•Gott durch meine Arbeit dienen heißt, etwas für die soziale Gerechtigkeit in der Welt zu tun.
•Gott durch meine Arbeit dienen heißt, stets ehrlich zu sein und meine Kollegen zu missionieren.
•Gott durch meine Arbeit dienen heißt, meine Arbeit gut, ja exzellent zu machen.
•Gott durch meine Arbeit dienen heißt, etwas Schönes zu schaffen.
•Gott durch meine Arbeit dienen heißt, mir die Verherrlichung Gottes zum Ziel zu setzen und die Kultur in diesem Sinne zu beeinflussen.
•Gott durch meine Arbeit dienen heißt, sie durch alle Höhen und Tiefen mit einem dankbaren, freudigen, vom Evangelium verwandelten Herzen zu tun.
•Gott durch meine Arbeit dienen heißt, das zu tun, was mir die größte Freude und Leidenschaft gibt.
•Gott durch meine Arbeit dienen heißt, so viel Geld zu verdienen, wie ich kann, damit ich damit entsprechend freigebig sein kann.
Ergänzen sich diese Gedanken oder widersprechen sie sich, und in welchem Maße tun sie das? Eine schwierige Frage, denn jede dieser Sichtweisen hat von der Bibel her wenigstens etwas für sich. Und die Schwierigkeit liegt nicht nur in der Fülle der theologischen Betonungen und kulturellen Faktoren, um die es hier geht, sondern auch darin, dass sie sich unterschiedlich auswirken können, je nach der Art der Arbeit. Christliche Ethik, Motive, Zeugnis und Weltsicht prägen unser Arbeiten auf sehr verschiedene Weise, je nachdem, um was für eine Arbeit es sich handelt.
Stellen wir uns vor, eine Christin ist bildende Künstlerin. Sie setzt sich konsequent für Gerechtigkeit ein, ist ehrlich und gewissenhaft, hat Freunde, die ihr in den Höhen und Tiefen des Lebens beistehen, macht aus ihrem Glauben keinen Hehl und versteht ihre Kunst als Dienst an Gott und ihren Mitmenschen und nicht als Mittel, berühmt zu werden. Ist damit die Integration von Arbeit und Glaube schon komplett? Oder muss das, was sie in ihren Werken an Realität abbildet und die Art, wie sie es abbildet, nicht von der christlichen Lehre über das Wesen der Realität geprägt sein? Werden die Geschichten, die sie mit ihrer Kunst erzählt, nicht davon geprägt sein, was sie über die Sünde und die Erlösung und die Zukunftshoffnung glaubt? Die Antwort ist offensichtlich „Ja“, und wir entdecken: Unser Wille, unsere Gefühle, unsere Seele und unser Verstand, sie alle sind beteiligt, wenn wir unserem Glauben und dem, was er für uns bedeutet, auf der Leinwand unserer täglichen Arbeit Gestalt geben.
Aber was, wenn Sie ein christlicher Pianist sind oder ein Schuster? Was bedeutet eine christliche Weltsicht für die Art, wie Sie Schuhe besohlen oder die Mondscheinsonate spielen? Hier ist die Antwort weniger deutlich.
Wer rettet uns aus diesem Labyrinth? Die meisten Menschen, die angefangen haben, Bücher über die Integration von Arbeit und Glaube zu lesen oder in entsprechende Gruppen zu gehen, sind entweder mit nur einer der theologischen Strömungen in Berührung gekommen oder haben bereits mehrere mitbekommen und sind entsprechend verunsichert. Kirchen und Organisationen, die das Thema „Arbeit und Glaube“ betonen, neigen gerne dazu, einen oder zwei dieser verschiedenen Denkansätze auf Kosten der anderen in den Vordergrund zu stellen. Aber einfach alle miteinander zu kombinieren, in der Hoffnung, so ein sinnvolles Ganzes zu erhalten, kann auch nicht die Lösung sein.
Wir werden in diesem Buch nicht auf alle Fragen eine Antwort geben können, aber wir hoffen, dass dem Leser einiges klarer wird. Und anfangen wollen wir mit zwei Beobachtungen über die obige Liste von Sätzen, die mit „Gott durch meine Arbeit dienen heißt …“ anfangen. Erstens: Wenn ich diesen Satzanfang ergänze zu: „Gott durch meine Arbeit dienen heißt vor allem …“, dann erhalte ich eine Liste von Widersprüchen. Ich muss dann einen oder zwei dieser Sätze auswählen und den Rest verwerfen. Die meisten Leute, die sich zu dem Thema „Glaube und Arbeit“ äußern, tun (stillschweigend oder offen) genau dies. Lasse ich die Sätze dagegen so, wie sie sind, und sehe jeden von ihnen als eine Möglichkeit unter mehreren, Gott durch meine Arbeit zu dienen, dann widersprechen sie sich nicht, sondern ergänzen sich. Zweitens: Wie wir gerade sahen, können diese Faktoren unterschiedlich gestaltet und gewichtet sein, je nach meinem Beruf, meiner Kultur und historischen Epoche. Wenn wir diese beiden Prinzipien bedenken, können wir die verschiedenen Aussagen, Denkansätze und Wahrheiten als Baukasten betrachten, mit dem wir ein Modell für die Integration von Glaube und Arbeit für unseren Beruf, unsere Zeit und unseren Ort konstruieren können.
Wir wollen die Dinge aber nicht nur klarer machen, sondern auch lebendiger, realer und praktischer. Wir möchten mit dem, was der christliche Glaube (direkt und indirekt) über dieses unerschöpfliche Thema zu sagen hat, Ihre Fantasie und Tatkraft ansprechen. Die Bibel ist voll von Weisheit, Hilfe und Hoffnung für jeden, der einen Beruf ausübt oder erlernt, der Arbeit sucht oder seine Arbeit gut machen will. Und wenn wir sagen, dass die Bibel uns „Hoffnung“ für unsere Arbeit gibt, tun wir dies in dem Wissen, wie zutiefst frustrierend und schwierig unsere Arbeit sein kann und wie stark demnach die Hoffnung sein muss, die wir brauchen, wenn wir in dieser Welt Berufene sein wollen, die ihren Beruf ausüben. Ich kenne keinen provozierenderen und anregenderen Zeugen dieser Hoffnung als J. R. R. Tolkiens kleine, unbeachtete Geschichte „Leaf by Niggle“ (deutsch: „Blatt von Tüftler“).
Den Baum gibt’s wirklich
Als Tolkien eine Zeit lang an seinem Herrn der Ringe gearbeitet hatte, kam er an einen Punkt, wo es nicht weitergehen wollte.9 Was er schreiben wollte, war eine Geschichte, wie die Welt sie noch nicht gesehen hatte. Als führender Experte im Altenglischen und in anderen alten nordeuropäischen Sprachen wusste er, dass (anders als bei den Griechen und Römern oder sogar Skandinaviern) die meisten alten britischen Mythen über die Bewohner der Märchen- und Sagenwelt – Elfen, Zwerge, Riesen und Zauberer – verloren gegangen waren. Tolkiens Traum war es immer schon gewesen, eine kreative Rekonstruktion dieser altenglischen Mythologie zu schaffen. Der Herr der Ringe basierte auf dieser verlorenen alten Welt. Für sein Projekt musste Tolkien mindestens in den Grundzügen mehrere fiktive alte Sprachen und Kulturen schaffen sowie die Jahrtausende umspannenden Chroniken mehrerer Völker – all dies, um die Tiefe und das realistische Flair zu erhalten, die er für eine fesselnde Geschichte für absolut notwendig hielt.
Bei seiner Arbeit an dem Manuskript kam Tolkien an einen Punkt, wo die Geschichte sich immer mehr verzweigte. Die Protagonisten wanderten in verschiedene Gegenden seiner imaginären Welt, wo sie diverse Gefahren zu bestehen hatten und die Handlungsstränge immer komplizierter wurden. Es war eine enorme Herausforderung, all diese Handlungen und Nebenhandlungen zu entfalten und jede zu einem befriedigenden Ausgang zu führen. Und nicht nur das. Der Zweite Weltkrieg hatte begonnen, und auch wenn Tolkien mit seinen 50 Jahren nicht als Soldat einberufen wurde, fiel der Schatten des Krieges schwer auf ihn. Er hatte die Schrecken des Ersten Weltkrieges miterlebt und nicht vergessen, und jetzt schien England kurz vor der Invasion durch Hitlers Truppen zu stehen. Wer wusste, ob Tolkien, selbst als Zivilist, den Krieg überleben würde?
Würde es ihm je gelingen, das Werk seines Lebens zu vollenden? Er arbeitete ja nicht erst seit ein paar Jahren daran. Als er mit dem Herrn der Ringe begann, hatte er bereits mehrere Jahrzehnte an den Sprachen, Chroniken und Geschichten gearbeitet, die den Hintergrund des Romans bildeten. Ihn womöglich nicht fertigstellen zu können war „ein furchtbarer und betäubender Gedanke“10. An der Straße an Tolkiens Haus stand damals eine Pappel. Eines Morgens musste Tolkien feststellen,