Ben und Lasse - Agenten hinter Schloss und Riegel. Harry Voß. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Harry Voß
Издательство: Bookwire
Серия: Ben und Lasse
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783955683146
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      Lasse hält ihm die Tüte direkt unter die Nase. „Hier. Bitte schön.“

      Das hat er kapiert. Er schaut Lasse an, bekommt ein warmes, herzliches Lächeln und nickt. Dann greift er in die Tüte und nimmt sich direkt eine ganze Handvoll heraus. „Danke.“

      Lasse mal wieder. Der kriegt alle Herzen zum Schmelzen.

      Der Zug rollt an. Wieder kommen uns Leute entgegen und wir müssen Platz machen. Zwischendurch schaue ich mich um, in welchem Abteil wir uns jetzt befinden: Nummer acht.

      Mist. Wenn wir vorhin in Abteil sieben saßen und zu Nummer fünf wollen, dann müssen wir in die andere Richtung. Lasse kapiert nicht so ganz, was ich meine, als ich es ihm erkläre, aber immerhin gehorcht er mir und kehrt ebenfalls um. Auf dem Rückweg sehe ich alle zwei Meter ein Gummibärchen auf dem Boden liegen. Erst jetzt fällt mir auf, dass Lasse bei jeder Person, die uns entgegenkommt und uns anrempelt, ein Gummibärchen runterfällt. Ich komme mir vor wie bei Hänsel und Gretel. Sollten wir uns hier im Zug jemals verlaufen, brauchen wir nur unserer eigenen Spur zu folgen. Ganz klasse, Lasse!

      Endlich sitzen wir auf unseren eigenen Sesseln. Wagen fünf, Plätze 251 und 252. Diesmal müssen wir auch niemanden vertreiben. Schweißgebadet stelle ich meinen Rucksack vor meinen Beinen ab. „Darf ich jetzt endlich essen?“, fragt mich Lasse.

      „Von mir aus. Aber verteil nicht wieder alles auf dem Boden.“

      „Nein, mach ich nicht.“

      Lasse wühlt seine Brote heraus und beginnt zu mampfen. Da höre ich hinten im Abteil eine Männerstimme: „So, bitte die Fahrscheine.“ Alle Leute um mich herum greifen in ihre Jacken- oder Aktentaschen und holen ihre Fahrkarten heraus. Okay. Dann mach ich das auch mal. Ich greife in die Seitentasche meines Rucksacks – sie ist leer. Nein, das darf nicht wahr sein! Unsere vielen Zettel, die ich vorhin noch dem Mann mit Hut gegeben habe, sind verschwunden! Schon wieder bekomme ich Schweißausbrüche. Ich ziehe eine andere Seitentasche auf: mein Kartenspiel, ein Päckchen Tempos, sonst nichts. Nein, bitte, lieber Gott, mach, dass die Fahrkarte nicht verloren ist! Ich greife in meine Jackentaschen. Zerknüllte Bonbonpapierchen, benutzte Taschentücher, sonst nichts. Ich bekomme Panik. Schnell schaue ich über meine Sessellehne nach hinten und sehe, wie der Fahrkartenkontrolleur immer näher kommt. Einer nach dem anderen zeigt seinen Fahrschein, der Kontrolleur steckt sie in ein Gerät, das er in der Hand hält, bedankt sich, geht zum Nächsten. Ich beuge mich über meinen Rucksack und reiße ihn auf. Ich wühle. Meine Brottüte fällt raus, meine Trinkflasche fällt raus. Ich kann darauf nicht achten. Ich brauche meine Fahrkarte!

      Lasse beißt in sein Brot und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen: „Was machst du da, Ben?“

      „Die Fahrkarte ist weg!“

      „Jetzt verteilst du ja dein ganzes Essen auf dem Boden! Zu mir hast du gesagt, ich soll das nicht machen!“

      „Halt die Klappe, Lasse, hilf mir lieber beim Suchen! Unsere Fahrkarte ist verschwunden!“

      „Aber eben hattest du sie doch noch.“

      „Ja, eben! Aber jetzt ist sie weg!“ Ich wühle wie ein Verrückter in meinem Rucksack. Unterhosen, Strümpfe, mein Ei, meine Tomate – alles verteilt sich auf dem Boden.

      Jetzt steht der Kontrolleur vor uns: „So, die Fahrscheine, bitte.“

      Ich klappe den oberen Teil des Rucksacks wieder zu. Da ist noch ein Reißverschluss. Ich reiße ihn auf – heraus kommen die weißen Blätter. Gott sei Dank! Ich ziehe sie mit letzter Kraft aus dem Fach und halte sie dem Kontrolleur hin.

      „Immer ruhig bleiben, junger Mann“, brummt er gemütlich, blättert meine Zettel durch, hält sie vor seinen Apparat und gibt sie mir zurück. „In Köln Hauptbahnhof umsteigen.“

      „Ja, weiß ich“, japse ich.

      „Gleis 12 ist der Anschlusszug.“

      „Danke.“

      Der Kontrolleur geht weiter und hat keine Ahnung, welchen Schock ich in den letzten Minuten hatte. Lasse grinst mich genüsslich an: „Du bist lustig, Ben!“

      „Da gibt es überhaupt nichts zu grinsen!“, schimpfe ich laut. „Wenn wir die Fahrkarten verlieren, dann dürfen wir nicht mehr Zug fahren, verstehst du? Wenn wir ohne Fahrkarte Zug fahren, dann sind wir Schwarzfahrer! Dann müssen wir eine riesige Strafe zahlen!“

      „Aber wir haben die Fahrkarte doch überhaupt nicht verloren.“

      „Nein. Aber um ein Haar.“ Ich schaue mir das Chaos rund um meinen Rucksack an. „So. Und jetzt wieder alles einräumen.“

      „Ich helfe dir.“ Lasse steckt den Rest seines Brotes auf einmal in den Mund und grabscht mit seinen Wurstbrot-Fettfingern alles an, was auf dem Boden liegt. Geldbeutel, Notizblock – alles ist jetzt voller Lasse-Fettflecken. Egal. Ich stopfe meine Wäsche wieder in den Rucksack, lege mich unter dem Sitz auf den Bauch und komme gerade so eben an meine Trinkflasche, bevor sie noch weiter nach hinten rollt.

      „Wmpf mpf wmpf mmpf?“, versucht Lasse mir irgendwas mitzuteilen, während er mit dem viel zu großen Brotbrocken in seinem Mund kämpft.

      „Was ist los?“ Mit Geächze gelingt es mir, mich mitsamt meiner Trinkflasche wieder vor den Rucksack zu knien und sie einzuräumen. Da sehe ich Lasse auf dem Boden knien mit einem kleinen, braunen Kästchen in der Hand.

      „Waff ifft daff demm?“, spuckt er mich von neuem an. Ich reiße ihm das Kästchen aus der Hand. „Her damit!“ Ich stecke es in das große Fach zu den Socken tief unten in den Rucksack. „Kau erst mal zu Ende, bevor du hier rumspuckst!“

      Lasse hält seinen Kopf in den Nacken, als könnte er damit das Spucken verringern: „Daf fieht fo auf wie daf Käftfen mmt dm Ring von Oma!“

      „Das ist auch der Ring von Oma. Aber jetzt halt die Klappe und iss dein Brot zu Ende!“ Ich schaue noch mal unter die Sitze. Zwei Reihen vor mir liegen mein Ei und meine Tomate.

      „Mama hat fefagt, du follft daf nift mmtnnhmmn!“

      „Ich versteh kein Wort.“ Ich steige über Lasse in den Gang und gehe zu der Frau, unter deren Sitz meine Sachen liegen. „Entschuldigung, ähm …“

      Die Frau schaut von ihrem Buch hoch: „Ja, bitte?“

      „Da liegt … ähm … mein Ei …“

      Die Frau holt tief Luft: „Wie bitte?“

      „Unter Ihrem Sitz … ähm … darf ich kurz?“ Ich hocke mich auf den Boden, strecke meinen Arm zwischen ihren Beinen hindurch und erreiche das Ei und die Tomate. Die Frau schreit erschrocken auf.

      Von hinten blökt Lasse: „Mama hat gesagt, du darfst das nicht!“

      Die Frau hebt entsetzt ihre Füße nach oben und japst nach Luft. „Da hat deine Mama ganz recht! Das darfst du nicht!“

      Ich richte mich wieder auf und zeige der Frau, was ich geholt habe. „Das war mir aus dem Rucksack gekullert. Entschuldigung.“

      „Also, so was!“

      Schnell gehe ich zu meinem Platz zurück, steige wieder über Lasse und lasse mich in den Sitz plumpsen. Ich bin so erschöpft, dass ich als Erstes in die Tomate beiße. Es spritzt. Der nächste Tomatenfleck auf meiner Jacke. Na toll. Da wird Oma Augen machen, wenn wir bei ihr ankommen. Der große Ben als Tomatenketchup verkleidet.

      „Die kann man nicht mehr essen“, belehrt mich Lasse altklug. „Da hat ein Hund drauf gepinkelt!“

      „Du bist ein Dummschwätzer, Lasse.“

      „Hast du eben selbst gesagt!“ „Na und? Und du hast deine Gummibärchen auch munter weitergegessen.“

      „Außerdem“, Lasse hebt seinen Zeigefinger, der immer noch vor Wurstfett glänzt, „hat Mama gesagt,