Club Secret Teil 1
Kusstastisch
Jennifer Schreiner
Meine Gefühle waren echt und ursprünglich. Ich hatte nicht einmal ganze fünf Minuten gebraucht, um das Hotel zu hassen, die Anlage, das angebotene, angeblich aphoridisierende Bonbon und den Animateur. Ganz besonders meinen persönlichen Animateur. Einen Typen, der so intensiv nach verführerischer Caramelschokolade roch, dass man ihn am liebsten sofort aufknuspern wollte – oder vernaschen.
Aber jetzt einmal ehrlich und unter uns: Wenn das hier ein superduperintensiver Erotikurlaub werden sollte, wieso hatte ich dann nach all den Fragebögen, Tests und Gesprächen ausgerechnet Mister Superschnösel als Dauerspielpartner bekommen? Partner … da konnte ich ja nur lachen!
Im besten Falle konnte der gut riechende Lackaffe als Spielzeug herhalten. Aber auch nur dann, wenn er anständig um Gnade betteln konnte. Etwas, was ich mir kaum vorzustellen wagte. Sollte er aber besser. Zumindest, wenn er mich noch einmal »Skar« nannte. Dann würde ich das mit dem Betteln ausprobieren. Schließlich benutzte selbst meine kleine, rotzfreche Schwester diesen schrecklichsten aller möglichen Spitznamen nur, wenn sie wütend auf mich war. Schließlich war mein echter Name, Skarina, schon schlimm genug.
Ich seufzte tief und versuchte zu ignorieren, wie sehr mich die Sonne lockte und der Strand rief und wie sehr ich es hasste, in einer förmlichen Rezeption festzuhängen, weil irgendetwas mit den Buchungen nicht so stimmte, wie geplant. Mein Blick glitt zu Mister Superschnösel, der sich zu voller Größe – imposant – ein gutes Stück vor mir aufgebaut hatte und förmlich über der Empfangsdame aufragte. Immerhin … um meine Termine und mein leibliches Wohlbefinden kämpfte mein sogenannter Partner wie ein Löwe und schien jedes Detail, jeden Wunsch meiner zahlreichen Listen und Ideen verinnerlicht zu haben. Gott sei Dank, denn Urlaub statt Kampf hatte ich wirklich nötig!
Wenn ich nur daran dachte – oder daran, dass ausgerechnet jetzt, wo ich endlich einmal die Möglichkeit hatte, mich zu entspannen, etwas nicht stimmte – wurde ich wütend: Seit Monaten musste ich ja förmlich um meine eigenen Eltern einen Bogen machen – und um den Typen, mit dem sie mich verkuppeln wollten. Essenseinladungen, Familiennachmittage, spontane Treffen mit Freunden … Alles schien zu einer mehr oder weniger vorsichtigen Herzblatt-Show mutiert zu sein. Und das nur, weil Mama und Papa der Meinung waren, eine Heirat wäre ausgerechnet jetzt eine tolle Idee. Also eine Heirat mit dem Kerl, den sie mir ausgesucht hatten.
Dabei passten wir wirklich nicht zusammen. Und nur weil seine Familie und meine Familie Firmen hatten, die ganz zufällig nun zusammengeschlossen wurden … Wir lebten doch nicht im Mittelalter. Für so etwas gab es Anwälte und Verträge!
Ich verdrehte die Augen, weil es jeder außer mir wildromantisch fand. Sogar meine Freunde, die ihn als sexy klassifizierten – und mich als notorischen Dauer-Single natürlich auch gerne verkuppelt sehen wollten.
Inzwischen war ich vor lauter Blind-Date-Versuchen und Familienzusammenführungsevents schon so paranoid, dass ich nur meiner Schwester von diesem Urlaub erzählt hatte und in jeder zweiten Nacht von Wellness träumte. Von einer Tiefen-Entspannung, für die Mister Superschnösel immer noch verbal mit der Tussi von der Rezeption kämpfte und sich in der Diskussion wirklich tapfer schlug. Gott sei Dank eigentlich. Besser er als ich, obwohl ich sonst nicht der Typ Mensch war, jemand anderem das Reden zu überlassen.
Vielleicht … wenn er einfach machte, was ich verlangte und ansonsten einfach nur anwesend war …? Meine Gedanken schweiften ab und ich musste mich schwer beherrschen, um nicht zu sabbern, weil er wirklich gut roch – und gut aussah. Ein wenig verwegen, mit seinen dunklen Haaren, die zerwuschelt waren, als hätte er gerade aufregende Stunden im Bett verbracht. Augen, die fast zu dunkel waren, um echt zu sein und einem Gesicht, das man so leicht nicht mehr vergaß. Markant, aber ohne den Dreitagebart wohl aufgrund seines Alters noch zu soft. Obwohl er voll angezogen war, mit Jeans und weißem T-Shirt, war ich mir sicher, dass auch sein Körper einem jungen Adonis zur Ehre reichen konnte. Einzig seine Nase besaß einen kleinen Makel und milderte den Eindruck der Perfektion ein wenig: Sie war an der Spitze ein wenig schief, so als wäre sie einmal gebrochen gewesen und …
Das Objekt meiner Betrachtung schien meine Aufmerksamkeit zu spüren, oder das Wortgefecht zu seiner Zufriedenheit beendet zu haben, denn er blickte auf und mich direkt an. In seinen Augen war keine Spur von Verlegenheit zu sehen, keine Verunsicherung, weil ich ihn so lange beobachtet hatte. Es war eher Überheblichkeit, die dort zu lesen war. Vielleicht auch ein Hauch Spott.
Er wusste definitiv, dass er attraktiv war. Deutlich attraktiver als jeder Typ, den ich mir freiwillig ausgesucht hätte. Solche Männer verunsicherten mich und machten mir Angst. Niemand sollte so selbstsicher sein dürfen, dass er die Welt allein durch einen Blick wissen lassen konnte, wie glücklich sie sich zu schätzen hatte, weil er anwesend war.
Trotzdem verfehlte es seine Wirkung auf mich nicht, so dass ich von ihm fortsah und meine Aufmerksamkeit auf die Rezeptionistin richtete, die brav meine Wunschtermine in den Kalender eintrug. Alle.
Jetzt war ich doch ein kleines bisschen beeindruckt!
»Wenn du mich noch umtauschen willst – jetzt ist der perfekte Zeitpunkt«, wisperte mein Begleiter in spe leise. Er war nicht nur zu mir geschlendert, ohne dass ich sein Näherkommen bemerkt hatte, er war mir auch gleich förmlich auf die Pelle gerückt. Seine Nähe jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken und die kleinen Härchen auf meinem Nacken stellten sich auf.
Ich fühlte mich gleichzeitig eingekreist – obwohl er still neben mir stand – als auch verunsichert. Einfach durch seine Anwesenheit und den Blick, den er mir schenkte. So als lese er mich wie ein Buch.
Beide Emotionen gefielen mir nicht – und auch nicht die Absicht, die hinter dem Auftreten meines Begleiters steckte. Deswegen lehnte ich mich absichtlich in seine Richtung – und kam ihm gleich noch ein wenig näher. Dabei drehte ich auch mein Gesicht mehr in seine Richtung. So nah kam ich mit meinem Mund gewöhnlich nur Typen, die ich auch küssen wollte.
»Wieso sollte ich … meinen persönlichen … Bespaßer tauschen wollen?«, fragte ich und staunte über meine Stimme. Ich klang aggressiver als beabsichtigt.
»Ben«, korrigierte er mich. »Mein Name ist Ben.« Er zwinkerte mir zu und kam dann wieder auf sein ursprüngliches Anliegen zurück. »Weil ich dich verunsichere?!« Trotz der Überheblichkeit in seiner Stimme schweifte sein Blick von meinen Augen zu meinem Mund und ließ ihn allein dadurch trocken werden. Es war dieser Blick – vor allem die überraschende Gier in ihm – die mich leicht den Kopf schütteln ließ. Ich war schon lange nicht mehr so angesehen worden. Zumindest nicht so … offensichtlich und so … ursprünglich.
Noch mehr als sein Blick wunderte mich allerdings, dass es ihm nichts auszumachen schien. Beinahe schien es sogar so, als lege er es darauf an, mich wissen zu lassen, wie heiß er mich fand. Alles an mir. Denn langsam wanderte sein Blick wieder hoch und musterte mein Gesicht, als suche er etwas. Eine Einladung vielleicht oder auch nur eine Bestätigung. Aber auch die Gier in seinen Augen war noch da. Unverholen und rau. Sie genügte, um meinen Körper reagieren zu lassen – meine Libido kribbelte förmlich und ich konnte spüren, wie ich feucht wurde.
»Die ganze Situation ist … verwirrend«, versuchte ich es mit einer Halbwahrheit. Denn plötzlich war ich mir gar nicht mehr sicher, ob ich Mister Mister nicht Unrecht getan und falsch eingeschätzt hatte. Wenn ich feucht wurde, konnte er – Ben – ja nicht alles falsch gemacht haben, oder?
»Wenn du willst, kann ich auch den großen, starken Beschützer rauskehren«, schlug er entgegen meiner schriftlich vor dem Urlaub fixierten Wünsche vor. Dabei umspielte ein