[2]Daher wir notwendig, wenn wir bei ihm Belehrung suchen über unsere Seele, auch die Frage angreifen müssen, inwiefern das Seelische überhaupt mit dem Leibe Gemeinschaft haben kann, und wie man das Wesen des Kosmos sich zu denken hat, da doch in ihm die (Welt-) Seele weilt sei es freiwillig, gezwungen oder wie immer, und ob der Schöpfer mit Recht (die Weltseele in den Kosmos entsandte) oder ob (sie dort in der Lage ist) etwa wie unsere Seelen, die niedrigere Leiber zu regieren haben und daher sich tief hineinsenken müssen, wollen sie ihrer Herr werden, sonst würden die Bestandteile des Leibes sich voneinander lösen und zurückfallen je an den ihnen wesenseignen Weltort – während im Leibe des Alls alle Teile an ihrem wesensbestimmten Ort liegen –; sodann bedürfen die Leiber mannigfacher und beschwerlicher Fürsorge, weil von außen viel Fremdes auf sie ‘eindringt’, weil sie unter dem ständigen Druck der Notdurft stehen und weil ihre jämmerliche Gebrechlichkeit mancherlei Vorkehrung fordert. Der Welt-Leib dagegen fügt sich sozusagen jedem leisen Wink; denn er ist vollkommen, in sich geschlossen und sich selbst genug, es gibt nichts was wider sein Wesen wäre. Deshalb kann die Weltseele ohne Unterlaß so sein, wie zu sein der Wille ihres Wesens ihr gebietet, frei von Begierde und aller äußeren Einwirkung; denn die Welt scheidet nichts aus und nimmt nichts in sich auf. Daher es denn sogar von unserer Seele heißt, wenn sie zu jener der vollkommenen gelangt, werde sie mit ihr vollkommen, ‘wandle mit ihr in der Höhe und durchwalte den ganzen Kosmos’; wenn sie also Abstand nimmt, nicht drinnen in den Leibern ist, niemand zu eigen ist, dann werde sie wie die Allseele mit ihr das All durchwalten mit leichter Mühe. Nicht schlechthin also, das liegt in diesen Worten, ist es für die Seele ein Übel wenn sie dem Leibe Teil gibt am Heil und am Sein; Fürsorge für das Niedere verhindert ja nicht unter allen Umständen daß das Fürsorgende im höchsten und besten Sein verharre. Denn zwiefacher Art ist alle Fürsorge: das Allgemeine waltet durch ein ruhiges Gebieten, ein königliches Regieren; im Einzelnen vollzieht sich dann die Fürsorge durch ein eigenhändiges Tun, bei welchem das handelnde Subjekt vermöge der Berührung mit dem Objekt der Handlung an dem Objekt der Handlung ‘sich befleckt’. Nun läßt er die göttliche Seele stets auf die erste Art über die ganze Welt walten, sie bleibt in ihrem höheren Teile über sie erhaben und sendet nur den letzten Ausläufer ihrer Kraft in ihr Inneres hinab. Damit wird jeder Vorwurf gegen Gott, weil er die Allseele einem niederen Wesen eingepflanzt hat, hinfällig; die Seele ist nicht ausgestoßen aus dem ihr wesenseignen Sein; sie ist ja von Ewigkeit in diesem Zustand und wird es in Ewigkeit sein, und das kann unmöglich wider ihr Wesen sein, wenn anders es ihr ewig ohne Unterlaß und ohne Beginn eigen ist. Den Sternseelen sodann gibt er ausdrücklich die gleiche Beziehung zum Leib wie sie im All herrscht – er setzt auch die Sternleiber in die Umschwungsbahnen der Seele –; er wahrt also auch ihnen die ihnen gebührende Seligkeit.
Aus zwei Gründen wird die Gemeinschaft der Seele mit den Leibern als Ärgernis angesehen: sie sind ihr ‘ein Hindernis’ im reinen Denken, und sie ‘erfüllen’ sie mit Lüsten ‘Begierden’ und Schmerzen. Keins von beiden aber kann einer Seele widerfahren, die nicht ins Innere des Leibes versinkt, die keinem angehört, nicht sie ist dem Leib, sondern der Leib ihr untertan; und dieser Leib ist so geartet daß es ihm an nichts gebricht, daß er in keiner Richtung unvollkommen ist. So wird die Seele auch nicht mit Begierden oder Ängsten erfüllt; für solchen Leib braucht sie keines Unheils gewärtig zu sein, keine Mühe lenkt sie hinab, zieht sie fort von der hohen seligen Schau; sondern sie bleibt ohne Unterlaß dem oberen Reiche hingegeben und lenkt dabei unsere Welt in geruhiger Kraft.
[3]Die Menschenseele aber, die, wie es heißt, alle Übel und Mühsal im Leibe erduldet, da sie dort in Schmerzen Begierden Ängste und alle andern Übel gerät, weshalb denn auch der Leib ihre Fessel und ihr Grab heißt und diese Erdenwelt ihr Höhle und Grotte – seine Lehre von der Menschenseele wollen wir nunmehr darlegen; einen Widerspruch bringt sie nicht, da die Gründe des Abstiegs nicht dieselben sind. Im Geistes-Ort befindet sich all das Geistige als Ganzes und Gesamtes – wir nennen das intellegiblen Kosmos –, befinden sich aber auch die von ihm umschlossenen geistigen Kräfte, die Einzel-Geistwesen – denn der Geist ist nicht Einheit allein, sondern Einheit und Vielheit –; notwendig muß daher auch die Seele Einheit und Vielheit sein, und aus der einen müssen die vielen als verschiedene hervorgehen, aber nur in dem Sinne wie die verschiedenen Arten aus der einen Gattung, höhere und geringere, geisthaftere und solche die das Geistige weniger verwirklichen. Denn auch droben im Geist gibt es einerseits den Gesamt-Geist, der die andern potential enthält wie einen großen Organismus, anderseits die einzelnen Geiste, deren jeder eine Verwirklichung dessen ist was jener der Möglichkeit nach enthielt. So wenn wir uns eine Gemeinde, die ja beseelte Wesen umschließt, selbst beseelt denken: vollkommener und kräftiger ist dann freilich die Gesamtseele der Gemeinde, Seele sein können aber auch die Einzelseelen. Oder ein anderes Bild: von dem Gesamt-(Welt-) Feuer findet sich hier ein großes, da und dort kleine Stücke, die gesamte Substanz ist aber nur die des Gesamt-Feuers (oder richtiger: diejenige, aus welcher auch die des Gesamtfeuers erst herstammt).
Die Aufgabe der vernünftigen Seele aber ist gewiß das Denken; nicht aber das Denken allein, dann unterschiede sie ja nichts vom Geist. Denn da ihr außer ihrer Eigenschaft als geistige noch etwas anderes zufiel, das sie nicht Geist bleiben ließ, hat sie eine eigentümliche Wirksamkeit so gut wie jedes geistige Wesen: sie kann blicken auf das was über ihr ist, dann denkt sie, sie kann auf sich selbst blicken, dann ist sie formender, ordnender Regent des ihr Nachgeordneten. Auf der Stufe nämlich des Geistes durfte die Welt nicht stehen bleiben, wo die Möglichkeit gegeben war daß die Reihe sich fortsetzte in einem weiteren Gliede, welches zwar geringer ist, dessen Existenz aber mit Notwendigkeit folgt aus der Existenz dessen was vor und über ihm ist.
[4]Die Einzelseelen also haben in sich einen geistigen Trieb, der sie zurückwendet zu ihrem Ursprung, sie haben auch eine Kraft, die auf die niedere Welt gerichtet ist; so wie das Licht abhängig ist von der Sonne über ihm und doch dem was unter ihm ist nicht kargt mit seiner Spende. Bleiben sie in der geistigen Welt mit der Allseele vereint, so haben sie Leidensfreiheit; bleiben sie im Kosmos bei ihr, so können sie mit ihr zusammen das All lenken, so wie die Helfer, die bei dem obersten König sind, mit ihm gemeinsam regieren ohne doch von der Königsburg hinabzusteigen. Denn sie sind ja dann in einer Ganzheit beisammen. Aber sie wenden sich ab von der Ganzheit in das Teil- und Eigensein, gleichsam müde der Gemeinschaft, und jede zieht sich in ihr Sondersein zurück. Tut sie das nun fortgesetzt, flieht die Gesamtheit, fällt ab in Geschiedenheit und richtet den Blick nicht mehr auf die geistige Welt, so wird sie zum Teil, vereinzelt sich und wird krank, sie gerät in Geschäftigkeit, richtet sich auf ein Teilwesen, und in der Absonderung von der Ganzheit läßt sie sich dann auf irgend ein Einzelding nieder, wendet sich ab von allem andern, kommt herab und neigt sich nieder in dies Einzelding, das dem Druck und Stoß aller andern Dinge ausgesetzt ist; so läßt sie das Ganze und regiert in Drangsal das Einzelne, nun kommt sie in Berührung mit dem Äußeren und muß sich ihm widmen, ist bei dem Einzelnen und senkt sich tief in es hinab. Hier widerfährt ihr dann wovon gesagt ist: sie ‘entfiedert’ sich und gerät in die Bande des Leibes; denn verscherzt hat sie die Unverletzlichkeit, die sie bei der Allseele hatte, als sie das Höhere lenkte (damals ergings ihr durchaus besser, als sie nach oben eilte); so fällt sie und ist gefangen, und beschäftigt sich mit ihrer Fessel und lebt nur mit den Sinnen (denn mit dem Geist zu leben hemmt sie zunächst der neue Aufenthalt); so ist sie, wie es heißt, ‘im Grabe’ und ‘in der Höhle’, wendet sie sich aber zurück zu geistigem Leben, dann wird sie ‘aus den Banden gelöst’ und ‘steigt hinauf’ (Erinnerung gibt ihr den Anstoß sich wieder hinzukehren zur Schau des wahren Seins, denn, trotz aller Erniedrigung, irgend ein Stück ihres Seins bleibt doch stets droben). So hausen denn die Seelen gleichsam in zwei Elementen wie Amphibien, im Wechsel sind sie genötigt bald dort oben, bald hienieden zu leben; die das Vermögen haben zu dauernderer Gemeinschaft mit dem Geiste, leben vorwiegend dort oben, hier unten die andern, denen Anlage oder Geschick jenes verwehrte. Das deutet denn auch Plato leise an: als er die Seelen aus dem zweiten Mischkrug sondert und zu Teilen werden läßt, da sagt er daß sie ‘notwendig’ ins Werden eintreten müssen, nachdem sie einmal Teilwesen dieser Art geworden sind. (Wenn er übrigens dort sagt, Gott habe die Seelen ‘gesät’,