NIKOLAUS GRAF COUDENHOVE-KALERGI
Europapolitiker
* 16. 11. 1894 Tokio † 27. 7. 1972 Schruns/Vorarlberg. Der Sohn eines flämischgriechischen Aristokraten und einer Japanerin gründete 1923 die Paneuropa-Union, mit dem Ziel einen europäischen Staatenbund zu schaffen. Bemühte sich im amerikanischen Exil vergeblich um eine österreichische Exilregierung. 1947 Gründung der Europäischen Parlamentarischen Union.
Nach dem Ersten Weltkrieg interessierten sich Millionen Menschen in aller Welt für das pazifistische Gedankengut. Freilich verhielten sich die Proponenten dieser Bewegung oft recht ungeschickt. Als Coudenhove-Kalergi 1924 den Pazifistenkongress in Berlin besucht hatte, schrieb er seine Eindrücke nieder: »Das große Übel des Pazifismus sind die Pazifisten.«
Der in Tokio geborene Coudenhove-Kalergi musste in der Zeit, als er im amerikanischen Exil lebte, auf einer Reise ein Formular ausfüllen, in dem auch die Frage gestellt wurde: »Welche feindlichen Länder haben Sie besucht und zu welchem Zweck?«
Er schrieb: »Land: Japan. Zweck: Geburt.«
FRANZ THEODOR CSOKOR
Schriftsteller
* 6. 9. 1885 Wien † 5. 1. 1969 ebd. Bedeutender Vertreter des expressionistischen Dramas, verfasste auch Lyrik und Romane. Trat als Humanist für die Wahrung der Menschenrechte ein. Während der Nazizeit Emigration nach Italien. 1947 Präsident des österreichischen P.E.N.-Clubs. Sein erfolgreichstes Stück »3. November 1918« wurde zum Requiem der österreichisch-ungarischen Monarchie.
Franz Theodor Csokor wurde in den zwanziger Jahren von der Direktion des Burgtheaters als »Spion« nach Berlin geschickt, um dort Stücke zu erkunden, die auch für Wien geeignet wären. Csokor entschied sich für den Einakter Vatermord von Arnolt Bronnen und drahtete nach Wien: »Empfehle Vatermord!«
Auf der Rückfahrt wurde Csokor an der Grenze verhaftet und in polizeilichen Gewahrsam genommen. Erst als er nachweisen konnte, dass er in dem abgefangenen Telegramm ein Theaterstück und keineswegs ein Kriminaldelikt vorgeschlagen hatte, durfte er die Heimreise fortsetzen.
Da er in großer materieller Anspruchslosigkeit lebte, liebte es Csokor umso mehr, eingeladen zu werden. Ein für seine üppigen Gastmähler bekannter Freund wollte ihn für den nächsten Tag zum Mittagessen bitten. »Das geht leider nicht«, bedauerte Csokor. »Morgen nicht, aber übermorgen, wenn’s recht ist.«
»Gut, dann übermorgen. Und wer, wenn ich fragen darf, hat dich für morgen eingeladen?«
»Morgen«, strahlte Csokor, »hat mich deine Frau eingeladen.«
Csokors Wohnung war chronisch unaufgeräumt. Als Alfred Polgar ihm einen Besuch abstattete, bot sich dem Freund ein wüstes Durcheinander von Büchern, Zeitungen, Manuskripten und Schreibbehelfen dar. Nichts befand sich dort, wo es hingehörte. Auf dem Schreibtisch lagerte allerlei Esszeug, das Fensterbrett beherbergte Gläser unterschiedlichen Formats, die Schnapsflasche kam aus dem Nachtkasten zum Vorschein, und was sich als Decke über das Sofa breitete, war zweifelsfrei einer der Fenstervorhänge.
Polgar zündete sich eine Zigarette an und sah sich um. »Würde es Sie stören, Csokor«, fragte er, »wenn ich die Asche in den Aschenbecher gebe?«
OSKAR CZERWENKA
Opernsänger
* 5. 7. 1924 Vöcklabruck/Oberösterreich † 1. 6. 2000 ebd. Überaus populärer Sänger (Bass), ab 1951 Mitglied der Wiener Staatsoper. Auftritte bei den Salzburger und den Bregenzer Festspielen sowie auf internationalen Opernbühnen. Als legendär gilt seine Interpretation des Ochs von Lerchenau im »Rosenkavalier«. In seinen späteren Jahren auch als Maler anerkannt.
Der junge Oskar Czerwenka erhielt trotz der großen Rollen, die er an der Volksoper interpretierte, eine geradezu lächerlich geringe Gage. Eines Tages kam es deshalb zur Aussprache zwischen ihm und dem als Original wie als Sparmeister gleichermaßen bekannten Direktor Franz Salmhofer.
Kaum hatte Czerwenka die Direktionskanzlei betreten, erklärte Salmhofer schon, dass er den Fall sofort erledigen wollte. Just in diesem Moment läutete sein Telefon.
»Servus Ernstl«, eröffnete der Direktor das Gespräch und informierte Czerwenka leise, dass Ministerialrat Marboe, der für finanzielle Belange zuständige Chef der Bundestheaterverwaltung, am anderen Ende der Leitung sei. »Jetzt wirst du sehen, Oskar, wie ich mich für dich einsetze«, flüsterte Salmhofer seinem Ensemblemitglied jovial zu, ehe er sich wieder dem Anrufer zuwandte.
»Also, pass auf Ernstl«, schnaubte der Direktor, »auch wenn du mich aus Paris anrufst und das Gespräch sehr teuer wird: Ich habe eine wichtige Sache mit dir zu besprechen. Neben mir sitzt der Oskar Czerwenka, eine der Säulen unseres Hauses. Ohne ihn könnten wir den Betrieb gar nicht aufrecht halten, bei ihm ist eine Gagenerhöhung längst fällig, und zwar eine saftige. Ich verlange von dir, sagen wir …«
Offensichtlich wurde Salmhofer ausgerechnet jetzt von seinem Gesprächspartner unterbrochen.
»Was heißt denn das, den Gürtel enger schnallen?«, nahm der Direktor das Gespräch wieder auf. »Der Staat soll woanders sparen und nicht bei seinen Künstlern … Absoluter Gehaltstopp, kommt von ganz oben? … Der Minister?«
Salmhofer legte auf und teilte Czerwenka mit: »Tut mir leid, Oskar, du hast ja gesehen, ich hab gekämpft für dich wie ein Löwe, sogar in Paris hab ich’s dem Marboe gesagt.«
Ausgerechnet in diesem Moment ging die Tür auf, der Direktionsdiener trat ein und meldete Salmhofer: »Entschuldigen, Herr Direktor, aber der Ministerialrat Marboe ist draußen und möchte mit Ihnen sprechen!«
Es stellte sich heraus, dass der Direktor unterm Schreibtisch einen Knopf installiert hatte, mit dessen Hilfe er in Notfällen fingierte Telefongespräche einzuläuten pflegte.
Herr Kammersänger«, rief der Staatsoperndirigent bei einer Probe seinem Ochs von Lerchenau im Rosenkavalier zu, »Herr Kammersänger, Sie haben das Fis nicht genau getroffen und das Hohe E vorhin war auch nicht ganz einwandfrei.« Da erwiderte Czerwenka mit seinem beeindrukkenden Organ: »Aber was, die Noten san eh nur Vorschläge vom Komponisten – die kann ma befolgen oder a net!«
GÉZA VON CZIFFRA
Filmregisseur
* 19. 12. 1900 Arad/Ungarn † 28. 4. 1989 Dießen/Deutschland. Journalist, Drehbuchautor. Studierte ab 1918 Regie in Wien, arbeitete bei verschiedenen Filmgesellschaften, ehe er 1945 in Wien die Cziffra-Film GmbH gründete. Drehte »Frauen sind keine Engel«, »Kriminaltango«, »Die Abenteuer des Grafen Bobby«, »Charleys Tante« sowie »Die Fledermaus« mit Peter Alexander und Hans Moser.
Géza von Cziffra hatte die Zeit des Stummfilms noch mitbekommen. Er erinnerte sich daran: »Die ersten Klavierspieler und Geiger dienten eigentlich dazu, die Zuschauer wach zu halten. Die Kinomusiker waren selten große Virtuosen. Als die Schauspielerin Asta Nielsen, wie so oft, am Ende des Stummfilms, da sie den Liebsten nicht bekommen konnte, durch einen kühnen Sprung ins Wasser ihrem Leben ein Ende setzte, rief ein Zuschauer in den Kinosaal: ›Asta, nimm den Geiger mit!‹ «
Als Cziffra im Berlin der zwanziger Jahre als junger Drehbuchautor gefragt wurde, wie er sich mit seinem mangelhaften Deutsch durchzusetzen vermochte, antwortete der gebürtige Ungar: »Aber bittaschän, is doch gonz einfoch. Ich hob Idee, und für ›der, die, das‹ und ›mir, mich, Ihnen‹ hob ich Sekretärin.«
Viele Ungarn trafen sich 1933, nach Hitlers Machtübernahme, in Budapest. Cziffra setzte sich im Speisesaal des Hotel Royal an den Tisch des Komponisten Paul Abraham und der Sängerin Gitta Alpar. »Wie lange wollt ihr hier bleiben?«, fragte Abraham die beiden Freunde. »Nicht