»Hallo, ihr miesen Typen«, begrüßte Barvas sie, denn er konnte Polizeiuniformen verständlicherweise nicht ausstehen. »Soll ich euch mal Beine machen, ihr Bullen?«
Um sich noch verständlicher zu machen, zog er seine schallgedämpfte Schußwaffe und richtete den Lauf auf die Uniformierten, die diese Geste natürlich mißverstanden. Es handelte sich um erfahrene Polizisten, die blitzschnell zur Seite sprangen, um Barvas zur Vernunft zu bringen.
Dieser Prozeß verlief allerdings ein wenig einseitig. Nachdem Barvas sich ein paar derbe Schläge mit dem Schlagstock eingehandelt hatte, fühlte er sich von der Welt mißverstanden, wehrte sich, trat und stieß um sich und wollte sogar auf die beiden Beamten schießen. Da Josuah Parker die Waffe jedoch sicherheitshalber entladen hatte, tat sich in dieser Hinsicht überhaupt nichts.
Killer Barvas weinte, als er auf dem Boden landete. Er hatte diverse Schmerzen an verschiedenen Körperstellen und sang nicht mehr. Er leistete kaum noch Widerstand, als die beiden Polizisten ihn ins Auto transportierten.
»Dieses verkommene Subjekt dürfte vorerst aus dem Verkehr gezogen sein«, stellte Lady Simpson fest, die zusammen mit ihrem Butler den Vorfall aufmerksam verfolgt hatte.
»Mr. Ralph Barvas hat vor wenigen Minuten seine blutige Laufbahn als Berufsmörder beendet«, präzisierte der Butler. »Die Waffe, mit der Mulligan erschossen wurde, wird dafür sorgen. Außerdem noch die kleine Prise Rauschgift, die man in seiner Hosentasche finden wird.«
»Haben Sie das etwa arrangiert?«
»Ich sah mich zu meinem Leidwesen einfach dazu gezwungen«, bekannte der Butler. »Menschen wie Barvas sind hinter Gittern besser aufgehoben als in der Öffentlichkeit.«
»Und was machen wir jetzt?« erkundigte sich die streitbare Dame. »Die Nacht ist gerade erst angebrochen. Wir haben noch viel Zeit. Wir sollten uns die Music hall mal aus der Nähe ansehen.«
»Man könnte zumindest an diesem Etablissement vorbeifahren«, schlug Josuah Parker vor und sah zufrieden dem davonjagenden Polizeistreifenwagen nach.
»Warum tun wir nicht mehr?« fragte Agatha Simpson erbost. »Wir wissen doch von Barvas, wer zu Lynns Organisation gehört, nämlich die beiden Besitzer der Music hall, Ernie Kelson und Paul Putnam und dann schließlich noch dieser Lester Bentley. Diese Lümmel könnten wir im Handstreich überlisten.«
»Durchaus, Mylady«, räumte der Butler ein, »aber zu beweisen wäre diesen Herren überhaupt nichts, wenn ich in aller gebotenen Bescheidenheit darauf aufmerksam machen darf. Zudem ist unbekannt, wer Mr. Lynn nun tatsächlich ist. Um ihn allein dürfte es gehen, Mylady, denn könnte er entkommen, würde er mit Sicherheit eine neue Organisation aufbauen.«
»Sie besitzen ein beneidenswertes Talent, mir alle Freude zu nehmen«, beschwerte sich die Detektivin. »Also gut, fahren wir an der Music hall vorbei. Vielleicht ergeben sich neue Hinweise.«
Als sie die Music hall erreicht hatten, war der Bau festlich beleuchtet. Im Schein der Lampen, die auch über dem Eingang brannten, rieselten kleine Wasserbäche nach draußen, die auf einen kapitalen Rohrbruch hindeuteten.
»Was sagen Sie dazu, Mr. Parker?« wunderte sich Lady Simpson.
»Miß Kathy scheint in Aktion gewesen zu sein«, gab der Butler zurück und sorgte sich um seine hübsche Assistentin.
*
Kathy war das Lachen vergangen.
Gewiß, sie hatte den »Magier der Hölle« abschütteln können, doch viel gefährlicher war dieser Lester Bentley, der ihr förmlich im Nacken saß. Der Große, schlanke und sportliche Mann war aus dem Verbindungskorridor zurückgekehrt, hatte mit schnellem Blick erkannt, was passiert war, und verfolgte sie nun gekonnt.
Kathy hatte die Music hall längst verlassen und stahl sich durch das nächtliche Montrose. Sie wußte, daß Bentley ihr folgte, und fürchtete ihn. Sie hatte schon bei der ersten Begegnung gemerkt, daß dieser Mann Vollprofi war.
Kathy hatte einen knappen Vorsprung herausgearbeitet, getraute sich aber nicht, zum »St. Cyrus« zu laufen. Wahrscheinlich wurde sie dort erwartet. Die Mitglieder der Bande wußten ja inzwischen, daß sie Lady Simpsons Sekretärin und Parkers Assistentin war.
Instinktiv pirschte Kathy zum kleinen Fischerhafen hinunter, dort gab es eine Anzahl von sogenannten Privatclubs, wo selbst noch um diese Zeit Betrieb herrschte. Gegen eine geringe Gebühr konnte man dort Mitglied werden und sich privat vergnügen, ohne an die Polizeistunde gebunden zu sein. Dort mußten die engen Straßen und Gassen noch belebt sein, dort konnte sie ihren Verfolger möglicherweise abschütteln.
Im Fischereihafen lange die Versorgungsboote und Hochseeschlepper, die als Nachschub der schwimmenden Bohrinsel dienten. Seeleute waren also mehr als genug vorhanden. Kathy mußte nur die richtige Gasse finden, bevor Bentley sie erreichte.
Noch hatte sie Bentley nicht gesehen, doch sie fühlte immer deutlicher, daß er ihr dicht auf den Fersen war. Dieser Mann war ein gerissener Fuchs, der wahrscheinlich genau berechnete, welchen Fluchtweg sie nahm. Jeden Moment konnte er aus der Dunkelheit eines Torwegs hervortreten und sich ihr in den Weg stellen. Ob sie dann noch eine Chance hatte, war mehr als fraglich.
Vorsichtig schritt sie auf eine Ecke zu, hinter der die nächste Gasse war. Und blieb dann wie erstarrt stehen …
Bentley!
Breitbeinig stand der Mann im Dunkel, nur in Umrissen zu erkennen. Er lachte leise und siegessicher.
»Na, also«, sagte er. »Ich wußte es doch, Miß Porter. Das war nur eine Frage von Minuten.«
»Wie … wie haben Sie mich gefunden?« stotterte Kathy.
»Weil ich Sie als Profi eingeschätzt habe, und das im Gegensatz zu meinen Freunden. War doch klar, daß Sie nicht ins Hotel laufen würden, nicht wahr? Und wo versteckt man sich am besten? Möglichst in einem Hafenviertel.«
»Was … was haben Sie jetzt mit mir vor, Mr. Bentley?«
»Hören Sie auf, das ängstliche, kleine Mädchen zu spielen«, gab er ironisch zurück. »Ich nehme Ihnen diese Rolle nicht ab. Wir werden uns gleich mal in aller Ruhe unterhalten, war ja schließlich so geplant.«
»Und wo?«
»Auf meiner Motorjacht, Miß Porter! Sie wird Ihnen gefallen, wetten?«
»Und danach wollen Sie mich umbringen, nicht wahr?«
»Unsinn, Miß Porter! Für Sie weiß ich eine bessere Verwendung, als Leiche sind Sie für mich wertlos. Noch etwas, versuchen Sie nicht, mir mit Tricks zu kommen! Ich kenne so ziemlich alles.«
»Vor Ihnen hatte ich gleich Angst, als ich Sie sah.«
»Kommen Sie mir auch nicht mit Komplimenten, Kathy«, wehrte er lässig ab, »so was verfängt bei mir schon lange nicht mehr. Ich werde übrigens schießen, wenn Sie abhauen! Sie wissen ja, daß es gemeine Schüsse gibt, an denen man nur langsam stirbt. Haben wir uns verstanden?«
»Und ob«, seufzte Kathy, die ihm jedes Wort abnahm. »Sie haben gewonnen, Bentley.«
»Nennen Sie mich doch Lester«, meinte er fast nett. »Sie haben eine echte Chance, alles zu überleben, aber Sie müssen verdammt klug sein.«
»Ich werde mich anstrengen, Lester.« Kathy dachte wirklich nicht an einen Fluchtversuch. Riskierte sie ihn, war sie. verloren. Dieser Mann würde unbedingt schießen, er bluffte nicht.
Bentley blieb dicht neben ihr und zeigte keine Waffe, doch würde er sie blitzschnell in der Hand haben, wenn es sein mußte. Gehorsam ging sie neben ihm her und näherte sich mit ihm dem kleinen Jachthafen gleich zu Anfang der Mole, die weit hinaus in die See schwang.
»Sind Sie der Chef?« erkundigte sie sich, um überhaupt etwas zu sagen.
»Mein eigener«, gab er zurück, »ich bin Einzelgänger. Und das ist Ihre Chance, Kleines, wenn Sie weiterleben wollen. Ich erwarte dafür ein wenig Herz und Temperament.«
Kathy