Großer Herren Häuser. Georg Hamann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Georg Hamann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783903083721
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bis zu deren Fertigstellung dauerte es Jahrzehnte, zahlreiche Architekten waren daran beteiligt. Noch bis weit in den Ersten Weltkrieg hinein baute man an diesem sündteuren Palast, von dem niemand so recht wusste, wie er dereinst genutzt werden sollte. Franz Joseph musste selbst einsehen, dass aus diesem gigantischen Prestigeprojekt nichts Rechtes mehr werden konnte. Er zog sich davon zurück und übergab die weitere Verantwortung seinem Thronfolger Franz Ferdinand. Es war deutlich zu sehen: Das Kaiserforum wurde, wie Otto Schwarz schreibt, »gleichsam zur Bleikugel am Fuß der Stadtplaner«. Das ursprünglich vorgesehene Pendant der Neuen Burg auf der Seite des Volksgartens wurde nie realisiert, ebensowenig die Triumphbögen über die Ringstraße.

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      Der Maria-Theresien-Platz mit den beiden Hofmuseen, Teil des nur teilweise verwirklichten Kaiserforums von Gottfried Semper an der Ringstraße

      Die beiden Museen wurden hingegen 1891 feierlich eröffnet und bilden seither wichtige Sehenswürdigkeiten Wiens, so wie der gesamte Hofburgkomplex mit seinen vielen bedeutenden Schausammlungen. In der Neuen Burg sind heute – neben der Nationalbibliothek – gleich vier Museen untergebracht (Ephesos-Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Weltmuseum, Sammlung alter Musikinstrumente). Nach jahrelanger Diskussion soll in naher Zukunft ein weiteres hinzukommen, das »Haus der Geschichte«.

      Woher der Ballhausplatz seinen Namen hat

       Bundeskanzleramt, Ballhausplatz 2

      Ein mittelalterliches Kloster musste nicht ausschließlich ein Ort frommer Kontemplation sein, sondern konnte zuweilen zum Schauplatz recht irdischer Vergnügungen werden. Ab dem 12. Jahrhundert ist dokumentiert, dass sich französische Mönche in den Kreuzgängen ihrer Abteien damit zerstreuten, einen kleinen Lederball mit den Innenseiten ihrer Hände hin und her zu schlagen. Dieses Spiel – französisch jeu de paume (paume, frz. Handfläche) – wurde bald auch außerhalb von Klostermauern populär, ob in Italien, Spanien, auf den britischen Inseln oder in den deutschen Ländern. Statt mit den allenfalls durch einen Handschuh geschützten Handflächen spielte man es schließlich mit netzbespannten, hölzernen Schlägern: Tennis war, zumindest in seiner Urform, erfunden.

      Um das Jahr 1520 ließ auch der junge Erzherzog Ferdinand (der spätere Kaiser Ferdinand I.) neben der Hofburg ein erstes Ballhaus errichten, direkt hinter dem alten »Cillierhof«, der heutigen Amalienburg. Nachdem es 1525 einem verheerenden Stadtbrand zum Opfer gefallen war, wurde es auf der anderen Seite der Hofburg, am Michaelerplatz, neu errichtet. Unter Maria Theresia gestaltete man es Anfang der 1740er-Jahre zum (alten) Burgtheater um, so wie damals fast alle Ballhäuser Europas entweder abgerissen oder in Theatersäle umfunktioniert wurden.

      War das gioco di palla also längst nicht mehr so populär wie einst, wollte man dennoch nicht gänzlich darauf verzichten. An seinem ursprünglichen Platz wurde deshalb ein neues Ballhaus errichtet. Mittlerweile stand zwischen Amalienburg und Minoritenkloster das Kaiserspital, in dessen offenen Hof man es einfügte. Als dieses Gebäude wenige Jahre später teilweise abgerissen wurde, blieb das Ballhaus bestehen, erst 1903 wurde es (gemeinsam mit den Resten des Kaiserspitals) demoliert.

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      Das 1888 demolierte Burgtheater am Michaelerplatz stand bis zur Zeit Maria Theresias als Ballhaus in Verwendung.

      Längst hatte man dort nicht mehr das gioco di palla gespielt, es wurde im 19. Jahrhundert unter anderem als Depot des Kunstgewerbemuseums genutzt und diente schließlich den berühmten Architekten Semper und Hasenauer als Büro während des Baus der Hofmuseen.

      Der Name Ballhausplatz erinnert aber noch heute an die sportliche Unterhaltung von einst, wenngleich er seit dem 18. Jahrhundert in erster Linie mit der hohen Politik assoziiert wird.

      Die Hof- und Staatskanzlei – Regierungsgebäude und Wohnpalais

      Während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts begannen die europäischen Monarchen, ihre außenpolitischen Agenden in eigenen Behörden zusammenzufassen. Im Habsburgerreich war es Kaiser Josef I., der eine erste separate außenpolitische Abteilung innerhalb der Österreichischen Hofkanzlei (also der obersten Justiz- und Verwaltungsbehörde) schuf. Diese Abteilung erhielt unter seinem Bruder und Nachfolger Karl VI. den Namen »Staatskanzlei«.

      Der jeweilige Hof- und Staatskanzler war somit ein enorm mächtiger Mann, war er doch sowohl für die Justiz, die Innen- und die Außenpolitik zuständig (wohlgemerkt mit Ausnahme jener Angelegenheiten, die mit Russland beziehungsweise dem Osmanischen Reich zu tun hatten, diese fielen weiterhin in den Aufgabenbereich des Hofkriegsrates). In der Hofburg wurde der Platz knapp für diese »Superbehörde«, weshalb man sich 1717 entschloss, in unmittelbarer Nähe einen repräsentativen Neubau errichten zu lassen. Er sollte nicht nur die Hofkanzlei (inklusive außenpolitischer Staatskanzlei) beherbergen, sondern auch den jeweiligen Kanzlern als privates Wohnpalais dienen.

      Der Baugrund war eng, lag er doch unmittelbar an der Stadtmauer und eingezwängt zwischen Minoritenkloster, dem bereits erwähnten Kaiserspital und dem Haus des Freiherrn Scalvinioni, das direkt an die Amalienburg angebaut war und einen Großteil des heutigen Ballhausplatzes einnahm.

      Die Pläne zum neuen Gebäude schuf der damals viel beschäftigte Stararchitekt Johann Lucas von Hildebrandt: Im Erdgeschoß lagen die Stallungen und Wagenremisen, die Dienstbotenwohnungen und die Küche, im Hochparterre die Büros der Beamten. Besonders großen Wert legte Hildebrandt auf die Gestaltung des Stiegenhauses und der Säle und Salons in der Beletage, immerhin sollten hier auch hochrangige diplomatische Delegationen aus dem Ausland empfangen werden, die man als Gastgeber durch verschwenderische Pracht beeindrucken wollte.

      Doch so richtig behaglich dürfte das Gebäude abseits all des Prunks nicht gewesen sein, denn die Wohnräume der Kanzler lagen abgesondert im hintersten Trakt und waren nur durch lange, enge Gänge zu erreichen. Lothar Franz Graf Schönborn schrieb 1719, dass Hildebrandt, »dieser … sonst sehr berühmbte architektus … alle seine gang zu schmal machet« (ein Vorwurf, der übrigens auch in Zusammenhang mit dem von Hildebrandt entworfenen Palais Daun (siehe Seite 135–140) erhoben wurde).

      Um solche Ärgernisse hatte sich ohnehin nicht mehr Hildebrandt selbst zu kümmern, sondern der ausführende Baumeister Christian Alexander Oedtl. Einer breiten Öffentlichkeit ist er heute nicht mehr bekannt, er steht im Schatten jener berühmten Architekten, mit denen er oft zusammenarbeitete: Neben Hildebrandt waren es Fischer von Erlach (Vater und Sohn), Giovanni Tencala und Anton Johann Ospel. Genau genommen war Oedtl auch gar kein Baumeister, sondern lediglich kaiserlicher Hofmaurermeister, allerdings einer, dessen hervorragende Ausbildung ihn zum Zeichnen eigener Pläne, zum