»Hören Sie genau zu, Parker, wenn Sie mir mit Tricks kommen sollten, fallen Sie gründlich rein.«
»Diese Warnung möchte ich unbedingt an Sie zurückgeben«, schloß der Butler. »Ich hoffe, schon bald von Ihnen hören zu können, Mister Alton.«
»Bis dahin, Parker.« Es klickte in der Leitung, und Parker legte langsam auf. Er drehte sich gemessen zu Lady Simpson um, die ihm den Zweithörer reichte.
»Kann man sich auf diesen Strolch verlassen?« fragte sie.
»Das, Mylady, wird bereits die nahe Zukunft erweisen«, gab Parker vorsichtig zurück. »Mr. Bernie Alton ist für seine Tücke selbst in der sogenannten Unterwelt berüchtigt. Für bösartige Überraschungen dürfte er jederzeit gut sein, wenn ich mich so ausdrücken darf.«
*
Sie hieß Joy Farber, wie Parker festgestellt hatte, und wohnte in einem kleinen Landhaus in Wimbledon, das auf einen guten finanziellen Hintergrund schließen ließ. Vor der Doppelgarage standen ein VW und ein neuer Ford. Im Erdgeschoß des Hauses brannte Licht.
Parker hatte sich die Adresse der von ihm beobachteten Warenhausdiebin leicht verschaffen können. Lady Simpson hatte ihre weitreichenden Beziehungen wieder mal ausgespielt. Hinzu kam die Tatsache, daß das Geschäft, in dem die Diebin festgenommen worden war, genau zu der Warenhauskette gehörte, die von Lord Castner betreut wurde.
»Sind Sie sicher, daß wir die richtige Adresse bekommen haben?« fragte Agatha Simpson, die im Fond von Parkers Wagen saß.
»Ein Irrtum ist so gut wie ausgeschlossen«, meldete Parker vom Steuer her.
»Es muß trotzdem ein Irrtum sein«, sagte die ältere Dame kopfschüttelnd. »Aus diesem Haus kann doch niemals eine Warenhausdiebin stammen.«
»Mylady gestatten, daß ich mir die Freiheit nehme, ein wenig anderer Meinung zu sein. Warenhausdie-binnen kommen aus allen sozialen Schichten, wie die Kriminalstatistiken ausweisen.«
»Wem sagen Sie das?« grollte Lady Simpson sofort. »Wollen Sie mich etwa belehren?«
»Das, Mylady, liegt mir fern.«
»Dann klingeln Sie und finden Sie heraus, ob diese Mrs. Joy Farber mit Ihrer Diebin identisch ist.«
Parker stieg aus dem Wagen, legte sich den Universal-Regenschirm korrekt über den linken Unterarm und schritt fast feierlich auf das hübsche Haus zu. Nachdem er geklingelt hatte, waren Schritte hinter der Tür zu hören, die wenig später geöffnet wurde.
Von einem Irrtum konnte keine Rede sein!
Die Frau, die ihm gegenüberstand, war mit jener jungen Dame identisch, die Parker im Warenhaus beo-bachtet hatte. Sie kannte ihn natürlich nicht und sah ihn interessiert-abwartend an. Einen nervösen Eindruck machte sie überhaupt nicht. Sie wirkte kühl und selbstbeherrscht.
»Darf ich mir die Freiheit nehmen, Madam, mich vorzustellen?« schickte der Butler voraus. »Parker mein bescheidener Name, Josuah Parker.«
»Und was kann ich für Sie tun, Mister Parker?« Sie lächelte den Butler jetzt freundlich an.
»Ich erlaube mir wegen eines Vorfalls zu kommen, Madam, der nicht gerade erfreulich zu nennen ist.«
In diesem Augenblick begriff sie, wurde rot und weiß im Gesicht und schluckte nervös.
»Läßt es sich ermöglichen, ein ungestörtes Gespräch zu führen, Madam?«
»Bitte, nicht hier und nicht jetzt«, stieß sie ängstlich hervor. »Mein Mann kann jeden Moment zurück-kommen. Er besucht einen Bekannten in der Nachbarschaft.«
»Ich erlaube mir, Madam, auf Ihre Vorschläge zu warten.«
»Kommen Sie von …« Sie führte den Satz nicht zu Ende und ließ ihn in der Luft hängen.
»Woher, bitte, könnte ich kommen, Madam?« Parker hatte das Gefühl, daß ihm diese junge, nun verwirrte Frau einen ersten wichtigen Hinweis liefern konnte.
»Vom, äh, Großen Meister?« Die Bezeichnung »Großer Meister« schien sie anzuekeln.
»Über all diese Dinge wird man gleich reden müssen, Madam.«
»Das Geld kann ich wirklich erst morgen beschaffen«, redete sie hastig weiter.
»Sie kennen die Summe, Madam?« Parker frohlockte innerlich. Diese junge Frau war ergiebig, was Infor-mationen anbetraf. Parker wurde erneut verwechselt. Sie hielt ihn wahrscheinlich für einen Sendboten jenes Mannes, den sie »Großer Meister« nannte. Noch tat der Butler nichts, um diesen Irrtum aufzuklären.
»Natürlich weiß ich, was ich zu zahlen habe«, seufzte sie, »tausend Pfund vergißt man nicht.«
»Diese Summe scheint Ihnen gewisse Schwierigkeiten zu bereiten.«
»Ich werde es schaffen, bestimmt. Aber sagen Sie nur nichts meinem Mann, er muß aus dem Spiel blei-ben.«
»Sollten Sie ihn nicht vielleicht doch besser informieren, Madam?« fragte Parker eindringlich.
»Sind Sie verrückt?« Sie sah ihn entsetzt an. »Mein Mann ist bei der Regierung angestellt. Es würde ihn völlig verunsichern, wenn er von dieser Sache im Kaufhaus erführe.«
»Mr. Farber arbeitet, wie ich vermuten darf, im höheren Dienst?«
»Natürlich! Und es würde seine Karriere kosten, wenn diese Geschichte herauskommt.«
»Darum wollen Sie die tausend Pfund auch zahlen, nicht wahr?«
»Wieso fragen Sie so komisch?« Sie sah ihn jetzt mißtrauisch an und konnte sich das menschliche Interes-se dieses vermeintlichen Erpressers nicht erklären.
»Ihr Verdacht ist vollkommen richtig, Madam«, erklärte der Butler, der ihre Frage und ihren Blick richtig gedeutet hatte, »ich bin nicht der, für den Sie mich halten.«
»Ja, wer sind Sie denn?«
»Ich war so frei, mich bereits vorzustellen. Parker mein Name, Josuah Parker. Allerdings habe ich mit dem von Ihnen erwähnten ›Großen Meistern‹ nichts zu tun, wie ich versichern darf.«
»Dann … dann begreife ich nicht, woher Sie das alles wissen.« Es war ihr wohl nicht ganz klar, daß alles aus ihrem Mund stammte.
»Lady Simpson, für die zu arbeiten ich die Ehre habe, möchte Ihnen helfen, Madam.«
»Lady Simpson?« Sie wußte mit diesem Namen wohl etwas anzufangen, denn sie stutzte.
»Lady Agatha Simpson«, präzisierte der Butler. »Mylady wartet dort drüben im Wagen und möchte sich gern mit Ihnen unterhalten. Aber Ihr Mann muß ja jeden Moment zurückkehren, nicht wahr?«
»Vor Mitternacht bestimmt nicht«, räumte Joy Farber jetzt ein. »Mein Mann schneidet mit seinem Freund einen Urlaubsfilm. Er ist leidenschaftlicher Amateurfilmer.«
»Demnach wären Sie zu einer kleinen Unterhaltung mit Lady Simpson bereit?«
»Es hat wohl keinen Sinn, das abzulehnen.« Joy Farber machte jetzt einen müden und abgespannten Ein-druck.
»Es würde sich nicht empfehlen, Madam«, gab der Butler zurück. »Ich darf noch mal wiederholen, daß Mylady helfen will.«
»Wenn das der ›Große Meister‹ erfährt bin ich geliefert«, seufzte die junge Frau. »Er hat mir verboten, über die ganze Sache auch nur eine Silbe zu erzählen. Er läßt mich überwachen!«
»Ob dem so ist, Madam, wird sich schnell erweisen«, meinte Parker beruhigend, »im übrigen sollten Sie davon ausgehen, daß dieser ›Große Meister‹ auf die Angst seiner Opfer setzt Haben Sie das, was man Ver-trauen nennt!«
Joy Farber hätte diese Unterhaltung gar nicht mehr ablehnen können, denn Agatha Simpson stampfte be-reits recht unwillig heran. Sie hatte ihrer Ansicht nach bereits