnung besser, doch das war subjektiv.

      »Schön hast du es hier, Meta«, rief sie, »und auch eine ganze Menge Platz.«

      Meta kicherte.

      »Nicht mehr so viel wie in der Villa, aber den brauche ich auch nicht, hier gefällt es mir besser, ich werde mich einleben, und ich hoffe, dass Frau und Herr Rückert es ebenfalls tun werden. Eine Umstellung ist es schon.«

      »Ich war nur paarmal in der Villa, um etwas hinzubringen, doch ich war immer froh, wenn ich wieder gehen konnte. Wenn ich in Hohenborn was zu erledigen hatte, habe ich was von Frau Auerbach oder Frau von Roth mitgenommen. Aber jetzt erübrigen sich ja solche Wege.«

      Sie tranken Kaffee miteinander, Meta freute sich über das Brot und das Salz und ganz besonders über die Holzschale.

      »Alma, die ist viel zu kostbar, die hättest du mir nicht schenken dürfen.«

      Alma winkte ab.

      »Ich freue mich, dir eine Freude damit zu machen, damit erfüllt sie ihren Zweck. Ich bin gekommen, um dich zu begrüßen, doch ich bin auch hergekommen, um dir zu sagen, dass wir für unseren Gospelchor noch Mitstreiter suchen. Du glaubst überhaupt nicht, welche Freude es macht und wie schnell man Menschen kennenlernt. Hast du Lust, mit uns zu singen?«

      Meta zögerte.

      »Ich weiß nicht, da muss man doch singen können, und ich glaube, das kann ich leider nicht.«

      »Meta, ich bitte dich, was für eine Vorstellung hast du denn von einem Chor? Da erwartet man nicht, dass du Arien trällern, singen kannst wie die Callas. Ein paar richtige Töne bekommt jeder heraus. Und den Rest, den lernt man. Also, wenn du magst, wir singen am Mittwoch wieder, haben Chorprobe, ich hole dich ab.«

      Meta zögerte noch immer.

      »Meta, alles ist ganz unverbindlich, du unterschreibst nicht dein Todesurteil, doch ich kann wetten, dass du hinterher ganz glücklich sein wirst, mitgekommen zu sein. Ich habe mich anfangs ebenfalls geziert, glaubte, mich zu blamieren. Es hat alles nur in meinem Kopf stattgefunden, jetzt bin ich eine ganz begeisterte Gospelsängerin. Singen macht nicht nur gute Laune, man bekommt auch Ehrgeiz, will es immer besser machen, denn bei den Auftritten, die wir mit dem Chor haben, wollen wir niemals unter ferner liefen landen. Also, keine Widerrede, ich stehe am Mittwoch um neunzehn Uhr vor deiner Tür, hole dich ab, wir nehmen mein Auto.«

      Meta merkte, wie Freude in ihr aufkeimte. Sie mochte Alma, die hatte eine positive Energie, die abfärbte. Und wenn sie sich erinnerte, dann hatte sie früher als Schulmädchen auch im Chor gesungen, und es hatte ihr unglaublich viel Spaß bereitet.

      »Also gut, ich komme mit, und ich …, ich freue mich«, sagte sie, was Alma hocherfreut zur Kenntnis nahm.

      »Eine gute Entscheidung. Bist du mir böse, wenn ich jetzt gehe? Wir haben …, im Doktorhaus wohnt ein junges Mädchen …, nun, das …, es ist ein wenig kompliziert. Pia, so heißt sie, muss sich erst noch zurechtfinden.«

      Es war Meta hoch anzurechnen, dass sie jetzt nichts hinterfragte, denn neugierige Menschen mochte Alma überhaupt nicht. Sie bot ihre Hilfe an, und als Alma die dankend ablehnte, bedankte Meta sich noch einmal von ganzem Herzen bei ihrer Besucherin.

      Als sie sich voneinander verabschiedeten, lag durchaus in der Luft, dass aus diesen beiden Frauen Freundinnen werden könnten. Und das war ein schöner Gedanke.

      *

      Im Doktorhaus angekommen, rannte Alma sofort in ihre Wohnung, dort fand sie Pia nicht. Da die Frau Doktor ihr auch gesagt hatte, sie können sich jederzeit in deren Wohnung aufhalten, lief Alma dorthin. Auch hier gab es von Pia keine Spur. Alma bekam feuchte Hände, sie merkte, wie ihr Pulsschlag sich beschleunigte.

      Bedeutete das, dass Pia gegangen war, um ihr Leben auf der Straße fortzusetzen?

      Ein solcher Gedanke war unerträglich, und Alma war noch vollkommen außer sich, als die Frau Doktor von einem Krankenbesuch nach Hause kam. Roberta sah sofort, dass mit Alma etwas nicht stimmte, sie war völlig außer sich. Und sofort erkundigte sie sich.

      »Pia ist weg«, stieß Alma hervor.

      »Wie weg …«, wollte Roberta wissen. Dann erfuhr sie, dass Alma das Mädchen allein gelassen hatte, um Meta bei den Rückerts zu besuchen.

      »Frau Doktor, ich war überhaupt nicht lange weg, und vorher ist auch überhaupt nichts vorgefallen, Pia war gut drauf, sie will sogar, dass ich ihr beibringe, mit Pinsel, Farbe und Leinwand umzugehen.«

      »Alma, so beruhigen Sie sich doch erst einmal, es wird sich eine einfache Erklärung finden.«

      Die Frau Doktor hatte gut reden.

      »Und welche?«, erkundigte sie sich. »Pia ist weg, und wir wissen beide, wo sie ihr Leben verbracht hat, ehe sie zu uns kam. Vielleicht gefällt es ihr hier nicht, vielleicht fühlt sie sich bedrängt, durch unsere Fürsorge eingeengt, vielleicht hat sie …«

      »Alma, jetzt ist es genug«, unterbrach Roberta die aufgelöste Frau. »Ich bin zwar überzeugt davon, dass Pia wiederkommen wird, aber wenn es nicht so sein sollte, dann müssen wir es akzeptieren. Sie ist volljährig, kann tun und lassen was sie möchte. Wir können sie nicht ständig bewachen oder wie ein kleines Hündchen an die Leine nehmen. Wenn sie gegangen ist, wird sie dafür ihre Gründe haben. Vielleicht macht sie aber auch nur einen Spaziergang, um ihr neues Umfeld ein wenig zu erkunden, und wir haben ihr auch von der Felsenburg erzählt, vom See.«

      Alma bewunderte die Frau Doktor für ihre Ruhe, die sie an den Tag legte. Sie selbst war aufgewühlt, aber vielleicht war es auch nicht normal, auf welche Weise sie das Leben von Pia in die Hand genommen hatte. Und das aus der Erfahrung heraus, die sie selbst auf der Straße gemacht hatte. Sie wusste, worum es ging, und sie kannte auch Gefühle wie Scham, falschen Stolz. Auch als es ihr schlecht gegangen war, sie sich sicher fühlen durfte, hatte sie kurz daran gedacht, einfach wieder zu gehen, weil es ihr unerträglich erschienen war, der Frau Doktor zur Last zu fallen. Glücklicherweise war sie rasch wieder zur Besinnung gekommen, und ihr Verstand hatte ihr gesagt, dass sie sich einen falschen Stolz überhaupt nicht leisten konnte. Doch man durfte eines nicht vergessen, sie war älter gewesen. Wenn man jung war, handelte man impulsiv, überdachte nicht das Tun, nicht die Konsequenzen, die alles haben konnte. Ihre Gedanken fuhren Karussell, das immer schneller wurde.

      Pia …

      Sie steigerte sich immer mehr hinein, und sie war fest davon überzeugt, dass sie Pia niemals mehr wiedersehen würde. Und da konnte auch die Frau Doktor sie nicht vom Gegenteil überzeugen.

      Als es an der Tür klingelte, schoss es Alma sofort in den Kopf, dass das die Polizei sein musste. Sie war zu nichts fähig und unendlich dankbar dafür, dass die Frau Doktor selbst zur Tür ging, um zu öffnen.

      Und dann hörte Alma nur noch: »Hallo, Pia, da bist du ja wieder. Wir haben uns schon große Sorgen gemacht«, das klang wie eine Feststellung, nicht wie ein Vorwurf.

      »Ich war spazieren«, antwortete Pia, die mittlerweile zusammen mit Roberta den Raum betreten hatte, in dem Alma wie ein Häufchen Elend auf einem Stuhl saß. »Und eigentlich wollte ich hinauf zur Felsenburg, um mir die mal aus der Nähe anzusehen. Aber das ging nicht, weil alles abgesperrt ist. Das ist jammerschade. Es wäre kein Problem gewesen, durch den Zaun hindurchzuschlüpfen, aber dann habe ich mich doch nicht getraut. Wenn man die Polizei gerufen hätte, dann hätte die mich mitgenommen, weil ich ja keine Adresse habe.«

      Sofort wandte Roberta ein.

      »Pia, die hast du. Du wohnst jetzt bei uns, und natürlich werden