Großer Herren Häuser. Georg Hamann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Georg Hamann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783903083721
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die meisten wurden verkauft, vermietet oder in staatliche Verwaltung übernommen.

      Den größten Teil des Buches nehmen Palais ein, die zur Barockzeit entstanden. Als nach der Zweiten Türkenbelagerung die unmittelbare Gefahr durch die osmanischen Truppen gebannt war, kam es in Wien zu einem beispiellosen »Bauboom«. Der Wiener Lokalhistoriker Wilhelm Kisch schrieb in den 1880er-Jahren, dass »auf den Trümmerstätten und Schutthaufen, welche die Türkenbrände 1683 zurückliessen (…) alle die vielen stolzen Monumental- und Prachtbauten Wiens … jetzt wie Pilze aus der Erde schossen. Dort«, so Kisch weiter, »wo man noch jüngst in den niedergebrannten Vorstädten … halb verbrannte Kameele, geschmorte Maulthiere und verweste Christenleichen eine ungeheure Pestilenz unter schwarzen Rauchwolken verbreiten sah, stiegen die stolzen Paläste empor, die mit wahrer französischer Prachtliebe ihrer ärmlichen Umgebung zu spotten schienen.«

      Tatsächlich war Wien nicht mehr nur Grenzfestung gegen Ungarn, sondern entwickelte sich zur barocken Metropole einer europäischen Großmacht. Im Jahr 1698 wurde der »Burgfrieden« auch auf die Vorstädte ausgedehnt, die nun – zwar durch die Stadtmauern immer noch von Wien getrennt, aber bald durch den zweiten Befestigungsring des Linienwalls geschützt – zu einem attraktiven Siedlungsgebiet wurden. Der Kaiserhof und viele Adelsfamilien ließen sich dort ihre Sommerschlösser mit ausgedehnten Gartenanlagen errichten (das Belvedere und Schönbrunn bieten hervorragende Beispiele). Auch Bürgerliche zogen aus der engen Stadt, wodurch dort Platz frei wurde für die hochherrschaftlichen Palais, die bis heute das Aussehen des 1. Bezirks prägen.

      Immense Summen flossen damals in die Bauwirtschaft. Die adeligen Familien wetteiferten um die berühmten Architekten, Stuckateure, Maler und Freskanten, die sich in Wien tummelten. Neben dem Palais Batthyány-Strattmann und dem Daun-Kinsky wird über Prinz Eugens »Winterpalais« in der Himmelpfortgasse erzählt sowie das Amtspalais des heutigen Bundeskanzleramts, das einst den Staatskanzlern und ihren Familien als Residenz zustand.

      In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde viel schlichter und nüchterner gebaut, selbst die wenigen entstehenden Neubauten aristokratischer Bauherren waren durch vergleichsweise schmucklose Fassaden geprägt und glichen sich der bürgerlichen Zweckarchitektur an. Im Wien-Band des Kronprinzenwerks (1886) hieß es: »Es ist für uns, die wir die künstlerische Verjüngung der Metropole des Reiches erlebt haben, kaum faßbar, mit welch schmaler Hausmannskost die Stadt Beethovens und Schuberts, Raimunds und Grillparzers in allem, was die bauliche Gestaltung und den Schmuck des Lebens betraf, sich begnügen mußte.« Doch es gab Ausnahmen, wie das prächtige Palais Coburg, von dessen Baugeschichte und Bewohnern dieses Buch auch erzählt.

      Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde von der Architektur des Historismus dominiert: Die Ringstraße entstand und mit ihr all ihre Palais und noblen Mietshäuser. Als Beispiel hierfür dient das von Theophil Hansen entworfene Palais Epstein. In dieselbe Zeit fiel auch der Bau der Hermesvilla im Lainzer Tiergarten und des Achilleions auf Korfu (das als einziges nicht in Wien liegende Gebäude in der Serie »Vieler Herren Häuser« vorgestellt wird). Zwei weitere Gebäude jener Jahre fallen ein wenig aus dem Rahmen, waren sie doch nie als Wohnhäuser gedacht: das »Palais« Ferstel und der Kursalon im Stadtpark.

      All diese Gebäude erzählen spannende, mitunter tragische Geschichten: von berühmten Feldherren und Ringstraßenbaronen, von konkurrierenden Barockbaumeistern, politischen Intrigen, gesellschaftlichen Skandalen, aristokratischen Salons und vielem mehr – ein Blick hinter die Fassaden großer Herren Häuser.

       Georg Hamann

      September 2017

      »Ein Tor aus Brettern wie zu einer Scheune … «

       Hofburg

      Als Residenz der österreichischen Landesherren war die Hofburg seit jeher das wichtigste profane Gebäude Wiens, als einen »Palast« konnte man sie jedoch lange Zeit wahrlich nicht bezeichnen. Es sollten Jahrhunderte vergehen, bis aus einem verwinkelten und verschachtelten Komplex aus Höfen, Stiegen, Türmen und Trakten ein einigermaßen repräsentatives Ganzes wurde.

      Doch gerade diese Existenz als Stückwerk verleiht der Hofburg einen unverwechselbaren Charakter und macht sie so besonders, viel interessanter als jedes noch so prachtvolle, in einem Guss entstandene Renaissance- oder Barockschloss. Durch die häufigen Um- und Anbauten wurde aus ihr ein architektonisches »Geschichtsbuch«, anhand dessen sich hervorragend die zunehmende Bedeutung des Hauses Habsburg ablesen lässt. Je wichtiger dieses wurde, desto größer und prächtiger wurde auch seine Wiener Residenz.

      Von der Ritterburg zum Barockpalast – ein Überblick

      Ihr ältester Teil stammt aus dem Hochmittelalter: Ottokar II. Přemysl – König von Böhmen und Herzog von Österreich – ließ in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts anstelle eines babenbergischen Vorgängerbaus eine Burg errichten (den späteren »Schweizertrakt«). Sie lag direkt an der alten Stadtmauer, diente also in erster Linie als militärischer Zweckbau: Türme sicherten ihre Ecken, ein Wassergraben mit Zugbrücke verwehrte feindlichen Zugriff.

      Sehr behaglich dürfte es in ihren Räumen nicht gewesen sein und besonders imposant sah sie auch nicht aus. Im beginnenden 16. Jahrhundert schrieb ein französischer Wien-Besucher: »Dieser Palast ist so hässlich wie nur irgendeines der Häuser in der Rue de Lombards zu Paris. Ein Tor, aus Brettern wie zu einer Scheune; an demselben nur auf einer Seite ein kleines Pförtchen; ein Hofraum so enge, dass sich in ihm mit einer Kutsche ohne Schwanenhals gar nicht umkehren lässt.«

      Erst Jahrzehnte später, als die Kunst der Renaissance endlich auch in Österreich Fuß fasste, wurde die Hofburg deutlich vergrößert und erhielt ein Aussehen, das um einiges repräsentativer war als bislang. Ab den 1550er-Jahren wurde anstelle eines alten Getreidespeichers zunächst die sogenannte »Stallburg« errichtet. Sie war ursprünglich für Erzherzog Maximilian (den späteren Kaiser Maximilian II.) als Residenz gedacht, doch noch ehe sie fertig war, starb dessen Vater Ferdinand I., womit Maximilian gleich dessen Räume in der alten Burg beziehen konnte. Der neu erbaute Trakt wurde nun als »Hofstallgebäude« und Wagenremise genutzt.

      Ungefähr zur gleichen Zeit wurde auch das Eingangstor in die alte Burg (das heutige »Schweizertor«) von Pietro Ferrabosco in markanten Renaissanceformen neu gestaltet, und nach seinen Entwürfen errichtete man – direkt gegenüber, auf der anderen Seite des damaligen Turnierplatzes (des heutigen »Inneren Burghofs«) – einen weiteren neuen Trakt der Burg.

      Bislang hatten dort mehrere Häuser gestanden, das größte war nach seinen einstigen Besitzern, den Grafen Cilli, benannt (der »Cillierhof«). Nachdem diese mächtige Familie im Mannesstamm ausgestorben war, fiel deren Besitz Mitte des 15. Jahrhunderts an Kaiser Friedrich III. Der Cillierhof wurde lange Zeit als Küche und Rüstkammer genutzt, jetzt, gut hundert Jahre später, riss man ihn ab.

      An seiner Stelle entstand die (später sogenannte) »Amalienburg«, ein stattliches, vornehmes Renaissanceschloss, das ursprünglich für Kaiser Maximilians Sohn Rudolf als Residenz gedacht war. Als dieser jedoch 1576 zum neuen Kaiser aufrückte, hatten die Bauarbeiten gerade erst begonnen und Rudolf hielt sich ohnehin meist in Prag und nicht in Wien auf. Bald blieb er für immer am Hradschin, im neuen Gebäude der Hofburg wohnte er nie.

      Die Bauarbeiten zogen sich lange hin, so wie auch jene an der Stallburg mehr Zeit als vorgesehen in Anspruch genommen hatten. Die Erklärung liegt nahe: Es fehlte an Geld. Das ausgehende 16. und beginnende 17. Jahrhundert war eine Phase erneuten Krieges, wieder einmal ging es gegen die Türken. Der Ausbau der Grenzfestungen in Ungarn hatte allerhöchste Priorität. Für die Hofburg blieb kaum noch Geld übrig, ja selbst für die dringend nötige Instandsetzung der Wiener Stadtmauern mangelte es am Nötigsten: Die requirierten Arbeitskräfte erschienen zwar zur Arbeit, da für sie aber weder Baumaterial noch Werkzeug zur Verfügung standen, mussten sie unverrichteter Dinge wieder abziehen.

      Als die finanziellen Mittel endlich wieder gesichert waren, versickerten prompt große Summen durch Korruption und Unterschlagung. Betrügerische