»In diesem Fall geht es also uni die schwimmende Bohrinsel draußen in der Nordsee, nicht wahr?«
»Das wissen Sie doch längst.«
»Und wo ist das Hauptquartier dieser Lynn-Organisation?«
»Die Music hall.«
»Wissen die Besitzer davon?«
»Keine Ahnung, ich bin ja erst seit ein paar Tagen hier in Montrose. Lynn hatte mich angefordert.«
»Um wen zu erledigen?« Parker hatte das Gefühl, daß Barvas wieder zurückhaltender wurde. Er brachte die Dogge erneut ins Spiel und drückte den Killer gegen die Käfigtür. Nun, die Dogge biß zwar nicht zu, aber mit den Krallen der rechten, weit vorgeschobenen Pfote fuhr sie kratzend über die linke Hinterbacke des Mörders.
Die Doggen sahen sich beeindruckt an, als Barvas daraufhin aufheulte und dann hastig weiterredete.
»Es ging um die Lady und um Sie«, gestand er. »Lynn muß herausgefunden haben, daß Sie auf ihn angesetzt worden sind. Er war sich seiner Sache noch nicht sicher, aber er wollte erst gar kein Risiko eingehen und Sie verscheuchen lassen.«
»War das die Aufgabe von Mulligan?«
»Von ihm und mir. Ich sollte Dampf machen, falls Lady Simpson nach der Sache in der Loge nicht kapierte. Ich sollte Sie aber wirklich nicht erledigen, nur ein wenig in Panik bringen.«
»Sie nannten Mylady und meine bescheidene Wenigkeit«, schickte Parker gemessen voraus. »Fiel in diesem Zusammenhang noch ein weiterer Name?«
»Keine Ahnung. Ich bin doch neu hier in Montrose, Parker, glauben Sie mir doch endlich!«
»Und warum erledigten Sie Mulligan auf dem Dach der Remise?«
»Der hätte doch mit Sicherheit geredet. Das sollte ich verhindern.«
»Ich schlage vor, ein anderes Thema abzuhandeln«, sagte der Butler und drückte den Killer gegen das Gitter der wieder fest verschlossenen Tür. »Die Lynn-Organisation hat Ärger mit einer gewissen Konkurrenz, nicht wahr?«
»Das sind doch Sie, oder?« Barvas sah den Butler unsicher an und wimmerte dann leicht, als die Pfoten der Doggen seinen Anzug in Streifen zerlegten. Die kräftigen Krallen dieser handtellergroßen Pfoten kamen recht gut durch die Quadrate des Maschendrahts.
»Wer sonst noch?« stellte Parker die nächste Frage. »Mr. Barvas, zieren Sie sich nicht unnötig, ich fühle wieder Zorn in mir aufsteigen! Ich schäme mich dieser unkontrollierten Regungen, aber ich kann dagegen einfach nicht an. Ich muß wieder an den kleinen Hund denken.«
»Ich rede ja schon«, stöhnte Barvas und versuchte mit dem Rücken vom Maschendraht wegzukommen, was ihm aber mißlang.
»Nehmen Sie sich nur Zeit, Mr. Barvas, wir wollen nichts überhasten und kein Detail übergehen. Die Gespräche Lady Simpsons werden mit Sicherheit noch etwas andauern.«
Um den Killer in Stimmung zu halten, griff Parker wieder zum Türverschluß.
Barvas, der diese Bewegung sah, klammerte sich hastig an Parker fest und überschüttete ihn mit Hinweisen. Er fühlte sich sogar verpflichtet, aus seiner Jugend zu erzählen und von den Vorfahren seiner Familie. So mitteilsam war er!
*
Die Falle war im Grund nur für einen Eingeweihten zu erkennen.
Um einen runden Tisch herum saßen Ernie Kelson und sein Kompagnon, der Paul Putnam hieß. Putnam erinnerte in seiner Größe und Magerkeit an eine leicht verhungerte Spitzmaus. Seine dunklen fast schwarzen Augen befanden sich in ununterbrochener Bewegung.
Etwas abgesetzt von ihnen saß ein dritter Mann, groß, mit Bauch und teigigem Gesicht. Wer es war, wußte Kathy nicht zu sagen. Sie hatte diesen Mann mit den schweren Augenlidern noch nie gesehen, spürte aber sofort die tödliche Bedrohung, die von ihm ausging.
Der vierte Mann in der Runde mußte Cardano, der Magier der Hölle sein.
Er sah aus wie ein Vampir aus einem englischen Horrorfilm. Ihm fehlten dazu eigentlich nur noch die überlangen Eckzähne. Er war groß, hager, hatte ein bleiches Gesicht und pechschwarzes Haar, das in der Art eines Bühnen-Mephisto geschnitten und gekämmt war. Er trug einen schwarzen Anzug und musterte Kathy aus dunklen, brennenden Augen, die den »Genuß« einer harten Droge verrieten.
»Miß Kathy Porter«, stellte Lester Bentley in dünkelhafter Pose vor, »die reizende und auch tüchtige Mitarbeiterin von Butler Parker und Lady Simpson.«
»Kompliment«, gab Kathy geistesgegenwärtig zurück und wandte sich zu Lester Bentley um, dem sie im gleichen Moment ihren Ellbogen in die Magengrube rammte.
Bentley, der große, schlanke und sicher auch sportlich durchtrainierte Mann, wurde von diesem Angriff völlig überrascht. Er schnappte intensiv nach Luft und verbeugte sich gleichzeitig vor Kathy.
Sie nahm sich nicht die Zeit, seine Höflichkeiten zu beantworten, sondern rannte an ihm vorbei und schmetterte hinter ihm die Tür ins Schloß.
Groß war ihr Vorsprung nicht, sie mußte ihn nutzen und weiter ausbauen. Kathy lief aber keineswegs zurück in Richtung Verbindungskorridor, wo man sie sicher vermuten würde, sie nahm die entgegengesetzte Richtung, verschwand im Dunkel der Hinterbühne und blieb dann neben dem Pult des Inspizienten stehen, wo sie sich als Nummerngirl stets aufhalten mußte.
Ihre Rechnung ging erst mal auf.
Die Tür wurde aufgestoßen. Lester Bentley, nicht mehr elegant und überlegen wirkend, schleppte sich aus dem Zimmer und lief taumelnd zum Korridor hinüber. Kathy sah deutlich, daß er die Schußwaffe wieder in der Hand hatte.
Dann erschien der »Magier der Hölle«, der es nicht so eilig hatte. Cardano, wie er von Bentley genannt wurde, blieb suchend an der Tür stehen und rieb sich sein spitzes Kinn. Der Mann überlegte, was Kathy überhaupt nicht paßte.
Cardano trat höflich zur Seite, als die beiden Kompagnons aus dem Büro eilten. Ernie Kelson und Paul Putnam entschieden sich ebenfalls für den Verbindungskorridor und verschwanden im Halbdunkel. Der große Mann mit dem Bauch und dem teigigen Gesicht ließ sich überhaupt nicht blicken. Er hielt es wahrscheinlich für unter seiner Würde, sich an diesem Spektakel zu beteiligen.
Cardano setzte sich in Bewegung und kam direkt auf Kathy Porter zu. Dieser Mann schien bereits genau zu wissen, wo sie sich verborgen hielt. Er benahm sich recht eigenartig, wie Kathy fand. Er streckte seine Hände leicht vor, und spielte mit den Fingern in der Luft. Er schien ihre Körperwärme ertasten zu wollen.
Kathy fühlte Angst in sich aufsteigen und spürte, daß dieser Mann über Fähigkeiten verfügte, denen sie nichts entgegenzusetzen hatte. Cardano kam langsam näher und sah im Halbdämmern aus wie der Hölle entstiegen.
Er blieb stehen und schloß die Augen.
Genau in diesem Augenblick fühlte Kathy so etwas wie einen eisernen Ring, der sich um ihre Schläfen, um ihren Kopf legte. Sie spürte, daß ein fremder Wille Besitz von ihr ergriff, ein Wille, der sie in seinen Bann zog.
Sie wurde schwach in den Beinen und klammerte sich mit den Händen am Pult des Inspizienten fest, um nicht zu fallen. Irgend etwas in ihrem Kopf sagte ruhig und eindringlich, daß sie kommen solle, daß es ihr Wunsch sei, Cardano entgegenzugehen.
»Kommen Sie schon, Kathy«, hörte sie dann die laute Stimme, die dem Magier gehörte. Sie klang sympathisch, war verlockend und weckte Sehnsüchte in ihr, sich ihm ganz anzuvertrauen.
»Kommen Sie, Kathy«, wiederholte die Stimme des Magiers sanft und einschmeichelnd. »Sie wissen doch, daß Ihnen nichts passieren wird. Kommen Sie jetzt!«
Eine andere Stimme in ihrem Inneren warnte sie in panischer Aufregung, daß sie es mit einem Mann zu tun hatte, der über hypnotische Fähigkeiten verfügte. Doch diese warnende Stimme wurde sofort wieder überlagert von dem tiefen Wunsch, Cardanos Aufforderung