100 Jahre Österreich. Johannes Kunz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johannes Kunz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783903083790
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antwortet der Kanonier wie aus der Pistole geschossen.

      »Gut. Und warum hängt er da?«

      »Exzellenz, melde gehorsamst, er war ein General!«

      »Schön, mein Sohn. Aber ich bin doch auch ein General und hänge nicht da. Warum also Uchatius?«

      Der Kanonier denkt eine Minute nach, dann schmettert er: »Exzellenz, melde gehorsamst, weil er ein guter General war!«

      Manöver in Lemberg. Kaiser Franz Joseph I. kommt. Im Rathaus wird ein Empfang gegeben. Alle Honoratioren sind da und der Kaiser unterhält sich freundlich mit jedem einzelnen. So kommt er auch zu Rabbi Mardochaj Lechowitz.

      »Haben Sie Söhne?«, fragt der Kaiser.

      »Sieben, Gott sei Dank.«

      »Und haben Ihre Söhne gedient?«

      »Keiner, Gott sei Dank!«

      Zu Kriegsbeginn 1914 glaubt man in Wien noch, der Feldzug werde sehr rasch beendet sein. Doch schon im ersten Kriegswinter steht es an der österreichisch-ungarischen Ostfront gar nicht gut. Der Vorstand der k. u. k. Militärkanzlei, General Bolfras von Ahnenburg, regt an, der Kaiser selbst solle die Truppen an der Front aufsuchen und den Soldaten neuen Mut machen. Franz Joseph steht bereits in den 80ern und meint skeptisch: »Glauben S’ wirklich, Bolfras, dass so was etwas nützen tät? Wo stehen denn die Russen eigentlich?« Auf die Auskunft, die Heere des Zaren seien dabei, in die ungarische Tiefebene hinabzusteigen, sagt der greise Monarch in einem Anflug von Galgenhumor: »So weit sind die also schon. Dann wart’ ma noch ein bisserl, bald können wir mit der Elektrischen zur Frontbesichtigung fahren.«

      Während der ersten Kriegsmonate 1915 inspiziert der Feldmarschall-Leutnant die Stellungen der Tiroler Standschützen. Nach einem mühsamen Aufstieg zum Bataillonsgefechtsstand besichtigt er durch ein Scherenfernrohr die Linien. Plötzlich ist bei den vorgeschobenen Stellungen der Teufel los.

      »Wer liegt da vorne?«, erkundigt sich der hohe Offizier.

      »Der Hauptmann Anderl mit seiner Standschützenkompanie«, wird ihm gemeldet.

      Der Feldmarschall-Leutnant deutet auf das Feldtelefon: »Verbinden Sie mich mit ihm!«

      »Jawohl«, antwortet der Bataillonsadjutant und lässt unverzüglich die Verbindung herstellen. Am anderen Ende der Leitung meldet sich Hauptmann Anderl.

      »Was ist denn los?«, ruft der Feldmarschall-Leutnant in den Hörer. »Warum wird da vorne geschossen?«

      Prompt kommt die Antwort: »Weil Krieg is’, Du Depp!«

      Schmul, der zur Assentierung gehen muss, fragt seinen Freund Moische, ob er ihm nicht einen Rat geben könne, damit er »untauglich« geschrieben werde. Moische klärt kurz und rät Schmul dann, sich alle Zähne ziehen zu lassen. Ein paar Tage später begegnet er neuerlich dem jetzt sehr erbosten Schmul, der gleich loslegt: »Einen schönen Rat hast Du mir gegeben!«

      »Was meinst Du? Bist Du nicht ›untauglich‹?«

      »Ja, das schon, aber wegen die Plattfüß’!«

      Bei der Musterung gebärdet sich ein jüdischer Junge äußerst nervös: »Ich bitt’ schön, Herr Doktor, versetzen Sie mich nicht zur Artillerie. Ich kann das Schießen nicht hören!«

      »Haben S’ ka Angst«, sagt der Arzt, »die schießen so laut, das werden S’ schon hören!«

      Bei Gewehrübungen brüllt der Feldwebel: »Nicht so zaghaft, Blau! Sie präsentieren ein Gewehr, nicht einen Wechsel!«

      In einem Feldlazarett liegt ein Soldat mosaischer Konfession. Als es mit ihm zu Ende geht, fragt ihn der behandelnde Arzt: »Nun, Mandelbaum, haben Sie noch einen Wunsch?«

      »Ja«, sagt dieser leise, »ich mecht haben einen katholischen Priester!«

      Der Arzt verwundert: »Warum einen katholischen Priester?«

      »Mei Rebbe geht in ka Choleraspital«, sagt der Patient.

      Im Nebensaal spielt sich Ähnliches ab. Dort verlangt ein jüdischer Patient sogar einen Erzbischof.

      »Warum einen Erzbischof?«, will der Arzt wissen.

      »Weil ich mich mecht lassen taufen!«

      Der Mediziner, selbst Jude, setzt sich an die Bettkante, nimmt die Hand des Sterbenden in seine und sagt gütig: »Schauen Sie, Hirschfeld, so viele Jahre waren Sie ein guter Jude. Sie haben mit Ihrem Gott in Frieden gelebt und die Religionsgesetze befolgt. Warum wollen Sie sich jetzt, so kurz vor Ihrem Ableben, taufen lassen?«

      »Wissen Se, Herr Doktor, ich hab’ ma die Sach ieberlegt und bin zu dem Schluss gekommen, wenn schon einer sterben soll, soll sterben a Goi (Anm.: Nichtjude)!«

      Einjährig-Freiwilliger Katz: »Ich bitt’ um Urlaub, Herr Feldwebel.«

      »Warum?«, fragt der Offizier.

      Katz: »Immatrikulation.«

      Der Feldwebel: »Immer diese verfluchten jüdischen Feiertage!«

      Im Trommelfeuer russischer Soldaten steht ein Wiener Leutnant im Schützengraben. Er träumt von seiner fernen Braut und seufzt: »Ach Zitta!«

      Soldat Mandelbaum hat zugehört und gesteht: »Ach Zitta auch!«

      Als der alte Kaiser 1916 stirbt, folgt ihm sein Großneffe Karl I. nach. Sofort nach der Thronbesteigung lässt er den Kriegsminister kommen, um ihm zu befehlen: »Exzellenz, teilen Sie Ihren Generälen mit, dass die Schlampereien ab sofort aufzuhören haben. Von jetzt an wird gesiegt!«

      Der junge Monarch ist voll des guten Willens, aber seine impulsive Art trägt ihm bald den Spitznamen »Karl der Plötzliche« ein. In Wien charakterisiert man den politischen Stil des neuen Monarchen mit dem Scherz, Karl habe einmal zum Telefon gegriffen und gesagt: »Hallo? Ich ernenne Sie zum Finanzminister! Wer dort?«

      Im Kriegspressequartier sitzt der Dichter Franz Werfel. Er hat den Auftrag, Worte und Aussprüche zu finden, die Kaiser Karl bei offiziellen Anlässen von sich gegeben haben könnte. Im Kaffeehaus geben sich Freunde redlich Mühe, ihm Anregungen zu liefern. Manche davon greift er auf, eine allerdings nie. Sie stammt von Anton Kuh und lautet: »In meinem Reich geht die Sonne nie auf.«

      Feldwebel bei Exerzierübungen: »Warum soll der Soldat nicht mit brennender Zigarette über den Kasernenhof gehen?«

      Rekrut Blau: »Recht ham Se, Herr Feldwebel. Warum soll er nicht?«

      Mitten in einer Schlacht befiehlt der Oberst seinen Soldaten: »Los, jetzt geht es Mann gegen Mann!«

      Infanterist Seidenblatt: »Zeigen Se ma bittschön meinen Mann! Vielleicht kann ich mich mit ihm gütlich einigen.«

      Während einer Zugfahrt stellt man sich einander vor.

      »Von Bredow, Leutnant der Reserve.«

      »Morgenthau, dauernd untauglich.«

      In einem anderen Bahncoupé spürt ein Offizier plötzlich einen Floh auf seinem Hals. Er vermutet, dass dieser wohl von dem vis-à-vis sitzenden Juden zu ihm herübergesprungen ist. Der Offizier schubst den Floh mit der Bemerkung »Deserteur!« zum Juden hin. Dieser knipst den Floh wieder hinüber mit den Worten: »Zurück zur Armee!«

      Kaiserin Zita besucht ein Verwundetenlazarett und tritt an das erste Bett heran: »Wie ist Ihr Name? Wo wurden Sie verwundet? Welcher Konfession gehören Sie an?«

      Auf die Antwort »katholisch« legt die Kaiserin fünf Zigaretten auf den Nachttisch.

      Sie kommt zum zweiten Bett. Der Patient ist evangelisch. Die Kaiserin legt vier Zigaretten hin.

      Da winkt eine schwer bandagierte Gestalt aus dem nächsten Bett und ruft der Monarchin zu: »Mir kimmen drei!«

      Zwei jüdische Soldaten unterhalten sich in der Ukraine über Militärflugzeuge. Meint der eine nachdenklich: »Sag’, wie kann man vom Boden überhaupt sehen, ob es russische oder deutsche